Bettina Stangneth

Überforderung

Putin und die Deutschen
Cover: Überforderung
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003555
Gebunden, 144 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Eigentlich war niemand besser vorbereitet. Keiner weiß mehr über Angriffskriege. Keiner hat je lauter seine Geschichte befragt. Aber als Wladimir Putin die Ukraine überfiel, boten die Musterschüler der Vergangenheitsbewältigung ein diffuses Bild. Um die ganz großen Worte nie verlegen, aber unberechenbar in ihrem Tun, verunsichern die Deutschen seither ihre Verbündeten und irritieren noch ihre Feinde. Und die Deutschen selbst? Sie zerfallen: Die einen wissen jeden Tag aufs Neue genau, was zu tun ist. Die anderen belustigen sich in Dauerpolemik oder haben noch gar nicht aus der Schockstarre herausgefunden. Ganz zu schweigen von den Propheten, die mit unheimlicher Begeisterung schon wieder Geopolitik diskutieren, als wär's ein Schachspiel. Kriegszeiten sind Wahrheitszeiten, sagt die Philosophin Bettina Stangneth. Die Deutschen sind schlicht nicht das, was sie in den Augen anderer gern wären. Bei aller Neigung zur Selbstbespiegelung gelingt es ihnen nicht einmal, aufrichtig in den Spiegel zu sehen. Aber wenn eine große Wirtschaftsmacht sich anschickt, auch noch eine der größten Armeen der Welt aufzustellen, dann muss die Welt sich zu Recht fragen, warum die Deutschen so große Probleme damit haben, sich als verlässliche Partner zu erweisen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2023

140 Seiten ist der Essay der bekannten Philosophin lang, Robert Putzbach widmet ihm eine recht ausführliche Besprechung, aber so recht kann er damit nichts anfangen. Als Hauptthese nimmt er mit, dass die Autorin bei den Deutschen ein "ängstliches Denken" diagnostiziert, das aus der "Tiefe des Abgrunds der eigenen Schuld" herkommt: Die Deutschen, ob Opfer oder Täter, mussten nach dem Krieg zusammenleben, und wenn man von Neuem eine Gemeinschaft entwickeln wollte, musste man eine Sprache pflegen, die die Abgründe nicht zu genau benennt, resümiert der Rezensent. Diese Diagnose findet Putzbach durchaus interessant, aber ihre Anwendung auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine erscheint ihm beliebig. Lässt sich das zögerliche deutsche Verhalten wirklich aus der Vergangenheit erklären? Warum verhält sich Frankreich dann so ähnlich? Philosophisch, so scheint es, kann man dem Geschehen vorerst noch nicht auf die Spur kommen zu können.
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