Gerhard Roth

Aus Sicht des Gehirns

Cover: Aus Sicht des Gehirns
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518583838
Kartoniert, 214 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Sind wir Menschen einzigartig? Wie entsteht unsere Bewusstseinswelt? Können wir die Welt erkennen, wie sie ist, oder nehmen wir nur Konstruktionen unseres Gehirns wahr? Auf wen sollen wir hören: Verstand oder Gefühle? Wer oder was formt uns: Gene, das Unbewußte oder Erziehung? Was sagen uns Nahtod-Erfahrungen? Ist mein Wille frei? Und schließlich: Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaft, Meinung und Glaube? Diese und ähnliche Fragen werden in zwölf Kapiteln auf eine Weise behandelt, die keinerlei fachwissenschaftliche Vorkenntnisse erfordert und keine Flut an Details liefert. Das Buch präsentiert die Umrisse eines neuen Menschenbildes, das naturwissenschaftlich begründet ist und zugleich Einsichten der Geistes- und Sozialwissenschaften berücksichtigt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.10.2003

"Das Gehirn ist ein interessantes Organ" - darin stimmt Rezensent Helmut Mayer mit Gerhard Roth überein, und da hört die Übereinstimmung auch schon auf. Denn Roths Buch sei ein Paradebeispiel dafür, wie einer, der sich noch auf dem festen Boden rationaler Wissenschaft wähnt, längst in "metaphysische Abgründigkeiten" versinke - ein Phänomen, das der Rezensent besonders bei Menschen, die sich für Hirnforschung interessieren, öfter beobachtet. "Das visuelle System verarbeitet Reizungen auf der Netzhaut", klar - doch bei Roth folge daraus, dass das Hirn die Welt nicht abbilde, sondern konstruiere, woraus sich wiederum ergebe, dass die Welt nur im Gehirn existiere. Und schon ist es passiert: "Statt des Geistes, der die Welt entwirft, ist nun das Gehirn dran". Ebenso bedenklich erscheint Mayer Roths Neigung, das Gehirn zum Subjekt zu erheben, bloß weil wir es brauchen, um zu denken. Positiv überrascht ist er folglich darüber, das Roth bei seiner fatalen Vorliebe für "philosophische Fallstricke" die ständig purzelnden Erkenntnisse der Hirnforschung aus zumeist überlegter Distanz betrachtet. Was bleibt? "Man kann aus Roths Buch vieles über den Stand der Hirnforschung lernen. Aber man ist gleichzeitig damit beschäftigt, die Idiosynkrasien des Autors einzuklammern, die Hirnforschung zu einer Art Fundamentaldisziplin mit erkenntnistheoretischer Relevanz zu stilisieren", resümiert Mayer. Das Gehirn ist ein interessantes Organ - mehr nicht!

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.09.2003

Obwohl Christian Geyer "die große Fähigkeit" von Jürgen Roth schätzt, "komplizierte naturwissenschaftliche Zusammenhänge dem interessierten, aber nicht einschlägig vorgebildeten Leser begreiflich zu machen", und obschon er die "lehrreichen und oftmals faszinierenden Passagen, in denen der Hirnforscher bei seinen Leisten bleibt", von seinem Urteil ausdrücklich ausnimmt, hat ihn dieses Buch verärgert. Roth erweise sich hier als einer der Hirnforscher von dem Schlage, die gerne "körbeweise Steine der Weisen" auspackten, "die die ganze Philosophiegeschichte bislang vergeblich zu finden hoffte." So meine Roth etwa zu wissen, wie das Problem der Willensfreiheit zu lösen sei. Die scheinbar eindeutige Antwort Roths, wonach das "wollende Ich" im "moralischen Sinne" nicht verantwortlich sei, "für dasjenige, was das Gehirn tut, auch wenn dieses Gehirn 'perfiderweise' dem Ich die entsprechende Illusion verleiht", ist dem Rezensenten jedoch zu dünn." Was wisse man denn eigentlich, fragt Geyer, wenn man wisse, dass "dieser Teil der Hirnrinde die längerfristigen Folgen unseres Handelns 'überprüft'" oder "jener Cortexbereich das impulsive Verhalten 'kontrolliert'"? Das Problem des Buches sei, so Geyer abschließend, dass der Autor dieses Vokabular der Steuerung nicht in Anführungszeichen setze, sondern buchstäblich verwende - es dann aber eben nur die Illusion von Klarheit herstelle.
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