9punkt - Die Debattenrundschau

Es geht allein um das Töten von Juden

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
17.10.2023. Der Mord an über tausend israelischen Zivilisten lässt sich weder als Widerstand noch als Dekolonisierung rechtfertigen, stellt der israelische Soziologe Natan Sznaider in der FAZ klar. Das sehen Demonstranten und einige Politiker in Europa und Lateinamerika anders, berichtet die taz, während ihr die "Yallah Intifada"-Rufe um die Ohren fliegen. Auch die israelischen Intellektuellen Omri Boehm und Omer Bartov kritisieren vor allem Israel: Wer bei den Massakern der Hamas von Pogromen spricht, verweigert sich der politischen Analyse, erklärt Bartov in der FR. Und Boehm wirft seinen Landsleuten "Verleugnung der Realität" vor. Die FAZ fragt: Wie lassen sich die Menschen in Palästina und Israel von der Hamas befreien? Außerdem: Im Guardian gratuliert Timothy Garton Ash der polnischen Opposition zum Wahlerfolg.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.10.2023 finden Sie hier

Politik

Es gibt keine rationale Erklärung für die bestialischen Morde der Hamas an über tausend israelischen Zivilisten, erwidert Natan Sznaider in der FAZ all jenen, die das Massaker an den Juden als irgendwie "legitime Antwort auf das israelische Unterdrückungsregime und Teil des antikolonialistischen Widerstands" betrachten. "Menschen lassen sich immer wieder etwas einfallen, wenn es darum geht, nicht vorhandene Kausalitäten über Juden zu finden. Der abgrundtiefe Hass und die barbarischen Terrorakte der Hamas und die iranische Unterstützung sind durch nichts als Judenhass und Mordlust begründet. Es geht allein um das Töten von Juden, nicht um Besatzung, nicht um antikolonialistischen Befreiungskampf, nicht um permanente Sicherheit." Die Israelis kämpfen jetzt ums Überleben und vor allem: um das Überleben der Geiseln, so Sznaider. Vielleicht könnten deutsche Kritiker Israels daran denken und zeigen, ob die "Fähigkeit, mit den Opfern der Judenvernichtung zu fühlen" eine universelle ist.

Die völkermörderische Agenda der Hamas war eigentlich seit Ewigkeiten aus ihrer Satzung bekannt. "Dass sie trotzdem als Sachwalter palästinensischer Interessen gesehen wird, liegt auch daran, dass sie in Medien rund um den Globus lange als legitime Gruppe militanter Kämpfer und als eine Befreiungsbewegung gesehen wurde", schreibt Bernd Rheinberg bei den Salonkolumnisten mit Blick unter anderem auf Judith Butler. "Damit lag die Verantwortung für ihre Taten oder ihr Versagen in erster Linie bei Israel. Ein perfekter Deal für die Terrororganisation."

Die Protagonisten des Postkolonialismus trauen sich langsam wieder aus ihren Panikräumen, konstatiert Perlentaucher Thierry Chervel in einem Twitter-Thread. Sie verlangen jetzt wie Hanno Hauenstein, ehemals Berliner Zeitung, nach "Kontextualisierung". Das nimmt ihm Chervel nicht ab: "Intensivst hat die dezidiertere und postkoloniale Linke, gerade in Deutschland, in den letzten Jahren an der Verharmlosung gearbeitet. Etappen waren die Mbembe-Debatte, die Moses-Debatte, das 'Weltoffen'-Papier, das Künstler-Papier, die Documenta... Die 'Weltoffen'-Fraktion hat sogar eine eigene Antisemitismus-Definition verfasst, die 'Jerusalemer Erklärung', in der es heißt, es sei "nicht per se" antisemitisch, wenn einer Israel von der Landkarte wischen will. Auch das gehört zum Kontext, in dem die Pogrome möglich wurden."

In Berlin und vielen anderen Großstädten Europas haben sich Tausende zu propalästinensischen Demos versammelt, berichtet Jessica Ramczik in der taz. "Ihre Teilnehmer, überwiegend Männer, sind vielfach offen antisemitisch. Sie skandieren Vernichtungswünsche und Gewaltaufrufe gegen Jüdinnen und Juden. Umso frappierender ist es, dass Teile der Linken die 'Yallah Intifada'-Rufe offen unterstützen. Es ist auch Unterstützung aus diesem politischen Lager, die diesen Demos auf europäischer Ebene ihr großes Mobilisierungspotenzial verleiht." Allein in Berlin hat "die Dokumentationsstelle für Antisemitismus, Rias Berlin, seit dem Terrorangriff auf Israel über 30 antisemitische Vorfälle" gezählt, meldet Gareth Joswig in der taz.

