Ingeborg Bachmann

Male oscuro

Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit. Traumnotate, Briefe, Brief- und Redeentwürfe. Werkausgabe
Cover: Male oscuro
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518426029
Gebunden, 259 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Isolde Schiffermüller und Gabriella Pelloni. Bachmanns Traumnotate, Briefentwürfe und Aufzeichnungen aus der Zeit ihrer Krankheit sind als Grundelemente der späten "Todesarten"-Texte von großem literarischem Interesse. Darüber hinaus sind diese Schriften dazu angetan, unser Wissen über ihre Krankheit, und über das Phänomen der Krankheit überhaupt, zu erweitern. Sie sind anstößig, mutig in ihrem analytischen Ansatz, geschlagen mit dem Wissen um das Unheilbare - und zugleich erfüllt von dem leidenschaftlichen Wunsch, aus der Krankheit herauszukommen und Heilung zu finden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.01.2018

Warum die, wie er findet, längst überfällige Bachmann-Gesamtausgabe mit einem Band später, intimer und noch unbekannter autobiografischer Zeugnisse der Autorin eröffnet, vermag Rezensent Franz Haas nicht zu sagen. Macht aber nichts, winkt der Kritiker ab, denn der zweite Band der Salzburger Bachmann Edition, der zwar bekannte, bisher aber nur zerstückelt präsentierte Texte aus dem "Todesarten-Projekt" versammelt, lässt alle Bedenken verschwinden, meint Haas. Schon jetzt sei das "Buch Goldmann" das "Glanzstück" der Ausgabe, verspricht der Rezensent, dem erst in dieser Edition die "Musilsche Ironie", mit der Bachmann den Literaturbetrieb skizziert, aufgeht. Leicht lesbar in der Form und klug kommentiert von Marie Luise Wandruszka verspricht die Salzburger Ausgabe großes Vergnügen, schließt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.03.2017

Rezensent Willi Winkler liest den Auftaktband der neuen Salzburger Ausgabe von Ingeborg Bachmanns Werken mit zwiespältigen Gefühlen. Die in den zu lesenden Aufzeichnungen ausgebreitete Krankengeschichte der Dichterin findet er zwar literarisch nicht bedeutungslos, ihre Fürchterlichkeit aber scheint ihm derart groß, dass die Erkenntnis darüber, wie schwer für die Bachmann die Rückkehr zum Schreiben gewesen sein muss, dagegen an Bedeutung verliert. Die Frage, ob das alles wirklich veröffentlich werden musste, kann Winkler nicht beantworten. Auch wenn der philologische Apparat im Band vorbildlich ist und sämtliche Bezüge zu den Texten aufgeschlüsselt werden - die Kunst hinter der Krankheit vermag Winkler kaum zu erkennen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.03.2017

Viel wurde über Ingeborg Bachmanns Krankheit, über ihre Tablettenabhängigkeit und ihre Angst geschrieben, am meisten wahrscheinlich von ihr selbst, weiß Rezensent Tobias Schwartz und fragt sich, ob mit der Veröffentlichung dieser eigenen, späten Texte, die ursprünglich nicht zur Publikation bestimmt waren, nicht lediglich der Voyeurismus in Hinsicht auf einen "literarischen Popstar" bedient wird. Diesem Verdacht wirken das Vorwort sowie ein editorischer Bericht und die Kommentare der Herausgeber hingegen. Schwartz kann ihrer Argumentation mindestens im Bezug auf die Traumnotizen folgen, denn um Bachmanns Texte zu verstehen, müsse man sie immer auch im Kontext ihrer biografischen Entstehungsgeschichte lesen, meint der Rezensent und freut sich dementsprechend über diesen ersten Band der Gesamtausgabe, der ihm interessante Hintergründe zum Spätwerk der Autorin bietet.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2017

Paul Jandl hat nichts einzuwenden gegen die Entscheidung der Verlage, die große, voraussichtlich vierzig Bände umfassende Bachmann-Werkausgabe mit den sehr privaten Traumprotokollen und Briefen, die die Autorin in einem therapeutischen Zusammenhang notierte, starten zu lassen. Denn für den Kritiker sind die Texte nicht nur "Prosaminiaturen, deren böse Bilder vom richtigen Leben bis in den Schlaf leuchten", sondern "zitternde Nachbilder der Angst", die in ein literarisches Bewusstsein geholt wurden und nur über einen kurzen Umweg in "Malina" wieder auftauchen. Darüber hinaus staunt der Rezensent, wie vorausschauend Bachmann die psychologischen Fehldiagnosen analysierte.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.02.2017

Die Edition der Traumprotokolle und Ärzte-Briefe, die Ingeborg Bachmann nach ihrer Trennung von Max Frisch verfasste, sind für Iris Radisch eine "Sensation". Denn die Texte, die das "Bachmannsche Opfer-Täter-Modell" und das "Gesamtschuldsystem Mann" beleuchten, gewähren ganz neue Einblicke in die produktive Beziehung zwischen Leiden und Schreiben im Leben der Dichterin, informiert die Kritikerin. Mehr noch: Ob Bachmann in Massenmord-Träumen von ihrer Angst, ermordet zu werden schreibt oder ihre Verletzung durch die Trennung von Frisch psychoanalytisch ergründet - stets entdeckt Radisch Bezüge, die nicht nur ihr Verständnis von "Malina" oder dem "Todesarten-Zyklus" erweitern. Und der umfangreiche Kommentarteil dieses Auftaktbandes zur geplanten 30-bändigen Bachmann-Werkausgabe stimmt die Rezensentin restlos glücklich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.02.2017

Mit gemischten Gefühlen bespricht Kai Sina den Auftakt der monumentalen Salzburger Gesamtausgabe der Werke und Briefe Ingeborg Bachmanns. Schon die Entscheidung des Verlags, hier erstmals die bisher unveröffentlichten - und auch nicht zur Publikation bestimmten - therapeutischen Traumaufzeichnungen, Briefe, Briefentwürfe und Bachmanns fiktive Rede an die Ärzteschaft herauszugeben, lässt den Kritiker mit Fragezeichen, vor allem aber mit Schaudern zurück: Geradezu abgründig erscheint ihm der Blick in Bachmanns "komplexbeladene" Vater-Beziehung, ihr traumatisches Verhältnis zu Max Frisch, ihr Ekel vor dem Literaturbetrieb oder ihre Ängste vor der eigenen Ermordung. Dem Eindruck eines gewissen boulevardesken Voyeurismus' kann sich Sina während der Lektüre nicht entziehen, wenngleich er den Herausgeberinnen zustimmen muss, die in ihrem umfangreichen Überblickskommentar auf die "werkgenetische Bedeutung" der Texte aufmerksam machen. Das besondere Interesse des Rezensenten gilt allerdings der künstlerischen Qualität der Texte, die er auch als "prosagedichtartige Miniaturen" oder Erzeugnisse einer Écriture automatique liest.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de