Thomas Karlauf

Stauffenberg

Porträt eines Attentäters
Cover: Stauffenberg
Karl Blessing Verlag, München 2019
ISBN 9783896674111
Gebunden, 368 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Wer war Claus von Stauffenberg? Die Figur des Oberst, der am Mittag des 20. Juli 1944 die Bombe zündete, die Hitler töten sollte, blieb in der Literatur immer schemenhaft. Wir kennen den langen Weg der Opposition, der schließlich zu dem Anschlag geführt hat, aber bis heute besitzen wir kein überzeugendes Bild von der Persönlichkeit des Attentäters. Weil wir in erster Linie nach moralischen Kriterien urteilen, tun wir uns mit der Einordnung des militärischen Widerstands generell schwer.
Die neue Stauffenberg-Biografie versucht, aufbauend auf dem aktuellen Forschungsstand und unter Berücksichtigung bisher unbekannter Quellen, die Ideenwelt des Attentäters zu rekonstruieren. Die Normen, die sein Denken und Handeln bestimmten, waren für ihn lange Zeit vereinbar mit Hitlers Politik. Erst im Sommer 1942 begann er umzudenken und die politische Verantwortung des Offiziers höher zu stellen als Pflicht und Gehorsam. Als er zwei Jahre später zur Tat schritt, fühlte er sich von den meisten seiner Mitverschwörer im Stich gelassen. In jedem anderen Land Europas wäre einem Hitler-Attentäter schon wenige Tage nach Kriegsende ein Denkmal errichtet worden. Warum das in Deutschland nicht möglich war, zeigt dieses Buch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.03.2019

Sarah Pines erfährt aus dem Buch von Thomas Karlauf, was Stauffenberg bewog, die Bombe zu legen, immer wieder, entschlossen und ausdauernd. Wenn der Autor dabei Legenden verabschiedet, indem er die anfängliche Hitler-Begeisterung des Attentäters zeigt und als wahren Beweggrund militärisches Kalkül nennt, lauscht Pines gebannt. Kongenial erscheint ihr das Buch insofern, als der Autor der gleichen Gedankenwelt wie Stauffenberg entstamme, dem George-Kreis.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.03.2019

Johannes Tuchel begreift Thomas Karlaufs Stauffenberg vor allem als Anregung zur weiteren Diskussion über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, als solches begrüßt er das Buch. Um ein Gesamtbild des Umsturzversuches vom 20. Juli '44 zu bekommen, empfiehlt er weitere Lektüre. Karlaufs Buch besticht für ihn vor allem durch die kritische Auseinandersetzung mit älteren Darstellungen und die Fokussierung auf die politisch-militärische Motivation Stauffenbergs, mit der der Autor die konstante Gegnerschaft Stauffenbergs zum Nationalsozialismus zu widerlegen sucht. Über die drei Lebenswelten (Familie, Offizierskorps, George-Kreis), mit deren Hilfe der Autor die Wende im Denken Stauffenbergs zu analysieren sucht, liest Tuchel mit großem Interesse, auch wenn er den Gegensatz von Verantwortung und Gesinnung, den der Autor bei seiner im übrigen souveränen Darstellung erneut aufmacht, nicht erkenntnisfördernd findet. Spannend und dicht scheint Tuchel nicht zuletzt die Nachzeichnung der Attentatsvorbereitungen im Buch. Stauffenbergs Entwicklung zwischen 1942 und 1944 findet er beeindruckend dargestellt. Wie Stauffenberg nach einem erfolgreichen Umsturz politisch agieren wollte, behandelt der Autor aber zu knapp, kritisiert Tuchel.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.03.2019

Rezensent Wolfram Wette erfährt bei Thomas Karlauf Näheres über die Motive, die Stauffenberg zum Attentat vom 20. Juli 1944 veranlassten, über die Sozialisation des Attentäter, sein Weltbild, seine Überzeugungen und Erwägungen Hitlers Ermordung betreffend. Das letztere nicht moralisch, sondern rein militärisch und machtpolitisch waren, lernt Wette ebenso. Stauffenberg fürchtete, fasst der Rezensent zusammen, das ein verlorener Krieg vor allem eine Katastrophe für die deutsche Offizierskaste sein würde.  Überzeugend findet er Karlaufs Arbeit aufgrund ihrer Distanziertheit, des Verzichts auf weltanschauliche Perspektiven und ihrer historisierenden Gelassenheit. Der Kenntnisreichtum des Buches in Bezug auf Stauffenbergs Lebensweg in militärhistorischen Zusammenhängen oder auch der Einfluss Stefan Georges auf den Stauffenberg-Kreis - laut Wette sieht Karlauf in ihm den "geistigen Urheber des Attentats" vom 20. Juli - verblüfft den Rezensenten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.03.2019

Gäbe es heute noch ein Debatten-Feuilleton, dann würde über Jens Jessens ausführliche Kritik an Thomas Karlaufs Stauffenberg-Biografie heftig diskutiert! Man kann nicht behaupten, dass Jessen die Verdienste des Buchs nicht würdigt, aber ihm ist unwohl, dass Karlauf Stauffenbergs Handeln allein aus seiner George-Anhängerschaft ableitet. Letztlich, so Jessen, finde Karlauf weder eine plausibe gesinnungsethische, noch eine verantwortungsethische Begründung für Stauffenbergs Tat und müsse darum bei Stauffenberg eine "Verklärung der reinen Tat" unterstellen. Damit entsorgt er für Jessen das eigentliche, nämlich den Todesmut der Attentäter, bei aller politischen Zwiespältigkeit, die sie auch gehabt haben mögen. Dabei findet Jessen, dass Karlauf Stauffenberg mit dem bloßen George-Rekurs nicht gerecht werde: Stauffenberg sei ein Rationalist gewesen, der "verschwurbelte Nationalschmock" Georges gebe da nicht so viel Aufschluss. Am Ende der Kritik wird's ganz hart: Im Grunde stellte Karlauf die Attentäter als auch nicht viel besser als die Nazis dar. Nur Hellmuth Stieff werde als einer genannt, der über die Naziverbrechen entsetzt gewesen sei. Bei anderen werde dies Entsetzen unterschlagen. Das "unabsichtlich Tendenziöse" der Biografie liegt für den Rezensenten darin, dass den Widerständlern kaum weniger Schuld zugemessen wird als den Tätern. Jessen sieht es als "moralische Kapitulation" der Gegenwart vor dem Heldenmut der Attentäter.