Frank B. Wilderson III

Afropessimismus

Cover: Afropessimismus
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2021
ISBN 9783751803335
Gebunden, 415 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Jan Wilm. Was es heißt, Schwarz zu sein: Afropessimismus ist ein Aufschrei und eine radikale Antwort auf eine der drängendsten Fragen unserer ZeitWie erklärt sich die brutale Alltäglichkeit der Gewalt gegen Schwarze Menschen? Warum bestimmt die Geschichte der Sklaverei ihre Erfahrungen bis heute? Wie kommt es, dass Rassismus jeden Aspekt des sozialen, politischen und geistigen Lebens berührt? Frank B. Wilderson III begegnet diesen Fragen in einer Weise, die so komplex ist wie unsere Verstrickungen in sie: Teils einschneidende Analyse, teils bewegendes Memoir, zeugt "Afropessimismus" davon, was es heißt, Schwarz - und das heißt für Wilderson immer zugleich, kein Mensch - zu sein. Er schildert eine nur scheinbar idyllische Kindheit in einem weißen Vorort von Minneapolis, die politisierten 1970er- und 1980er-Jahre, seinen Aktivismus gegen die südafrikanische Apartheid und die Gewalt, die ihm als Wissenschaftler noch heute begegnet. Wildersons Aufmerksamkeit für die Verheerungen eines Schwarzen Lebens in einer weißen Welt zeigen, dass die Unterdrückung der Schwarzen kein Relikt der Vergangenheit ist. Vielmehr bildet sie die unhintergehbare Grundlage jedes Verständnisses von Kultur, Fortschritt und Subjektivität. Auch die unbestreitbaren Erfolge des Civil Rights Movements oder von Black Lives Matter konnten sie nicht grundlegend infrage stellen. Ausgangspunkt von Wildersons Denken ist deshalb die Ausweglosigkeit. "Afropessimismus" fragt, wie sich das Leben als versklavte Person überhaupt erzählen lässt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.12.2021

Rezensent Eberhard Falcke kann diese Streitschrift des amerikanischen Autors Frank B. Wilderson noch am besten als "zornige Raktion auf den Optimismus" lesen, der die schwarzen Bürgerrechtsbewegungen in den USA so oft getrogen hat, als Rebellion gegen den Status quo. Denn für Falcke ist auch schnell klar, dass Wildersons Pessismismus nirgendwo hinführen kann: Es gibt keinen Ausweg und keine Aussicht auf Besserung, wenn Blackness, das schwarze Dasein an sich, mit Sklaverei zusammenfällt. Wobei Wilderson hier von amerikanischer Blackness zu sprechen scheint. Immer wieder prangert der Autor ein Unterdrückungsverhältnis an, in dem Weiße sich wie peitschenschwingende Plantagenbesitzer gerierten, ohne dies jedoch empirisch zu verifizieren. Bei ihm ist alles quasi-ontologischer Befund. Falcke fühlt sich dadurch nicht einmal zu großem Widerspruch herausgefordert. Was soll er auch sagen, wenn Wilderson von vornherein postuliert: "Solidarität ist mir scheißegal."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13.11.2021

Rezensentin Verena Lueken spricht von Frank B. Wildersons Buch als von einem "Schock" und meint damit vermutlich die radikale Negativität seiner Theorie, die sie erst einmal erklärt und verteidigt: So ziele der Verweis auf bisherige Errungenschaften in der Gleichstellung von Schwarzen und Weißen völlig vorbei am Grundgedanken des Afropessimismus, der auf einem äußerst abstrakten, "metatheoretischen" Niveau von einer Auslöschung schwarzer Menschen, einer Ausgrenzung aus Kategorien des Seins ausgeht, die weder mit der Diskriminierung anderer People of Color vergleichbar noch in irgendeiner Form einzuholen sei. Die theoretische Komplexität sieht Lueken auch in Wildersons Darstellungsweise gespiegelt, die zwischen autofiktionalen Momenten und theoretischer Abhandlung changiert, wobei sich diese beiden Pole erst gegenseitig hervorbringen und bedingen, analysiert die Kritikerin. In der vermeintlichen Aussichtslosigkeit des Denkgebäudes sieht sie nicht wie Wildersons Kritiker eine Entwertung der Bürgerrechtsbewegung, sondern vielmehr das Potenzial für radikalere Neuanfänge.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2021

Rezensent Wolfgang Matz erkennt im Buch von Frank B. Wilderson III. einen Meilenstein in den Debatten um Rassismus und Ausgrenzung. Wie der Autor liberale Illusionen von Inklusion und Gleichheit sprengt, findet Matz schmerzhaft und wichtig zugleich, verstanden als Instrument einer kritischen Gesellschaftsanalyse. Wildersons beunruhigende Kraft und Kompromisslosigkeit, wenn er jeden Konsens aufkündigt, mit Philosophie, Psychoanalyse und Autobiografischem "Schwarzsein" zur Realität und Existenzbedingung erklärt, scheint Matz mitreißend. Die sprachliche Gender-Korrektheit im Buch fällt dagegen krass ab und wird geradezu lächerlich, stellt der Rezensent fest. Afropessimismus, das ist für Matz die "Gegentheorie" zum Humanismus. Inwieweit der Autor mit seiner Radikalität jede Kritik ausschließt, wagt Matz kaum zu ergründen.
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