9punkt - Die Debattenrundschau

Absenkung der Freibeträge

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
17.04.2021. Die amerikanische Waffenindustrie bringt nicht nur Gewalt in die USA, sondern auch in die südlichen Nachbarstaaten, schreibt Iaon Grillo im Guardian - die Folge ist eine verstärkte Migration in die USA. Es gab zwei Seiten, die von dem Clinch profitierten, in dem sich Trump und die Medien befanden, nämlich Trump und die Medien - nun folgt der Kater, beobachtet die taz. Der Rückzug der westlichen Länder aus Afghanistan wird die Gewalt in dem Land nicht stoppen, fürchtet die FAZ. hpd.de erklärt, was die Plattform change.org als "implizite Hassrede" versteht und warum sie deshalb eine Petition gegen Islamismus löscht.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.04.2021 finden Sie hier

Politik

Der amerikanische Waffenwahn hat eine Rückseite. "US-Waffen zerreißen Zentralamerika und treiben die Migration nach Norden", schreibt Ioan Grillo, Autor des Buchs "Blood Gun Money: How America Arms Gangs and Cartels", im Guardian: "Zwischen 2007 und 2019 wurden mehr als 179.000 Schusswaffen in Mexiko und fünf mittelamerikanischen Ländern sichergestellt und zu Waffengeschäften und Waffenfabriken in den Vereinigten Staaten zurückverfolgt. Das mexikanische Außenministerium glaubt, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist, und schätzt, dass in den letzten zehn Jahren mehr als zwei Millionen Waffen den Rio Grande überquert haben." Auf Youtube kann man sich ein halbstündiges Gespräch mit dem Autor zum Thema ansehen.

Nachdem George Bush im Irak als Weltpolizist auftrat, gab es dort 150.000 Tote. Seit Barack Obama in Syrien nicht mehr als Weltpolizist auftrat, gab es dort 500.000 Tote. Und nun zieht sich Joe Biden aus Afghanistan zurück. Politisch nachvollziehbar, so Jan Wiele in der FAZ. Aber "was droht, wenn die Taliban in Afghanistan wieder an die Macht kommen, ist wohl jedem klar. Schon heute seien Intellektuelle in Afghanistan von den Taliban weitgehend zum Schweigen gebracht, schrieb etwa der afghanische Journalist Ezzatullah Mehrdad im März in der Zeitschrift The Diplomat angesichts des massiven Anstiegs von Attentaten seit etwa einem Jahr. Er spricht von einer Mordkampagne gegen Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie religiöse Führer."
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Gesellschaft

Die obere Mittelklasse wird selbst in den Wahlprogrammen von Grünen, SPD und Linken noch zu sehr geschont, findet Barbara Dribbusch in der taz. Sie wollen gerade mal eine Vermögenssteuer von einem Prozent auf Vermögen von über einer Million Euro erheben. Viel stärker gerupft gehören für Dribbusch dagegen all jene, die sich etwa durch ein Erbe eine schöne Eigentumswohnung in den Metropolen leisten können. Besonderen Handlungsbedarf sieht sie bei der Erbschaftssteuer: "Für Kinder besteht bei der Erbschaftsteuer ein Freibetrag von 400.000 Euro - pro Elternteil. Der überschießende Teil wird mit einem Steuersatz ab 7 Prozent versteuert. Wer etwa von den Eltern nach dem Tod von Vater und Mutter in zwei Schritten ein Vermögen von 1 Million Euro erbt, muss dafür nicht einmal 20.000 Euro Erbschaftsteuer entrichten... Eine Absenkung der Freibeträge und eine Erhöhung der Erbschaftsteuersätze sind daher überfällig, davon findet sich aber nichts Konkretes in den Parteiprogrammen."

Die Petition "Europas Freiheit schützen - Politischen Islam stoppen!", die unter anderm von bekannten Religionskritikerinnen wie Necla Kelek und Mina Ahadi, aber auch etwa von Helke Sander, Lale Akgün oder Lea Rosh unterzeichnet wurde, ist auf der Plattform change.org wegen "impliziter Hassrede" gelöscht worden, berichtet Daniela Wakonigg bei hpd.de. In der Petition wird eine strikte Trennung von Staat und Religion gefordert, sie spricht sich aber auch gegen das Kopftuch für Mädchen und Beamtinnen aus. Wakonigg hat ein Statement von change.org erhalten: "Auf Change.org verstehen wir unter Hassrede jeden Inhalt, der direkt oder indirekt eine ganze Gruppe von Menschen wegen einer Eigenschaft, die sie gemeinsam haben, angreift. Die betreffende Petition kann so interpretiert werden, dass sie das Tragen von Kopftüchern gleichsetzt mit Gewalt, die von islamistischen Extremisten begangen wird." Auf der Seite, wo die Petition stand, gibt es von change.org allerdings nur noch Leere und keine Erklärung.

