Hans Joachim Schädlich

Die Villa

Roman
Cover: Die Villa
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2020
ISBN 9783498065553
Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Eine Gründerzeitvilla wie aus dem Bilderbuch: schmiedeeisernes Tor, zu seiten der Auffahrt ein großer Springbrunnen, der Eingang flankiert von hohen Kandelabern, Rhododendron und Rosen im verwunschenen Park, zweigeschossige Treppenhalle, Salon, Herren- und Speisezimmer, Stuck, Bleiglasfenster, Zimmerfluchten unten wie oben, Parkett oder gefliest. Bewohnt wird die Villa, die in der vogtländischen Kleinstadt Reichenbach steht, seit 1940 von Hans und Elisabeth Kramer, ihren vier Kindern und dem Personal. Doch die sorglose Zeit währt nicht lange. Der Vater - Wollkaufmann und überzeugter Nationalsozialist - kann angesichts der Verbrechen des Naziregimes an seinem Glauben nicht festhalten. Nach seinem frühen Tod wird die Familie von den Schrecken des Krieges eingeholt. 
In seinem Buch "Die Villa" hat sich Hans Joachim Schädlich den Jahren zwischen 1931 und 1950 zugewandt, der Zeit vom Ende der Weimarer Republik bis zu den Anfängen der DDR. Er führt vor Augen, wie eine Familie im Widerstreit von Wahn und Gewissen die Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahre erlebt. Getreu seiner Maxime, dass das Entscheidende einer Erzählung die Leerstellen sind, lässt er Raum für Bilder, Stimmungen und auf historischen Fakten fußende Imagination. Die Villa wird zum Gleichnis - exemplarisch für die Umbrüche des 20. Jahrhunderts.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.06.2020

Rezensent Jochen Schimmang lobt Hans Joachim Schädlich für seine Unfähigkeit zur Lüge und seinen "spröde, protokollarische Erzählweise". Beides verhindert laut Schimmang, dass Schädlichs rund um eine Gründerzeitvilla in Reichenbach angesiedelte, szenisch erfasste Familiengeschichte von 1924 bis 1950 gemütlich wird oder gar zur Mütter-Väter-Schmonzette verkommt. Dafür muss der Leser selbst tätig werden, räumt Schimmang ein, und die Szenen zum Mosaik verbinden. Manchmal wirkt es auf den Rezensenten jedoch auch so, als wolle der Autor beim Lesen das "Historienwissen" auffrischen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.05.2020

Frauke Meyer-Gosau scheint zu bedauern, dass Hans Joachim Schädlichs knapper Berichtstil zwar lebendigen Stoff handhabt, ihn aber quasi stillstellt, sodass das "persönliche Material", das die Rezensentin im Text vermutet, "bestmöglich geschützt" wird. Das führt laut Rezensentin dazu, dass die zwischen 1931 und 1951 im Vogtländischen spielenden Familiengeschichte zwar die großen historischen Zeitläufe aufnimmt, aber frei bleibt von Vermutungen über die Verstrickungen der Figuren in den Nationalsozialismus. Auf Meyer-Gosau wirkt das insgesamt wenig glaubhaft.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.05.2020

Hier erzählt der Autor von einer Familie im vogtländischen Reichenbach, die durch den frühen Eintritt des Vaters in die NSDAP einen sozialen Aufstieg erlebt, erklärt Rezensent Rainer Moritz.  Einmal mehr ist der Kritiker beeindruckt von Hans Joachim Schädlichs Talent, mit wenigen lakonischen Worten ein weites Panorama zu spannen. So schafft er es, auf wenigen Seiten sowohl die historischen Einschnitte, den Charakter des Vaters, das Heranwachsen der Kinder und die Atmosphäre in Nazi-Deutschland mitsamt Nachwehen erfahrbar zu machen, staunt der Rezensent. Dass Schädlich hier an manchen Stellen von seiner "kondensiert-konzentrierten" Erzählweise abweicht, hält der Kritiker für die Folge eines autobiografischen Hintergrunds, den er dem Buch zuschreibt. Darum verzeiht Moritz Schädlich die Abschweifungen gern.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.05.2020

Judith von Sternburg schätzt das Unerbittliche, Unerläuterte, Unsinnliche und Karge an Hans Joachim Schädlichs Roman. Dass der Autor ein Gebäude in den Titel hebt, es dann aber ganz unsentimental, ja kühl abhandelt, um sich den "Umrissen" der Menschen und Ereignisse darin zu widmen, gefällt ihr und erinnert sie an Geschichten der Großmütter. Die Verwicklung der Figuren in die Zeitläufe, namentlich in das NS-Regime, wird laut Sternburg nur aufgezeigt, nicht erklärt. So funktioniert Überlieferung, mit Leerstellen, die den Leser auf sich zurückwerfen, meint die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.04.2020

Rezensent Paul Jandl warnt davor Hans Joachim Schädlichs kleinen Roman zu unterschätzen. Laut Jandl liegt die Stärke des Textes um eine Familie im Vorgtländischen in den 30er Jahren erstens in der weitgehenden Vermeidung des Autobiografischen und zweitens in der Verleugnung kunstvoller Atmosphärik. Hinter den kurzen, faktenorientierten, nicht von moralischen Fragen belasteten Sätzen verbergen sich für Jandl durchaus Explosives, sehr genaue Beobachtungen und "hinterlistig-autobiografischer" Witz.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.03.2020

Für den Rezensenten Tilman Krause ist Hans Joachim Schädlich "der Virtuose der sprechenden Dinglichkeit": Die Inneneinrichtung der Villa, in der dieser Roman spielt, zeugt ihm zufolge hervorragend vom Leben einer neureichen deutschen Familie im Zweiten Weltkrieg. Ohne moralischen Zeigefinger beschreibe der Autor die Angehörigen des NS-Ortsgruppenleiters von Reichenbach im Vogtland, für den der Aufstieg der Nationalsozialisten zunächst vor allem zum Karrierevehikel wurde, so Krause. Dabei erscheine das Familienoberhaupt mitnichten als "Nazibestie". In den Augen des Rezensenten ist es Schädlich gelungen, von den Menschen zu erzählen, wie sie nun einmal sind: "glücksbedürftig und schwach".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.03.2020

Knapp, aber angetan bespricht Rezensent Ulrich Greiner Hans Joachim Schädlichs Roman, der ihm mutmaßlich die Familiengeschichte des Autors erzählt. Greiner erlebt hier die Vorgänge in einer Villa im vogtländischen Reichenbach während des Nationalsozialismus: Ereignisse wie das Verschwinden des jüdischen Lehrers oder der Überfall auf Polen wechseln sich ab mit Anektoden aus dem Familienalltag. Die Nüchternheit und Kühle, mit der Schädlich erzählt, sorgt für Spannung und Empörung, lobt der Kritiker.