Steffen Mensching

Schermanns Augen

Roman
Cover: Schermanns Augen
Wallstein Verlag, Göttingen 2018
ISBN 9783835333383
Gebunden, 820 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Ein Gulag-Roman mit deutschen und österreichischen Protagonisten. Eine Rückschau ins Wien der zwanziger Jahre.  Eben noch war Rafael Schermann in der Wiener Caféhaus-Szene ein bunter Hund, bekannt mit Gott und der Welt von Adolf Loos, Oskar Kokoschka, Magnus Hirschfeld bis zu Else Lasker-Schüler, Herwarth Walden, Ehrenstein, Döblin, Bruckner, Eisenstein, Stanislawski, Piscator… Selbst der scharfzüngige Karl Kraus erhoffte sich von Schermanns graphologischer Begabung beim Deuten von Briefhandschriften entscheidende Hilfe in seinem Liebeswerben um Sidonie Nádherný… Und jetzt landet dieser schillernde Mann völlig abgerissen und todkrank als Gefangener am Ende der Welt, hundertfünfzig Kilometer östlich von Kotlas an der Bahntrasse nach Workuta im Lager Artek.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.01.2019

Der beeindruckte Rezensent Christoph Dieckmann fragt sich angesichts des "Kolossalgemäldes der sowjetischen Lager", das Steffen Mensching in seinem Roman "Schermanns Augen" gezeichnet habe, wie jemand, der diese Hölle nicht selbst miterleben musste, sie so anschaulich vergegenwärtigen kann. Die Geschichte über einen jüdischen Grafologen, der vor seiner Flucht vor den Nazis die Handschriften der damaligen Wiener Kulturprominenz hellseherisch auslas und letztlich in einem Gulag landet, wo der gefangene Berliner Jungkommunist Otto Haferkorn seine Aussagen übersetzen soll, erscheint dem Kritiker so virtuos und akkurat erzählt, dass ihm bei der Vorstellung der geschilderten Schrecknisse die Haare zu Berge stehen. Den Vergleich mit Herta Müller scheut der Kritiker nicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.10.2018

Rezensentin Cornelia Geißler fühlt sich gut beschäftigt mit Steffen Menschings Roman. Wuchtig und erzählerisch kraftvoll findet sie den Text, der sie mit plastischen Figuren und einem Gesellschaftsporträt der 20er und 30er Jahre beschenkt, und das aus der Perspektive von Lagerinsassen im sowjetischen Gulag 1940/41, namentlich des legendären Grafologen Rafael Schermann. Was daran real, was ausgedacht ist, vermag Geißler kaum zu sagen. Die Fähigkeit des Autors, beides zu verbinden und daraus Spannung zu erzeugen, erscheint ihr jedoch bemerkenswert. Ebenso die Detailgenauigkeit und die Organisation der vielen Figuren im Text.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.08.2018

Zwölf Jahre recherchierte der Theaterintendant Steffen Mensching für seinen neuen Roman in Archiven und Bibliotheken, weiß Rezensent Andreas Platthaus und quittiert die Mühen mit hochgreifenden Vergleichen zu Peter Weiss' "Ästhetik des Widerstands", aber auch zu Thomas Manns "Zauberberg" oder Boccaccios "Dekameron". Erzählt wird die Geschichte des polnischen Juden Rafael Schermann, der mit hellseherischen Fähigkeiten begabt und von den Sowjets in ein Arbeitslager deportiert offiziell seit 1943 als verschwunden galt, bei Mensching allerdings in dem fiktiven Arbeitslager Artek II noch einmal auftaucht und dort auf den deutschen Setzer Otto Haferkorn trifft, mit dem er gemeinsam erzählend und erinnernd ums Überleben kämpft, resümiert die Kritiker. Allein die "Sprach- und Beschreibungsdichte" stehen Weiss in nichts nach, meint Platthaus und bewundert insbesondere, wie überzeugend der Autor den Lageralltag schildert und Zeitgeschichte einflicht. Dass Mensching seinen Schermann im zweiten Teil, wenn dieser sich an seine Erlebnisse in der Wiener Gesellschaft erinnert, ein wenig das erzählerische Maß verlieren lässt, geht für den Kritiker in Ordnung: Viel zu gebannt hat er diesen "beklemmenden" Roman gelesen, den er nicht zuletzt als "psychologisches Ereignis" würdigt.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.08.2018

Prächtig findet Rezensent Hans-Peter Kunisch dieses Buch von Steffen Mensching, einst Mitglied der Clowns-Truppe "Karls Enkel" und heute Leiter des Rudolstädter Theaters. Schon angesichts des Aufwands, den der Autor für dieses Werk betrieben hat, reibt sich der Kritiker die Augen: Zwölf Jahre lang recherchierte Mensching über den Krakauer Graphologen Rafael Schermann, der, aufgesucht und gerühmt von Zeitgenossen wie Karl Krauss, Oskar Kokoschka oder Adolf Loos, nur anhand weniger Schriftzeichen in die Zukunft des Schreibenden blicken konnte - was ihn jedoch nicht davor bewahrte als "polnischer Kontingentflüchtling" ins Sonderlager Fediakowo deportiert zu werden, wie Kunisch erzählt. Dass der Autor mangels Erfahrung ein fiktives Lager entwirft, dafür Bedingungen ähnlicher sowjetischer Lager recherchierte und Peter Weiss' "Ästhetik des Widerstands" als Referenz leuchten lässt, um dann doch einen ganz eigenen Erzählweg zu gehen, findet der Kritiker brillant: Entstanden ist nicht nur ein verblüffender "realistischer Roman", sondern ein "erzählerisches Bergwerk", meint er.
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