Chaim Grade

Von Frauen und Rabbinern

Zwei Erzählungen
Cover: Von Frauen und Rabbinern
Die Andere Bibliothek, Berlin 2020
ISBN 9783847704317
Gebunden, 360 Seiten, 44,00 EUR

Klappentext

Aus dem Jiddischen von Susanne Klingenstein. In Wilna, heute Vilnius, im leuchtenden "Jerusalem des Nordens", wurde Chaim Grade geboren, und von dort und der Enge der jüdischen Dörfer, den Schtetlech zwischen den Weltkriegen, erzählt er - ohne alle sentimentale Verklärung. Seine sinnlich-atmosphärischenDarstellungen der untergegangenen jüdischen Welt entfalten große persönliche und politische Dramen. Die kultivierte Perele, Tochter des gelehrten Rabbis von Staripol, ist eine der eindrucksvollsten der vielen Frauengestalten in Grades Erzählungen: eine raffinierte Xanthippe. Als Erbin rabbinischen Adels will sie ihren gutmütigen Mann, Uri-Zwi Königsberg, vom schlichten Prediger zum angesehenen Rabbi befördern - mit Intrige, mit kaltem Kalkül und stummer Unerbittlichkeit. Hinter ihrem Ehrgeiz verbirgt sich ein peinigendes Lebensgeheimnis. Ob hier, in der Erzählung Die Rebbezin, oder in Lejbe-Lejsers Hof: Der in Synagogen, Wohnungen oder Geschäften erbittert ausgetragene Streit um die religiösen Gebote, der "Religionskrieg" zwischen Traditionalisten und Erneuerern, orthodoxen Eiferern und zionistischen Freidenkern bestimmt die Existenz aller und ist das große Thema von Chaim Grades Erzählkunst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.05.2021

Rezensent Lorenz Jäger entdeckt den harten Geist des Rabbinismus in Chaim Grades illusionslosen jiddischen Erzählungen über den bedingungslosen Gottglauben. Die liebevolle Schilderung alltäglicher Szenen in Königsberg oder Grodno, die Jäger an Hamsun erinnernde archaische Wucht der Geschichten und der Verzicht auf Idealisierung machen die Lektüre für den Rezensenten zum Erlebnis. Susanne Klingensteins Übertragung findet Jäger lebendig und kenntnisreich, sodass sie ihm als Kommentar zur geschilderten Lebens- und Glaubenspraxis taugt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 20.03.2021

Dirk Schümer freut sich über zwei kleine Romane von Chaim Grade. Für Schümer bieten sie Sittenbilder einer untergegangenen Welt, der Schtetl-Kultur im jiddischen Wilna, und darüber hinaus Psychodramen von Shakespear'scher Wucht, wenn der Autor die Verstrickungen seiner Figuren, Rabbinern, Fanatikern, Prostituierten zwischen Orthodoxie und prallem Leben erkundet. Susanne Klingensteins Übersetzungen und Kommentare schätzt Schümer ebenso wie Grades "einfühlsame" Kunst.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 16.01.2021

Rezensent Carsten Hueck freut sich, mit diesem Band den Erzähler Chaim Grade endlich auch auf Deutsch entdecken zu können. Grade gehört zu den großen Autoren der jiddischen Literatur, und das Wilna, von dem er erzählt, ist lange versunken, erklärt Hueck: Wilna war vor dem zweiten Weltkrieg das Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, Hort etlicher Zeitungen und Verlagem eine eigene Lebensform gar. Die beiden Erzählungen des Bandes - in der einen geht es um einen schlichten Rabbiner, der von seiner Frau zur Karriere gedrängt wird, in der anderen um den religiösen Kosmos eines Wohnblocks - bestechen den Rezensenten durch atmosphärische Dichte, emotionale Intensität und "saturnische Melancholie", wie Hueck meint.