Aharon Appelfeld

Bis der Tag anbricht

Roman
Cover: Bis der Tag anbricht
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783871345388
Gebunden, 255 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Österreich-Ungarn, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Blanka und Otto, eine junge Mutter und ihr kleiner Sohn, sind auf der Flucht. Erschöpft vom wochenlangen Umherziehen, mieten sie ein Häuschen an einem Fluß, umgeben von Schlingpflanzen und Weidenbäumen, weit abgelegen von der Straße. Eines Tages fragt Otto, wo sein Vater sei. "Er wird schon kommen", sagt Blanka, obwohl sie weiß, dass das nicht stimmt.
Mit großer Poesie erzählt Aharon Appelfeld von einer Frau, die in den Augen anderer Schuld auf sich geladen hat, um nach dreifachem Unglück zu bestehen: dem Gefängnis ihrer Ehe, dem Verlust ihrer Eltern und des jüdischen Glaubens auch. Ganz auf sich gestellt, liebevoll bedacht auf das Wohl ihres Sohnes, begibt sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln. Doch die Schlinge derer, die sie verfolgen, legt sich ihr immer enger um den Hals.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.08.2006

Volker Breidecker hat der Roman von Aharon Appelfeld, in dem eine jüdische Mutter mit ihrem Kind Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Flucht ist, nicht nur sehr berührt, er ist auch von der beklemmenden "poetischen Schönheit" der Geschichte in den Bann gezogen, die sich durch das Wissen der Leser um ein unglückliches Ende dieser Flucht noch verstärkt. Erst nach und nach werde bei der Lektüre das feine Gespinst der allegorischen und poetologischen Erzählweise offenbar, lobt Breidecker. Besonders schön fand er die Darstellung der Flüsse und Seen der kakanischen Landschaft, die bei der Reise in den Blick geraten und die den idyllischen Kontrapunkt zum ausgedehnten Schienennetz der Eisenbahn bilden, das schon bald Millionen von Menschen nach Auschwitz bringen sollte. In einem Nebensatz zeigt sich der Rezensent auch von der Übersetzung ins Deutsche sehr angetan.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.2006

Dass Peter Demetz so schön und eindringlich über diesen jetzt auf deutsch erscheinenden Roman von Aharon Appelfeld schreiben kann, hat zweifellos damit zu tun, dass er sich auskennt in Appelfelds Welt und dass ihm das Buch (auch dank "loyaler" Übersetzung) gut gefällt. So kann er auch feststellen, dass der Autor hier seine wesentlichen Themen und Motive "tiefer und beharrlicher", "strenger und sanfter denn je" wieder aufnimmt. Und weil ihm die Ambivalenz in Appelfelds Texten nicht neu ist, lässt er sich nicht täuschen von allzu idyllischen Momenten, sondern erkennt in der "Poetisierung der Landschaft" und der "Privatisierung des Geschichtlichen" den Willen, die religiöse und ideologische Dimension des Textes mit dem privaten Schicksal der Figuren zu verbinden. Wie es so dem Leser überlassen bleibt, zu werten, weiß Demetz zu schätzen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.04.2006

Aharon Appelfeld schreibt "jüdische Geschichten", und er tut es aus dem Wissen dessen heraus, was den Juden später widerfahren ist, erklärt Rezensent Andreas Breitenstein. In diesem - wunderbar ins Deutsche übersetzten - Roman, so der Rezensent, erzählt Appelfeld "die Geschichte einer Assimilation, die im Albtraum endet". Blanka, begabte Tochter aus einem jüdischen und religiös entwurzelten Haus, konvertiere zum Christentum um den hübschen, aber geistig schlichten Adolf zu heiraten, der sich jedoch als Pascha und Judenhasser entpuppe und sie zunehmend erniedrige. Blanka müsse schließlich feststellen, dass ihr die Assimilation genauso wenig geglückt ist wie der Generation ihrer Eltern, die sich von dem eigenen Glauben zurückgezogen hatten. Blankas Ausweg, so der Rezensent, ist die Flucht vor dem Ehemann und die Rückkehr zum Glauben, durch den sie Freiheit und Sicherheit des Handelns zurückerlangt, wiewohl die Handlung ungebremst auf den Abgrund zurast. Sehr gefallen hat dem Rezensenten die "betörend schlichte" Art, mit der Appelfeld den Leser in seinen Bann zieht und dabei doch den Trost mit Zweifel behaftet. Der Roman, so Breitenstein, "endet mit einer Utopie der Versöhnung, die in Wirklichkeit eine Hinrichtung ist."