Svenja Flaßpöhler

Sensibel

Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren
Cover: Sensibel
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021
ISBN 9783608983357
Gebunden, 240 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

"Sensibilität ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Im Kampf um Anerkennung unterdrückter Gruppen spielt sie eine wichtige Rolle. Aber sie kann auch vom Progressiven ins Regressive kippen. Über diese Dialektik müssen wir nachdenken, um die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden." Svenja Flaßpöhler
Mehr denn je sind wir damit beschäftigt, das Limit des Zumutbaren neu zu justieren. Wo liegt die Grenze des Sagbaren? Ab wann ist eine Berührung eine Belästigung? Svenja Flaßpöhler tritt einen Schritt zurück und beleuchtet den Glutkern des Konflikts: die zunehmende Sensibilisierung des Selbst und der Gesellschaft. Menschheitsgeschichtlich steht die Sensibilisierung für Fortschritt: Menschen schützen sich wechselseitig in ihrer Verletzlichkeit, werden empfänglicher für eigene und fremde Gefühle, lernen, sich in fremde Schicksale hineinzuversetzen und mit anderen zu solidarisieren. Doch diese Entwicklung hat eine Kehrseite: Anstatt uns zu verbinden, zersplittert die Sensibilität die Gesellschaft. Erleben wir gerade den Kipppunkt fortschreitender Sensibilisierung? Svenja Flaßpöhler erzählt die Geschichte des sensiblen Selbst aus philosophischer Perspektive, beleuchtet die zentralen Streitfragen der Zeit und arbeitet den Grund für die prekäre Schieflage heraus: Weil die Widerstandskraft bis heute mit kalter Verpanzerung assoziiert wird, gilt sie als Feindin der Sensibilität. Aber stimmt das? "Sensibel" ist ein hochaktuelles Buch, das die Sensibilität dialektisch durchleuchtet und zu dem Schluss kommt: Die Resilienz ist die Schwester der Sensibilität. Die Zukunft meistern können sie nur gemeinsam.  

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.11.2021

Rezensentin Claudia Mäder scheint überfordert von Svenja Flasspöhlers philosophischem Ideenreigen zur Geschichte der menschlichen Sensibilität, der Bezüge zur Sprachphilosophie, zu Levinas, Freud, Amery, Nietzsche und Hume, Derrida und Butler beinhaltet. Dass die Autorin sich mit Meinungen zu aktuellen Diskussionen eher zurückhält und stattdessen Sensibilität als Fortschritt betrachtet, der im Einklang mit Resilienz zu individueller Selbstverantwortung führen kann, gefällt Mäder gut.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.11.2021

Rezensent Harry Nutt freut sich über den vermittelnden Gestus in Svenja Flaßpöhlers Buch. Dass die Autorin nicht nur die Geschichte der Sensibilität abklappert, sondern Sensibilität mit Elias als zivilisatorische Leistung begreift und ihr Für und Wider in einem Wettbewerb zwischen "Team Nietzsche" und "Team Levinas" durchspielt, findet Nutt originell und kurzweilig. Dass es nur ein Miteinander von Selbstermächtigung auf der einen und Verletzlichkeit auf der anderen Seite geben kann, leuchtet Nutt ein. Schade, dass die Autorin Denker wie Achille Mbembe oder Anthony Appiah nicht erwähnt, meint er.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.10.2021

Rezensentin Katharina Granzin findet aufschlussreich, wie Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, in ihrem Buch eine kultur- und geisteswissenschaftliche Untersuchung des Themas Sensibilität vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart unternimmt. Gleich der Einstieg über den exemplarischen Typen-Vergleich des triebgesteuerten Ritters Johan mit dem vegetarischen Auto-Verweigerer Jan findet Granzin, wenn auch etwas plakativ, amüsant und prägnant. Sie scheint auch Flaßpöhlers folgende Untersuchung, die sich vornehmlich auf Norbert Elias und Judith Butler stütze, überwiegend als differenziert zu bewerten. Allerdings lässt die Rezensentin am Schluss durchblicken, dass die Autorin sich etwas zu vorsichtig positioniert, und Meinungsstärke nur da zeigt, "wo es mal passt" - da hätte sich die Kritikerin etwas weniger Sensibilität und mehr Polemik gewünscht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.10.2021

Rezensentin Aurelie von Blazekovich konnte bereits Svenja Flaßpöhlers Kritik an der #MeToo-Bewegung nichts abgewinnen, und auch an diesem Buch findet sie wenig Positives. Blazekovich sieht hier von Flaßpöhler überzogene Positionen gegeneinandergestellt, die sie dann auf dem Mittelweg versöhnen will. Das ist irgendwie immer richtig, aber auch ein bisschen holzschnittartig, findet die Rezensentin: Wenn Flaßpöhler gegen die überempfindlichen Schneeflöckchen die Widerständig-Resilienten in Stellung bringt, dann ist dieser Gegensatz der Kritikerin viel zu konstruiert. Kann man nicht sensibel und resilient zugleich sein? Und gibt es nicht auch Männer, die gendern, ohne gleich dem Klischee einer veganen Großstadtheulsuse zu entsprechen?
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2021

Rezensent Kai Spanke hält Svenja Flaßpöhlers Nachdenken über die zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft für ganz schön nassforsch. Das rasante Runterbrechen der Theorien und Thesen von Norbert Elias, Jünger, Nietzsche, Valery, Foucault, Theweleit u. a. zu Stichworten für ihre Überlegungen zu Grenzen der Empathie findet er so flott wie unsystematisch. Irritierend eilig für Spanke auch der Lauf von der Empfindsamkeit zur Wiener Moderne und zu Freud. Gegen das Ansinnen der Autorin zu vermitteln und zu versöhnen und das verletzende Potenzial von Sprache zu erläutern, lässt sich laut Spanke schlechterdings nichts einwenden. Am Ende der Lektüre sieht der Rezensent die neue Empfindlichkeit sogar als Chance.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.10.2021

Rezensent Peter Praschl wünscht sich bitte weniger grobgerasterte Gegenwartsdiagnosen als diejenigen von Svenja Flaßpöhler. Wie die Autorin mit Hilfe von Norbert Elias, Derrida, Judith Butler u.v.m. zwischen Hypersensiblen und "robusteren Naturen" dialektisch vermitteln möchte, überzeugt den Rezensenten nicht. Schon die Idee der Autorin, konkrete politische Auseinandersetzungen mit abstrakten philosophischen Prinzipien schlichten zu wollen, findet Praschl irgendwie fragwürdig. Auf Flaßpöhlers Appell, besser maßzuhalten, wäre der Rezensent jedenfalls auch ohne die Lektüre gekommen. Flaßpöhlers "ankumpelnder" Ton und ihre teils "groteske" Argumentation wären Praschl so erspart geblieben.