Thomas Melle

3000 Euro

Roman
Cover: 3000 Euro
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783871347771
Gebunden, 208 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Denise kommt mehr schlecht als recht mit ihrem Leben klar. Sie arbeitet im Discounter, ihre kleine Tochter Linda überfordert sie oft; eine langersehnte New-York-Reise bleibt ein immerhin tröstlicher Traum. Mit dem Lohn für einen Pornodreh will sie endlich weiterkommen, aber man lässt sie auf ihr Geld warten. Immer öfter steht Anton an ihrer Kasse, der abgestürzte, verschuldete Ex-Jurastudent, der im Wohnheim schläft. Vorsichtig kommen sich die beiden näher. Während Denise wütend, aber auch stolz um ihr Recht und für ihre Tochter kämpft, während Anton seiner Privatinsolvenz entgegenbangt, arrivierte frühere Freunde trifft, mal Hoffnung schöpft und sie dann wieder verliert, entwickelt sich eine zarte, fast unmögliche Liebe. Beide versuchen, sich einander zu öffnen, doch als Denise endlich ihr Geld bekommen soll und Antons Gerichtstermin naht, müssen sie sich fragen, wie viel Nähe ihr Leben wirklich zulässt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2014

Nach der Lektüre von Thomas Melles neuem Roman "3000 Euro" bleibt Rezensent Philipp Theisohn mit gemischten Gefühlen zurück. Durchaus interessant findet er Melles Sujet, seine beiden Protagonisten, den ehemaligen Jura-Studenten Anton, der mit einer ausstehenden Summe von 3000 Euro noch einen drohenden Prozess gegen ihn abwenden könnte und die Supermarktverkäuferin und Porno-Darstellerin Denise, die eben jenen Betrag noch für einen Dreh bekommen soll, der zunehmenden Deklassierung durch die Abwesenheit des Geldes preiszugeben. Leider muss der Kritiker gestehen, dass sich Melle bei der allzu kalkulierten Konstruktion seines Romans und dem unbedingten Versuch seine Figuren in völliger Hoffnungslosigkeit enden zu lassen, bisweilen im Klischee verliert. Ein paar Überraschungen hätten dem Roman gut getan, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.10.2014

Rezensent Thomas Steinfeld erkennt das Potenzial in diesem kleinen Roman vom Thomas Melle. Leider kann der Autor es nicht entfalten, meint Steinfeld. Für ihn liegt das an zu großer Nähe - des Autors zu seinen Figuren, des Leser zum Geschehen. Und am Willen des Autors, Film, Theater und Literatur zu vermischen, etwa indem er mit szenischen Nah- und Detailaufnahmen spielt und im Präsens schreibt. Die traurige Parabel über verhindertes Leben aber, erklärt Steinfeld, kommt in den Perspektiven und in den "erweiterten Regieanweisungen" nicht zum Zug, es fehlt ihr an Bewegungsfreiheit, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.10.2014

Irgendwie schafft es Thomas Melle in seinem Roman "3000 Euro", das Leben am unteren Rand der Gesellschaft und jenseits ihrer bürgerlichen Grenzen fühlbar zu machen, die Kälte der modernen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen und dabei die "Rinnsteingestalten" weder als Antihelden noch als Opfer darzustellen, also auf ihr Milieu nicht mit literarischer Überheblichkeit herabzublicken, lobt David Hugendick begeistert. Melle erzählt die Geschichte Antons, eines Flaschensammlers, der mit dreitausend Euro in der Kreide steht, die ihn endgültig aus dem gesellschaftlichen Spiel nehmen, und Denises, die an einer Supermarktkasse arbeitet und mit Amateurpornos versucht, sich das Geld für eine erträumte New-York-Reise zu verdienen (Kostenpunkt: dreitausend Euro), fasst der Rezensent zusammen. Melles Kunststück kann nur gelingen, weil er den Blick nach oben richtet, auf die Ziele und Träume seiner Figuren, anstatt auf ihr Elend, erklärt Hugendick.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.09.2014