Wakonigg kommentiert die Äußerung von change.org so: "Nun ist die Sache mit dem Kopftuch eine kniffelige Angelegenheit. Selbstverständlich ist das Tragen des Kopftuchs von einer Muslima nicht gleichzusetzen mit einem islamistischen Mordanschlag. Doch ist andererseits nicht wegzureden, dass der Kampf um die Stärkung des Politischen Islams in Europa tatsächlich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf den Köpfen von Frauen ausgetragen wird. Obwohl von einer Verschleierung weiblicher Kinder in islamischen Schriften nicht die Rede ist, setzen Verfechter des Politischen Islams ein Zeichen für ihre Ideologie, indem sie bereits weibliche Kleinkinder verschleiern." Die Petition kann man nun bei "openPetition" nachlesen und unterzeichnen.
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Europa

Putin will keinen Krieg in der Ukraine, sondern erzeugt Druck, damit die Ukraine wieder in den Status eines Satelliten zurückkehrt, sagt die Moskauer Politologin Lilija Schewzowa im Gespräch mit Klaus-Helge Donath in der taz. Danach, so hofft Putin, gelte er wieder als Gesprächspartner des Westens. Und für den, so Schewzowa, hat die Ukraine keine Priorität: "Präsident Selenski hat Ursula von der Leyen zum Unabhängigkeitstag der Ukraine im August nach Kiew eingeladen. Dort sollte zusammen mit dem Westen die Krim diskutiert werden. Das passte nicht in ihren Fahrplan. Sie kommt nicht. So sieht das Verhältnis zur Ukraine aus."
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Stichwörter: Ukraine, Krim

Ideen

Wir sind das Volk? Und wo steht dann die Verfassung? Es lohnt sich durchaus, auch mal bis zur Antike zurückzublicken, selbst bei Verfassungsfragen, empfiehlt in der NZZ der Historiker Benjamin Straumann, der die amerikanischen Gründerväter als Vorbild sieht. Sie stützten sich bei der Formulierung der amerikanischen Verfassung auf Texte des griechischen Historikers Polybios, Montesquieus und Ciceros, dessen Begriff der Republik für John Adams zentral war, so Straumann: "Cicero hatte das Recht zur notwendigen Bedingung jeglicher Staatlichkeit erhoben. Die Zustimmung des Volks zum Recht war für ihn keine Bedingung, sondern die Folge der Gerechtigkeit der Rechtsordnung. Volkssouveränität setzte also eine minimale Verfassungsrechtsordnung immer bereits voraus. Wurde diese Ordnung nun zum Spielball von Gesetzesrecht, dann war der Staat in Gefahr - so Ciceros Diagnose für den von ihm miterlebten Zerfall der römischen Republik im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Für die amerikanischen Verfassungsgeber war Cicero zentral, weil er eine befriedigende Interpretation der Volkssouveränität in Aussicht stellte."

Außerdem: Sina Arnold vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin und der Paderborner Historiker Sebastian Bischoff wenden sich in der taz gegen eine neue Vereinnahmung des Begriffs der Nation von linksliberaler Seite, wie er zum Beispiel von Aleida Assmann betrieben werde. In der NZZ grämt sich der Philosoph Alexander Grau über die wenigen Konservativen, die es noch gibt, die ihm viel zu lasch und spießig sind.
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Medien

Es gab zwei Seiten, die von dem Clinch profitierten, in dem sich Trump und die Medien befanden, nämlich Trump und die Medien, konstatiert Peter Weissenburger in der taz. Nun folgt der Kater: "Beim Sender CNN, gegen den Donald Trump regelmäßig austeilte, gingen die Zuschauerzahlen in der Hauptsendezeit im März 2021 im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Prozent zurück, gibt das Marktforschungsunternehmen Nielsen durch. Was Trumps Lieblingsfeindinnen in der Presse angeht: Für die New York Times verzeichnet das Forschungsunternehmen ComScore 30 Prozent weniger Onlinebesuche seit November, bei der Washington Post 27 Prozent." Allerdings konstatiert Weissenburger, dass Rupert Murdochs Fox News auch ohne Trump prächtig weiter zu gedeihen scheint.

Jan Böhmermann bringt - flankierend zu diesem Beitrag über "das Geschäft mit der Klatschpresse" - ein Yellow-Press-Magazin über Yellow-Press-Dynastien heraus. Dort liest man etwa über Hubert Burda: "Wie er mit Intrigen, Inzucht und Inkontinenz Millionen machte." Kooperationspartner Stefan Niggemeier kündigt das Heft in seinen Übermedien an: "Der bekannte Verleger, Philanthrop und Mäzen behandelt in seiner Fernsehsendung 'ZDF Magazin Royale' in dieser Woche schwerpunktmäßig das Thema Regenbogenpresse und hat deshalb mit der Produktionsfirma Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld ein einmaliges eigenes Heft produziert, das ab morgen an vielen Kiosken zwischen Freizeit Revue, Freizeit Monat und Freizeit Spass ausliegt. Die Auflage des 32-seitigen Magazins gibt der Verlag im Impressum mit 500.000 an." Und an wen gehen die Einnahmen - ZDF oder Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld? Auch turi2 berichtet.
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