Didier Fassin

Der Wille zum Strafen

Cover: Der Wille zum Strafen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518587263
Gebunden, 206 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Christine Preis. In den letzten Jahrzehnten lässt sich ein härteres Durchgreifen der Polizei, eine Verschärfung des Strafrechts und ein teils massiver Anstieg der Gefangenenzahle in allen liberalen Demokratien beobachten. Ein neuer Wille zum Strafen greift um sich, wie Didier Fassin in seinem brisanten Buch nachweist. Um dieses Moment des Strafen zu verstehen, geht Fassin drei zentralen Fragen nach: Was ist Strafen? Warum strafen wir? Und wen bestrafen wir? Anhand zahlreicher Fallbeispiele vergleicht er die faktische Praxis des Strafens mit klassischen Theorien des liberalen Rechtsstaats und zieht historische sowie ethnologische Forschungen zu anderen Kulturen des Strafens heran. Es zeigt sich: Die realen Strafpraktiken weichen stark von den liberalen Idealvorstellungen ab. Sie geben den Blick frei auf einen hochgradig ungerechten und diskriminierenden Repressionsapparat, der die dunkle Seite der gegenwärtigen neoliberalen Gesellschaften bildet, mit deren Siegeszug er zeitlich und geographisch korreliert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.02.2019

Eingehend und überwiegend positiv bespricht der Politologe Valentin Feneberg diese Studie, die das Strafsystem der westlichen Welt in Frage stellt und auf Begründungen untersucht, die den Autor aber allesamt nicht überzeugen. Die Strafsysteme, so scheint es, bilden vor allem die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft ab, besonders in den USA, wo Schwarze häufiger wegen Drogen ins Gefängnis kommen, obwohl sie im Schnitt laut Fassin weniger konsumieren. "Man wird nicht verurteilt wird, weil man schuldig ist, sondern man ist schuldig, weil man verurteilt wird", schließt der Rezensent daraus. Mit Fassin ist sich Feneberg einig, dass man, statt zu strafen, eher nach den Entstehungsbedingungen für Straftaten suchen müsse. Auch mache Fassin auf andere Formen der Sanktion aufmerksam, etwa die in vormodernen Gesellschaften häufig geltende "Wiedergutmachungslogik". Weniger überzeugt haben Feneberg die psychoanalytisch grundierten Ausführungen Fenebergs, die zu kurz seien, um wirklich Aussagekraft zu entwickeln.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.01.2019

Michael Pawlik begreift mit dem Buch des Sozialanthropologen Didier Fassin besser, was beim Strafrechtspopulismus falsch läuft. Nietzsches Schule des Verdachts folgend, erläutert Fassin ihm den finsteren Teil der Bestrafung am Beispiel der amerikanischen Justiz. Dass dem Autor dabei die Herrschaftsinteressen des Strafens ein wenig aus dem Blick geraten, nimmt Fassins These nichts an Überzeugungskraft, versichert Pawlik. Fassins Darstellung einer kritischen Theorie des Strafens scheint dem Rezensenten allerdings noch ausbaufähig.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 08.01.2019

Hannah Bethke zeigt sich nur wenig genervt von Didier Fassins Sozialarbeiter-Perspektive. Viel schlagender findet sie die vom Autor vorgelegte Analyse und die Diskrepanz zwischen Strafpraxis und Wertvorstellungen in liberalen Demokratien, die sie aufzeigt. Inwiefern eine laut Autor populistische Kriminalpolitik die Demokratie mehr bedroht als schützt, vermag Fassin der Rezensentin mit ernüchternder Deutlichkeit zu zeigen. Die Ungerechtigkeit des strengen Strafens und seine Willkür, die der Autor an erschütternden Fallbeispielen illustriert, beziehen sich im Buch zwar vor allem auf die amerikanische Justiz und die Verhältnisse in Frankreich, erklärt Bethke. Geeignet, den schnellen Ruf nach Sicherheit und Ordnung auch bei uns zu hinterfragen, ist sie aber allemal, findet sie.