Jens Balzer ist begeistert von Thomas Melles neuem Roman "3000 Euro" und kann sich einen Seitenhieb gegen Kritiker-Kollegen nicht verkneifen, die Autor und Buch Oberflächlichkeit und Klischee-Abnutzung vorwerfen. Nein, die Geschichte der Supermarkt-Kassiererin Denise und des Flaschensammlers Anton ist nicht im gewöhnlichen Sinn realistisch, erklärt der Rezensent, anstatt an der Oberfläche eines solchen überkommenen Realismus zu bleiben, nutzt Melle aber seine hyperaktive Sprache, um die "besinnungslose Selbstverschwendung" angemessen einzufangen. Als der Autor noch über Proto-Hipster in Berlin Mitte schrieb, hat sich auch keiner daran gestört, weiß Balzer. Eine missverstandene politische Korrektheit scheint aber zu gebieten, dass für Randgruppen andere Maßstäbe gelten, meint der Rezensent. Melles Figuren, die "jenseits der Verwirklichung eines vorgefertigten Traums" kein Glück mehr kennen, könnten den modernen Kapitalismus jedenfalls kaum besser in Szene setzen, findet Balzer.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.09.2014

Nach der Lektüre von Thomas Melles neuem Roman "3000 Euro" stellt Rezensent Frank Schäfer erfreut fest: Der Autor ist literarisch gereift. Wie bereits in seinem Debüt "Sickster" erzählt Melle auch hier von Protagonisten am Rande der Gesellschaft, die sich dem System widersetzen, diesmal jedoch ohne jegliche Überambitioniertheit, dafür realistischer und sprachlich klarer. Und so folgt der Kritiker gebannt dem ehemaligen Jura-Studenten und jetzigen Obdachlosen Anton und der Internet-Porno-Darstellerin und Supermarktkassiererin Denise, die eine vorsichtige Liebesgeschichte beginnen. Großartig, wie Melle die Perspektiven wechselt, seine Figuren facettenreich aus Innen- und Außensicht ausleuchtet und sie darüber hinaus nicht sonderlich liebenswert, aber doch mit einer gewissen Grundsympathie schildert, meint Schäfer. Toll auch, wie es dem Autor gelingt, die beiden Antihelden nie bloß als Opfer der Gesellschaft, sondern auch ihrer eigenen Unzulänglichkeiten zu porträtieren, lobt der Kritiker, der die Lektüre nachdrücklich empfiehlt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.09.2014

Risse in der Poetik entdeckt Christian Metz in Thomas Melles Roman. Genauer: Das dauernde Pointieren des Erzählens führt zu schopenhauerverdächtigen Sätzen, meint er, die den Figuren schlecht stehen. Ein bisschen weniger Ambition bei der Figurenkonzeption wäre für Metz wohl mehr gewesen. Melles Thema, der Wahn in den gesellschaftlichen Randzonen, käme auch so gut rüber, scheint der Rezensent zu denken. Und was Melle an seismografisch sensiblen Alltagsbeobachtungen in den Text einfließen lässt, etwa über den das Soziotop Supermarkt, wo "ältere Herren im Schunkelwohlklang der Konsumbeschallung durch die Regalreihen" flanieren, hält er sowieso für Spitze.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.08.2014

Einen Kandidaten für die Shortlist des Deutschen Buchpreises sieht Dana Buchzik in Thomas Melles drittem Roman, mit dem der Autor laut Rezensentin den schmerzhaften Zoom auf Figuren in Schräglage und auf gesellschaftliche Bruchstellen fortsetzt. Kein Zweifel, das tut weh. Derart nah fährt Melle ran an seinen Pfandflaschensammler und seine Pornodarstellerin, dass Buchzik keine befreiende Distanz mehr einzuziehen vermag. Allerdings scheint ihr Melles Blick mitunter etwas zu bemüht und zu wenig glaubhaft, der Effekt allzu sehr im Vordergrund zu stehen, als dass sie der Geschichte in alle Abgründe folgen wollte