Hans Magnus Enzensberger

Schreckens Männer

Versuch über den radikalen Verlierer
Cover: Schreckens Männer
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518068205
Kartoniert, 53 Seiten, 5,00 EUR

Klappentext

Der Eifer, mit dem Schüler und Gotteskrieger, Familienväter und Selbstmordattentäter mit Schrotflinten und Bomben ihrem eigenen und dem Leben möglichst vieler anderer ein Ende machen, ist den meisten von uns rätselhaft. "Man muß nicht alles verstehen, aber ein Versuch kann nicht schaden": das ist das Motto dieses Essays, den Hans Magnus Enzensberger dem "Radikalen Verlierer" widmet. Gibt es, jenseits aller Ideologie, Gemeinsamkeiten zwischen dem einsamen Amokläufer, der in einem deutschen Gymnasium um sich schießt, und den organisierten Tätern aus dem islamistischen Untergrund? Größenfantasie und Rachsucht, Männlichkeitswahn und Todeswunsch gehen auf der verzweifelten Suche nach einem Sündenbock - beim isolierten Täter wie im Kollektiv der Fanatiker - eine brisante Mischung ein, bis der radikale Verlierer explodiert und sich und andere für sein eigenes Versagen bestraft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.05.2006

Woher kann ein Hans Magnus Enzensberger so eindeutig wissen, fragt Rezensent Rudolf Walther, wie die Psyche eines gemeinen Selbstmordattentäters möbliert ist? Antwort: Nur fiktiv und als "gelernter" Dramatiker, denn Enzensberger wische alle Argumente der Sozialpsychologen oder anderer Fachidioten als irreführend vom Tisch. Als Resultat wird der Rezensent mit "Küchenpsychologie" konfrontiert, mit der Enzensberger auch noch allen friedvollen Muslimen Schizophrenie attestiere. Wenn er schließlich einen letztlich unpolitischen Radikal-Theologen wie Syyid Qutb als Inspiration für Terroristen aus der islamischen Welt verantwortlich macht, ist das aus Sicht des Rezensenten genauso absurd, als ob man Thomas von Aquins "Gegen die Heiden" als Wirkursache des Holocaust ansehen würde.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.05.2006

Mehr als Provokation denn als Analyse versteht Rezensent Martin Meyer die Erklärungen des Autors zur Radikalität von Verlierern in den westlichen, aber vor allem in den islamischen Gesellschaften. Hans Magnus Enzensberger verweise zudem selbst im Titel auf den Versuchscharakter seiner Darstellung. Sowohl bei den Amokläufern und Terroristen westlicher Provenienz als auch ihren islamischen Entsprechungen, referiert der Rezensent, mache der Autor eine "narzisstische" und letztlich persönliche Verletzung als Urgrund aller politischen Aktionen aus. Ein Fragezeichen setzt der Rezensent allerdings hinter die Folgerung, dass der Islamismus letztlich als unpolitisch zu verstehen sei. Unbestreitbar seien hingegen die vom Autor angeführten Defizite der islamischen Welt wie politische Unfreiheit, ökonomischer Rückstand, mangelnde Wissenschafts- und Technikkultur und nicht zuletzt die Rolle der Frau. Dennoch fragt sich der Rezensent, ob solche im Grunde eurozentrische Aufrechnerei, so zutreffend sie zum Teil sein möge, nicht auch die Unfähigkeit zur Verständigung über die eigene Kultur hinaus zementiere.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.05.2006

Gegen die Figur des radikalen Verlierers hat Henning Ritter in seiner in großen Teilen die Hauptargumente des Essays zusammenfassenden Rezension nichts einzuwenden, gegen die Reduzierung der Muslime auf eine in der Anpassung an den Westen gescheiterten und deshalb durchweg enttäuschten Gruppe jedoch schon. Das ist für Ritter mehr, "als man verantwortlich aussagen kann". Zweifelhaft findet er auch, die islamische Welt alleine an westlichem Fortschrittsdenken zu messen. Auch in Europa habe es Traditionalisten gegeben, die vor den Gefahren der neuen Technik gewarnt und dabei durchaus Konstruktives zum Fortschritt beigetragen hätten. Wundersam findet Ritter auch die uneingeschränkte Sympathie des ehemals linken Denkers für der europäischen Zivilisation überhaupt. Als Glanzlichter des Essays betrachtet der Rezensent deshalb zwei kleinere Betrachtungen: den Zweifel an der Stärke des Selbsterhaltungstriebs und den Hinweis auf die Enttäuschungen, die jede Weiterentwicklung zwangsläufig mit sich bringt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.05.2006

Hans Magnus Enzensbergers Gedanken über den "radikalen Verlierer" wirken auf den ersten Blick so eingängig und eindeutig, dass Sven Hillenkamp zunächst in einen "Klarheitsrausch" verfällt und glaubt, endlich habe er den großen Nenner von Selbstmordattentätern, Nationalsozialisten und Amokläufern gefunden. "Doch die diskursive Überlegenheit ist Fiktion", Enzensbergers Argumentation gar "tautologisch", muss Hillenkamp schließlich feststellen. Die Gewalt ausschließlich aus Selbstverachtung und der Freude an der Gewalt zu erklären, ist für den Rezensenten "an sich so erhellend, wie inmitten eines Sturms von starkem Wind zu reden". Zudem ist Hillenkamp der Begriff des Verlierers zu ungenau und passe etwa beim äußerlich erfolgreichen Bin Laden schon nicht mehr. Hillenkamp schlägt "Verletzte" vor. Enzensberger spare die persönlichen Faktoren bei der Entstehung von Gewalt aus und vernachlässige die menschlichen Seiten von Gewalttätern. Und auch Enzensbergers direkter Weg von der "Bitterkeit des Einzelnen" hin zu einer gewaltorientierten Bewegung scheint Hillenkamp ein "Kurzschluss" zu sein.

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