Und auch in Lateinamerika feiert man die Hamas gern, erzählt Wolf-Dieter Vogel, ebenfalls in der taz. "Evo Morales wollte noch nicht einmal abwarten, bis die israelische Regierung auf den Angriff der Hamas im Süden Israels reagierte. 'Von Bolivien aus verurteilen wir die imperialistischen und kolonialen Aktionen der zionistischen israelischen Regierung', postete der ehemalige Staatschef des südamerikanischen Landes schon wenige Stunden, nachdem die Terrororganisation ihre Offensive begonnen hatte." Und Kolumbiens linker Staatschef Gustavo Petro erklärte kürzlich noch: "'Ich war im Konzentrationslager Auschwitz, und nun sehe ich eine Kopie davon in Gaza.' Diese Veröffentlichung sei eine Schande für ihn und sein Land, reagierte der Jüdische Weltkongress. Leute wie er müssten das besser machen. Von nicht wenigen lateinamerikanischen Linken wäre das zu viel erwartet. In ihrer ersten Printausgabe nach dem Massaker der Hamas titelte die regierungsnahe linke mexikanische Tageszeitung La Jornada mit dem Bild eines Palästinensers, der den Hamas-Angriff feiert. Nur am Rande wird erwähnt, wer die Aggressoren waren. In den folgenden Tagen prangten ausschließlich Fotos auf der Titelseite, die das Leid zeigen, das die israelische Armee im Gaza verursacht hat."

"Die vermeintliche geistige Elite übt sich in Verständnis für menschenverachtende Ideologien und lässt selbst angesichts des größten Verbrechens gegen Juden seit dem Holocaust moralische Klarheit vermissen. Ihre Vertreter machen sich so zu nützlichen Idioten für die Hamas", kommentiert die in der Schweiz lehrende Politkwissenschaftlerin Claudia Franziska Brühwiler in der NZZ die Unterstützung, die die Hamas an amerikanischen Universitäten erfährt: "Es ist augenfällig, wie viele amerikanische Universitäten, die sich sonst gerne mit politischen Statements auf der 'richtigen Seite' der Geschichte verorten möchten, kaum Solidarität mit Israel zeigen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die BDS-Bewegung in intellektuellen Kreisen großen Rückhalt erfährt. So verabschiedeten 2022 die Rechtsprofessoren der City University of New York eine BDS-Resolution. Dieselbe Rechtsfakultät liess zu, dass bei der Diplomfeier Studierende ihre Festreden für antisemitische Propaganda nutzten: So erging der Aufruf 'Widerstand gegen Zionismus auf der ganzen Welt!' an die Absolventen."

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In seinem Buch "Israel - eine Utopie" träumte der Philosoph Omri Boehm noch von einer "Republik Haifa", in der Israelis und Palästinenser mit gleichen Rechten zusammenleben. Im SZ-Gespräch mit Sonja Zekri verurteilt er das Massaker der Hamas scharf, mahnt aber auch Israel "nicht mit Kriegsverbrechen auf Kriegsverbrechen zu antworten". Aus dem 07. Oktober gelte es Lehren zu ziehen, sagt er: "In Israel bestand zuletzt Konsens darin, dass wir die Palästinenser ignorieren können. Nach dem Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung verwandelte sich die politische Beziehung zu den Palästinensern in eine Verleugnung der Realität, ähnlich wie vor dem Jom-Kippur-Krieg - wir gingen davon aus, dass wir stark genug sind, einen jüdischen und demokratischen Staat auf dem gesamten Territorium zu schaffen, während wir die Palästinenser 'einhegen'. Der Vorwurf wird derzeit oft gegen Premier Benjamin Netanjahu erhoben, dabei gaben sich fast alle dieser Achtlosigkeit hin: Die Mitte, die Linke, selbst die Demonstranten gegen die Justizreform haben verdrängt, dass die Justizreform auf die weitere Unterdrückung der Palästinenser abzielt, die immerhin die Mehrheit der Bevölkerung auf israelisch kontrolliertem Gebiet stellen."

