Andreas B. Kilcher (Hg.)

Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur

Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart
Cover: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur
J. B. Metzler Verlag, Weimar 2000
ISBN 9783476016829
Gebunden, 664 Seiten, 39,88 EUR

Klappentext

In 280 Porträts, von Moses Mendelssohn bis Edgar Hilsenrath, von Henriette Herz bis Ruth Klüger, stellt dieses Lexikon jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis in die jüngste Gegenwart vor. Das Augenmerk gilt der jeweiligen Standortbestimmung des eigenen Schreibens im Raum der deutsch-jüdischen Literatur und Kultur. Die Porträts, verfasst von ca. 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Europa, Israel und den USA, bilden bewusst keinen gesonderten literaturgeschichtlichen Zusammenhang, sondern vielmehr eine Art Mosaik. Damit wird eine einheitliche Interpretation oder gar lineare Geschichte der deutsch-jüdischen Literatur vermieden und stattdessen ein offenes Feld von Existenzen und Texten im ebenso fruchtbaren wie problemgeladenen Raum der deutsch-jüdischen Interkulturalität präsentiert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.10.2000

Recht ausführlich würdigt Michael Ott zunächst den Begriff der deutsch-jüdischen Literatur anhand eines Kafka-Zitats, um sich dann dem vorliegenden Band zuzuwenden. Insgesamt 270 Portraits von jüdischen Autoren, die in der deutschen Sprache schrieben und dichteten, sind hier gesammelt. Dabei erweist sich das unterschiedliche Selbstverständnis der Autoren und Autorinnen als wichtige "Innenansicht" einer alten kontroversen Zuordnung, meint Ott. Und besonders produktiv wird sie dort, wo sich das Deutsch-Jüdische territorial nicht festlegen lässt und auch deshalb ein auf "Kanonisierung" ausgelegtes Projekt wie solch ein Lexikon mit einer "produktiven kleinen Verstörung" beschenkt. Dadurch macht es die "inneren Bedingungen" dieser Literatur erst recht anschaulich, urteilt Michael Ott.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2000

"Ein reiches, eindrucksvolles Kaleidoskop" ist dieses Lexikon nach Jakob Hessings Ansicht, der in seiner Rezension vor allem auf die Beiträge zu Heinrich Heine und Franz Kafka eingeht. So zeige der Text Klaus Brieglebs über Heine deutlich, wie sehr das Judentum bei der Beurteilung seine Werke eine wesentliche Rolle gespielt hat und welche "Unterdrückungsmechanismen" auch in Heines Familie für ihn prägend waren. In seinem Beitrag über Franz Kafka hat der Herausgeber Andreas B. Kilcher, so Hessing, gezeigt, wie Kafkas persönliche Erlebnisse mit dem Judentum ihn zwar beim Schreiben beeinflusst haben, dass er aber andererseits das Jüdische in seiner Literatur kaum direkt thematisiert hat und auch nicht gewillt war, sich für jüdische Glaubensrichtungen instrumentalisieren zu lassen. Hier wird, so Hessing, ein typisches Dilemma vieler jüdischer Schriftsteller deutlich, die "deutsch schreiben" wollten und sich gleichzeitig von dem Judentum ihrer Herkunft nicht lösen konnten bzw. wollten. Nicht zuletzt lobt der Rezensent die vielen "namhaften Autoren", die er als Verfasser der Beiträge des Lexikons ausgemacht hat.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.08.2000

Rezensent Hans Albrecht Koch erstellt eine umfangreiche Mängelliste des besprochenen Bandes, lobt aber das "besonnene" Vorwort des Herausgebers und die Auswahl "vorzüglicher Kenner" als Autoren der einzelnen Artikel. Ausführlich zitiert er dann eine ganze Reihe von Aphorismen des jüdischen Altphilologen Jacob Bernays - der in dem Band gar nicht vorkommt, aber nach Meinung des Rezensenten vorkommen sollte. Ebenso vermisst werden Hugo von Hofmannsthal, der Romanautor Martin Beradt und der Lyriker Ludwig Greve. Die Produktion des Bandes sei schlampig, was er damit meint, verrät Koch freilich nicht, lässt aber eine Attacke gegen den Holtzbrinck-Konzern, zu dem der Metzler-Verlag gehört, folgen. Zuletzt wird noch moniert, dass manche der bibliografischen Hinweise veraltet seien.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.08.2000

Bei diesem Lexikon handele es sich um ein "anspruchsvolles Unternehmen" auf schwierigem Gelände, stellen die Rezensenten Andreas Disselnkötter und Claudia Albert fest. Das Buch sei nicht mit dem Hinweis auf einzelne fehlende AutorInnen abzutun, vielmehr ermögliche es, das "Spannungsfeld" deutsch-jüdischer Identitäten genauer zu sondieren, als dies vielfach geschehe. Die Zufallsordnung des Alphabets ebenso wie die variierenden Perspektiven der AutorInnen führen ihrer Ansicht nach zu interessanten Fragen und neuen Aspekten. Als Gesamttendenz sei nur zu konstatieren, dass das Bewusstsein einer "aufgezwungenen Differenz" und eines Schreibens "am Rande" nicht überwunden sei.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.07.2000

Wilfried Weinke kennt keine Gnade. Auch wenn die Herausgeber dezidiert darauf hingewiesen haben, dass man mit diesem Lexikon keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und die Porträts `allenfalls als Bausteine einer deutsch-jüdischen Literaturgeschichte` betrachtet werden können, so fallen ihm zahlreiche Personen ein, die man seiner Ansicht nach unbedingt hätte berücksichtigen müssen. So liest sich seine Rezension vor allem als Liste derjenigen, die in diesem Lexikon nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt werden. Am Ende der Rezension hat man vor allem eines erfahren: wen der Rezensent so alles kennt und was er alles schon gelesen hat. Kein Wunder, dass Weinke zu einem vernichtenden Fazit gelangt: Dieses Lexikon bedürfe ?dringend der Überarbeitung und Erweiterung?.