Oskar Roehler

Herkunft

Roman
Cover: Herkunft
Ullstein Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783550088445
Gebunden, 592 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Eine Familie, drei Generationen, die Geschichte der Bundesrepublik: Robert Freytags Großvater Erich, der Kriegsheimkehrer, der seine Frau an eine andere Frau verliert. Roberts Eltern, die Schriftsteller Nora und Rolf, die sich in einer Amour Fou zerfleischen und über ihrem Streben nach Selbstverwirklichung und freier Liebe zugrunde gehen. Robert selbst, der zwischen der Geborgenheit im Haus seiner Großeltern und dem enthemmten Leben der 68er aufwächst, immer auf der Suche nach dem eigenen Glück, das so schwer zu finden ist. Oskar Roehlers Roman ist die Geschichte einer Familie und zugleich ein sehr persönliches Zeitdokument von großer poetischer Kraft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2014

Botho Strauß hat ein Buch über seine Kindheit und Jugend und über das Erinnern geschrieben, das alles, was der Leser bislang in Splittern über den Autor erfahren haben mag, zusammenfasst und übersteigt, erklärt Rezensent Hubert Spiegel einigermaßen begeistert. Dass er Strauß lesend noch einmal als Kind, als Suchenden, als Sohn erleben würde, hätte der Rezensent nicht gedacht. Nun, zu seinem eigenen 70. und zum 100. Geburtstag des Vaters, meint Spiegel, schaut der Autor in die Magierkugel und zieht, den hohen Ton pflegend, Prägendes hervor, TV, Theater, Küsse. Dass Strauß den Ton oft bricht, konstatiert Spiegel mit Erleichterung. Insgesamt aber zeigt sich der Autor laut Spiegel hier ungewohnt interessiert an Kontinuität.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.10.2011

Im Aufmacher der Zeit-Literaturbeilage widmet sich Iris Radisch den drei Romanen von Oskar Roehler, Josef Bierbichler und Eugen Ruge, denen Radisch zufolge eines gemein ist: die Familie entthront in ihnen das Ich als Souverän. Im Gegensatz zum Gros ihrer Kritikerkollegen ist das Radisch allerdings nicht ganz geheuer geheuer, zumindest, wenn es wie in Oskar Roehlers "Herkunft" darauf hinausläuft, dass der Enkel Frieden schließt mit dem Briefmarken sammelnden Nazi-Opa, der Halt und Behaglichkeit verspricht, während die dagegen revoltierenden Eltern nur als sich selbst verwirklichende Schriftsteller-Egomanen dastehen, die nur an Sex und die RAF-Kasse denken. Diese Restauration will Radisch nicht mitmachen: "Der Held unserer Zeit heißt neuerdings wieder Opa Erich", spottet die Rezensentin, die aber auch literarisch nicht von Roehlers Buch überzeugt ist, in dem einiges sprachliches Ungeschick und viel Konvention entdeckt. Positiv anrechnen möchte sie Roehler aber die "leidenschaftliche Entschiedenheit", mit der er sein regressives Projekt verfolgt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.09.2011

Außerordentlich beeindruckt ist Christopher Schmidt von diesem weitgehend autobiografischen Roman des Filmregisseurs Oskar Roehler - wenngleich er ihn als wirkliches Meisterwerk der Literatur dann doch nicht bezeichnen will. Vor allem jene Teile, die die Zeitgeschichte schildern und vor der Geburt des Helden im Jahr 1959 liegen, scheinen Schmidt aber äußerst interessant. Die Protagonisten sind klar erkennbar Roehlers Eltern Gisela Elsner und Klaus Roehler nachgebildet; sie ein Star der Gruppe 47, er als Lektor von Johnson und Grass und Freund Dutschkes mitten im linksliterarischen Milieu. Der Sohn freilich wird brutal vernachlässigt, dann von der Eltern- in die Großelternhölle weitergereicht. Zu den Stärken des Buches gehört es nach Ansicht von Schmidt, dass es sich für ideologische Debatten nicht instrumentalisieren lasse: Zu präzise individuell werde dargestellt, wie es sich in diesem auch in der allgemeineren Zeitgeschichte besonderen Fall verhielt. Und doch und gerade so werde das "gewichtige Buch" zum Generationenporträt und erweise sich als eines der herausragenden Werke dieses Bücherherbstes.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.09.2011

Etwas durchwachsen scheint Eva Behrendt dieses Romandebüt des Regisseurs Oskar Roehler, das von der "beschädigten" Jugend eines ungewollten Kindes erzählt. Der Autor, der seine Familiengeschichte bereits teilweise in Filmen wie "Die Unberührbare", einem schonungslosen Porträt seiner Mutter, der Schriftstellerin Gisela Elsner, thematisiert hat, verarbeitet diesen Themekomplex nach Informationen von Behrendt auch in vorliegendem Roman. Dabei attestiert sie Roehler eine Menge "erzählerischer Potenz". Gleichwohl kommt ihr das Werk auch wie ein "therapeutisches Projekt" vor. Gelungen findet sie vor allem den Teil des Buchs, in dem der Ich-Erzähler noch gar nicht geboren ist, sondern das Leben seiner Eltern und Großeltern in der Nachkriegszeit und in der Zeit des Wirtschaftswunders überaus dicht beschrieben wird. Später, nach der Geburt des Ich-Erzählers, entgleiten dem Autor nach Ansicht Behrendts allerdings zunehmend seine Figuren. Die Schilderung der ersten Lebensjahre findet sie zwar erdrückend und geradezu albtraumhaft. Der Suche des abgeschobenen Kindes nach einer heilen Familienwelt aber fehlt zu ihrem Bedauern die "Wucht und Distanz des verheißungsvollen Beginns".