Auch der israelische Anwalt Michael Sfard fordert die israelische Regierung im SZ-Gespräch mit Ronen Steinke auf, das Völkerrecht zu wahren: "Ich habe die Sorge, dass wir ein offenes Desinteresse an den Regeln der Kriegsführung erleben. Diese Regeln haben das Ziel, die Zahl ziviler Opfer in Zeiten des Krieges möglichst gering zu halten. Während die USA, aber auch Großbritannien oder Deutschland der israelischen Regierung jetzt den Rücken stärken, nutzt diese das als eine Art Blankoscheck und missachtet diese Regeln. Dass Israel die Zufuhr von Wasser, Strom und Treibstoff nach Gaza abschneidet, widerspricht offensichtlich dem Verbot jeder Form der Kollektivstrafe." (Israel hat im Südgaza das Wasser wieder angestellt.)

Der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg sieht im Interview mit der taz bisher nur wenige Hinweise auf die Verletzung des Völkerrechts durch die israelische Armee im Gaza. Das Argument, dass man sich nicht an die Regeln halten kann gegen einen Gegner, der selbst das Völkerrecht missachtet, lässt er nicht gelten: "Ich habe das im Übrigen von israelischer Seite aus auch noch nie gehört. Das Argument ist an den Haaren herbeigezogen und widerspricht nicht nur dem Recht, sondern auch der Staatenpraxis. Das humanitäre Völkerrecht findet gleichmäßig auf alle Konfliktparteien Anwendung."

"Zu den Ursachen gehört seit 56 Jahren auch die Unterdrückung von Millionen von Palästinensern, die mit beschnittenen Rechten, ohne Aussicht auf Freiheit und Gerechtigkeit in den besetzten Gebieten leben, wo sich immer mehr ein Apartheidregime entwickelt hat", sagt der der israelische Historiker und Genozidforscher Omer Bartov im FR-Gespräch mit Ulrich Seidler, in dem er Netanjahu nicht nur sicherheitspolitisches Versagen, sondern auch die Weigerung vorwirft, "einen politischen Kompromiss mit den Palästinensern zu suchen. Ministerpräsident Netanjahu hat sich bewusst dafür entschieden, die Hamas zu unterstützen und die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland zu schwächen, weil er glaubte, dass dies der beste Weg sei, um die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern. ... Diejenigen, die in Bezug auf den Terror der Hamas von Pogromen sprechen, verweigern eine politische Analyse und stellen die Juden als die ewigen Opfer der Geschichte dar. Opfer, die 'alles tun dürfen', um sich gegen die Mächte des Bösen zu verteidigen, einschließlich der Unterdrückung von Millionen von Palästinensern und der Tötung Tausender unschuldiger Zivilisten."

"Terror ist Terror. Terror ist nicht Widerstand, nicht Dekolonisation, nicht Befreiung", ruft in der taz Tania Martini. "Jede Relativierung der Hamas und anderer islamistischer Vereinigungen ist antisemitisch, weil der Kern ihrer Ideologie der Hass auf Juden ist und zur Vernichtung aller Juden aufruft. Würde es wirklich um die Verbesserung der palästinensischen Lebensbedingungen gehen, müsste man zuallererst die Hamas anklagen. ... Die Hamas braucht die palästinensischen Opfer für ihre Bilder, ihre Propaganda. Was daran verstehen jene, die 'Free Palestine from the River to the Sea' rufen, nicht? Warum solidarisieren sich viele Linke mit einer faschistischen Organisation, auch wenn sie sich selbst als feministisch oder queer sehen? Warum gilt es als progressiv, Israel von der Landkarte zu wünschen? Warum werden Kolonialismus und Shoah erinnerungsökonomisch gegeneinander ausgespielt?" Geht es wirklich um bessere Lebensbedingungen für Palästinenser oder wird hier nur ein "Erlösungsantisemitismus" gefeiert, fragt Martini.

