Christoph Peters

Das Tuch aus Nacht

Roman
Cover: Das Tuch aus Nacht
btb bei Goldmann, München 2003
ISBN 9783442750900
Gebunden, 320 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Istanbul im November 1994: Eine Stadt, geprägt von Regenschauern, Nebelschwaden und dann wieder von dem Licht einer kalten Wintersonne. Eine Stadt zwischen Orient und Okzident. Zwischen dem Glanz der Geschichte und der Hektik der Moderne, zwischen dem Lärm der Elendsviertel und Basare und der gepflegten Stille vornehmer Touristenhotels. Hier lernt der Kunststudent Jan Kenzig den Steinbildhauer Albin Kranz und seine Freundin Livia Mendt kennen. Das Paar verbringt ein paar Tage in der Stadt am Bosporus, um vielleicht hier die tiefen Risse in ihrer Beziehung zu kitten. Doch schon bald nach ihrer Ankunft glaubt Albin, von seinem Hotel aus einen Mord zu beobachten...

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.11.2003

Rezensent Jörg Magenau gesteht Christoph Peters zu, ein "perfekter Techniker" zu sein, das beweise er, indem er seinen Roman entlang zweier, chronologisch entgegengesetzt verlaufender Stränge erzähle - die Hauptfigur Albin, ein Bildhauer und "Trinker im Endstadium", gleitet vom Augenblick seines Tod her immer tiefer in die Vergangenheit, während ein zweiter Erzähler das Geschehen, das mit diesem Todesfall endet, von außen chronologisch ordnet. Das ist brillant gemacht, findet Magenau, je mehr sich Albin von der Wirklichkeit seiner Freundin, mit der er zusammen Istanbul besucht, entferne, desto "stärkere Szenen gelingen Peters". Einerseits, so Magenau, geht das Wagnis der Konstruktion also auf - andererseits aber behindert sie die Entfaltung einer Geschichte - das Erzählen untergrabe sich hier selbst. Fazit: Ein Roman, der ausgerechnet vom Verlust der Kontrolle handelt, wird durch zuviel formale Kontrolle zu einer bewundernswerten, aber kalten Vorführung von Virtuosität.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

Völlig hingerissen ist Kai Martin Wiegand von Peters' neuem Roman, mit dem sich der Autor in den Augen des Rezensenten als einer der herausragendsten deutschsprachigen Schriftsteller der Gegenwart qualifiziert. (Wir sehen schon die Banderole auf dem Band prangen.) Formal ist Peters mit diesem Roman ein größeres Wagnis eingegangen als in seinem Erstling "Stadt Land Fluss", berichtet Wiegand. Die Handlung dieses in Istanbul spielenden Liebes-, Kriminal- und Reiseromans werde bruchstückhaft aus zwei Perspektiven erzählt: einmal, vom Ende aufgerollt, aus der Sicht der tragischen Hauptfigur, einem gewissen Albin, der zum Trinker geworden ist und zufälligerweise aus dem Hotel einen Mord beobachtet; und zum zweiten brav chronologisch aus der Warte eines Kunststudenten, der im gleichen Hotel abgestiegen ist und das Anbandeln von Albins Freundin mit seinem Kunstprofessor aus der Nähe verfolgt. Durch die verschiedenen Zeitebenen gerät der Leser in einen Strudel, erklärt Wiegand, mal verfüge er über einen Wissensvorsprung, dann wieder hinke er der Handlung hinterher. Außerdem sei unklar, was nun stimme: der scheinbar nüchterne Bericht oder der ganz subjektive? Peters entfaltet eine enorme Stimmenvielfalt, schwärmt der Rezensent, die auf engstem Raum die unterschiedlichsten Haltungen vorführe. Seine Sprache sei quicklebendig, zugleich gebe es wunderbare lyrische Passagen und einen harten aber brillanten Schluss.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.09.2003

Scheint ziemlich vertrackt zuzugehen in diesem Roman, aber Hubert Winkels bemüht sich redlich, seine Faszination kenntlich zu machen - und es gelingt ihm auch. Aus zwei Perspektiven wird die Geschichte eines Mords erzählt, von dem wir zumindest in der Kritik nicht erfahren, ob er ihm Roman "wirklich" geschieht. Darum geht's nämlich: Was ist wirklich? Wie viel darf man dem einem Erzähler glauben, der ein Alkoholiker ist, immer an der Grenze zum Delirium tremens, und wie weit darf man dem anderen Erzähler trauen, der seine Version in bedenklich glatter und chronologischer Weise zum besten gibt? Und dann ist da noch Istanbul, wo das mysteriöse Buch spielt, die Erinnerung an den byzantinischen Bilderstreit um die Legitimität der Gottesabbildung, der dort im 8. Jahrhundert tobte, und die Inspiration an jenen "ornamentalen Dickichten und Labyrinthen", mit denen der Islam die Leerstelle der Figuration besetzte. Manchmal scheint Winkels das Buch ein wenig überkonstruiert, aber er sieht es dem Autor nach. Dieser Roman ist "feinste Webware".