Kira Kramer blickt in der FAZ entsetzt auf die israelischen Frauen und Mädchen, die gefoltert, getötet und herumparadiert wurden. Die Hamas, schreibt sie, wollte nicht einfach nur die Wehrlosen töten, sondern Frauen. Denn der weibliche Körper ist für sie "Symbol einer Macht, die es um jeden Preis zu brechen gilt. Die Gewalt richtet sich auch gegen selbstbestimmte Frauen, die sich nicht bedecken, Frauen, die die Freiheit leben, über ihren eigenen Körper zu entscheiden und sich selbst als gleichwertig zu Männern begreifen. Diese Frauen sind ein Feindbild der Terroristen. Ihre Körper zu beherrschen, ist auch der Versuch, ihre Lebensweise zu bezwingen, den Hass in Bildform zu gießen und in den Propagandakreislauf einzuspeisen."

Und die Literaturwissenschaftlerin Tina Hartmann ist in der FAZ sprachlos über die vielen "Ja, aber ..."-Reaktionen, die sich in der Presse finden. Als dürfe sich Israel gegen gezielte Angriffe "nicht oder nur unter Vorbehalt verteidigen". Woher kommt das? Vielleicht weil Juden seit Jahrhunderten von Christen und Muslimen als unmännlich betrachtet werden? Dies wirft dann für Hartmann die Frage auf, warum ausgerechnet Feministinnen so oft den BDS unterstützen, der sich angeblich für eine palästinensische Zivilgesellschaft einsetzt, obwohl die im Gaza regierende Hamas seit 2007 keine Wahlen mehr abgehalten hat und einen Gottesstaat anstrebt. "Wer daher als Frau, queerer oder nonbinärer Mensch die persönlichen Freiheiten genießt, die ein demokratischer Staat garantiert, und zugleich die Menschen in Palästina und Israel einem Regime ausliefern will, das Frauen versklavt und brutalsten Vergewaltigungen preisgibt, queeren Menschen das Lebensrecht abspricht und gemäßigte Kräfte in den eigenen Reihen bestialisch ermordet, macht sich nicht nur mitschuldig an diesen Verbrechen, sondern handelt kolonial - und pervertiert damit die Idee der postkolonialen Befreiung. ... An die Stelle des kategorischen Imperativs 'Free Palestine!' muss die Frage treten: 'Wie lassen sich die Menschen in Palästina und Israel von der Hamas befreien?'"

Und wenn die Hamas aus Gaza vertrieben ist, was dann, fragt Dominic Johnson in der taz. Er plädiert für eine internationale Treuhandschaft: "Wäre eine internationale Verwaltung für Gaza also ein denkbarer Weg? Wenn ja, wie, unter wessen Führung und mit welchem Ziel? Wenn nicht, was dann? Die Fragen mögen heute naiv erscheinen. Aber ohne eine politische Vision gibt es am Ende nur Trümmer- und Leichenberge. Auf beiden Seiten."
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Europa

Für Privatpersonen gibt es keinen "Bekenntniszwang", für Institutionen und Funktionsträger schon, schreibt in der Welt Deniz Yücel, der sich mit der Antidiskriminierungsbeauftragten Ferda Ataman gern darüber unterhalten hätte, "welche Maßnahmen sie angesichts des offensichtlichen Problems mit Antisemitismus unter muslimischen Einwanderern für geboten hält, ob der Antirassismus in Anlehnung an die Black-Lives-Matter-Bewegung, der sich auch Ataman zumindest bislang verbunden fühlte, nicht einer kritischen Revision bedarf. Doch ihr Büro lehnte die Interview-Anfrage ab - angeblich aus terminlichen Gründen. Eine Antidiskriminierungsbeauftragte aber, die nicht willens oder nicht fähig ist, sich solchen Fragen zu stellen, sollte von ihren Aufgaben entbunden werden. Die Privatperson Ferda Ataman unterliegt keinem Bekenntniszwang. Aber das öffentliche Amt, das sie bekleidet, steht sehr wohl in der Pflicht - in Wort und Tat. Sonst kann man es gleich dichtmachen."

Im Guardian gratuliert Timothy Garton Ash dem polnischen Oppositionsführer Donald Tusk zum Ausgang der Wahlen in Polen. Die PiS wurde zwar stärkste Partei, aber die Opposition hätte gemeinsam genügend Stimmen, die Regierung zu bilden. "Obwohl die Wahl in vielerlei Hinsicht ungerecht war, nicht zuletzt wegen der plumpen, verlogenen Propaganda, die von allen staatlich kontrollierten Medien verbreitet wurde, sollte sie Polens Abgleiten in einen Wahlautoritarismus, wie ihn Viktor Orbán in Ungarn praktiziert, umkehren. Die Rekordwahlbeteiligung lag mit fast 74 Prozent nach der aktuellen Auszählung um 10 Prozent höher als im Jahr 1989. Ersten Schätzungen zufolge war die Wahlbeteiligung bei den unter 29-Jährigen höher als bei den über 60-Jährigen, womit ein kontinentweiter Trend umgekehrt wurde. Es scheint, dass die jungen Polen endlich verstanden haben, dass ihre Zukunft auf dem Spiel steht. Was auch immer als Nächstes geschieht, dies war ein großer demokratischer Moment. Die Menschen haben gesprochen und gesagt, dass sie eine andere Regierung wollen. Wenn die aktuellen Prognosen nicht völlig falsch liegen, werden die demokratischen Oppositionsparteien eine klare parlamentarische Mehrheit gegenüber der PiS und ihrem potenziellen Partner, der wilden Konfederacja, haben, die damit gedroht hatte, eine bedeutende Anzahl junger Wähler auf sich zu vereinen."

Sollte Donald Tusks Bürgerplattform in Polen die Regierung bilden, wird es eine "Herkulesaufgabe, die von der PiS angerichteten politischen Schäden wieder zu beheben - im Justizwesen, in der Abtreibungsfrage, in der Medienlandschaft", befürchtet Thomas Schmid in der Welt: "Es ist aber in diesen schweren Zeiten ein Segen, dass das Bündnis zwischen Ungarns 'illiberaler Demokratie' und Polen, dem am meisten prosperierenden Staat der EU, beendet ist. Deutschland, dem stärksten EU-Mitglied, kommt nun eine besondere Aufgabe zu. Es hat in den Merkel-Jahren und auch unter Scholz nichts getan, um Polen dem ihm gebührenden Platz im Gefüge der EU zu verschaffen. Es wäre daher klug, das so schnell wie möglich zu korrigieren. Aus historischer Verantwortung."

In der NZZ konkretisiert Meret Baumann: "Da ist zunächst Staatspräsident Andrzej Duda, der sich in den letzten Jahren oft als Erfüllungsgehilfe der PiS erwiesen hat, der er entstammt. Er dürfte den Auftrag zur Regierungsbildung traditionsgemäß der stärksten Kraft geben, obwohl die PiS keine Aussicht auf eine Mehrheit hat. Damit kann er den Machtwechsel verzögern - Zeit, in der die Partei ihren Einfluss zu sichern versuchen wird. Duda verfügt auch über ein Vetorecht und kann Reformen einer neuen Regierung damit blockieren. Der Umbau der Justiz ist zudem so tiefgreifend, dass völlig unklar ist, wie er sinnvoll und rechtmäßig rückgängig gemacht werden kann. Das Verfassungsgericht ist seit bald acht Jahren illegal zusammengesetzt und nun bereits seit Monaten wegen eines internen Streits funktionsunfähig."
Archiv: Europa

Geschichte

"Wie gelangte der moderne Antisemitismus, der das Denken und Fühlen von heutigen Islamisten prägt, in den arabischen Raum?", fragt Christoph David Piorkowski im Tagesspiegel. Der Politikwissenschaftler Matthias "Küntzel und andere Forscher erklären, dass der Import mit der Zeit des Kolonialismus begann. Journalisten, Botschaftsangehörige und christliche Fundamentalisten hätten den Antisemitismus westlicher Provenienz in den arabischen Raum getragen. 1840 machte der falsche Vorwurf des Ritualmordes an Kindern erstmals im osmanischen Reich die Runde und provozierte eine Reihe von Pogromen. Um die Jahrhundertwende begann die Übersetzung westlich-antisemitischer Pamphlete ins Arabische. Dennoch konnten sich antisemitische Einstellungen als relatives Massenphänomen erst sehr viel später etablieren. Der in Europa und speziell in Deutschland seinerzeit wachsende Antisemitismus wurde etwa in ägyptischen Zeitungen anfangs heftig kritisiert." Dass die Verachtung für Juden in der muslimischen Welt schon etwas älter ist, kann man u.a. hier nachlesen.
Archiv: Geschichte