Ivan Vladislavic

Schlagabtausch

Roman
Cover: Schlagabtausch
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783803133205
Gebunden, 256 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Thomas Brückner. Im Sommer 1971 begeistert sich der zwölfjährige Joe für den größten Sportler aller Zeiten und entwickelt eine Sammelwut, die nur nachempfinden kann, wer selbst einmal ein echter Fan war. Er trägt alles über das Ausnahmetalent Cassius Clay alias Muhammad Ali zusammen. Für diese Obsession hat Joes älterer Bruder Branko kein Verständnis: Der Kleine ist weder sportlich begabt noch sonst besonders lebenstüchtig - verschlingt dafür aber fünf Bücher pro Tag.Vierzig Jahre später bittet Joe seinen Bruder, sich die alten Notizbücher voller Zeitungsartikel noch einmal gemeinsam vorzunehmen. Es beginnt eine Detektivarbeit, die die Familiengeschichte im Südafrika der siebziger Jahre ebenso rekonstruiert wie die unzähligen Legenden, die sich um Muhammad Ali ranken. Ali, der das Sportmarketing und das Spiel mit den Medien quasi erfindet, der Boxer, der dichtet, provoziert und sich als Black Muslim engagiert - Vladislavic schreibt eine Hommage an den großen, bis heute wirkmächtigen Dissidenten des Sports und einen Roman über die Liebe zweier ungleicher Brüder und die trügerische Erinnerung an die entscheidenden Jahre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.06.2020

Rezensentin Angela Schader liest Ivan Vladislavics Roman, der Muhammad Alis Karriere und die Geschichte eines jungen weißen Fans in Pretoria miteinander verschneidet, mit Sinn für das Ungewöhnliche der Konstruktion. Die Boxerlaufbahn des Champs aus den spärlichen Zeitungsausschnitten des Jungen zu rekonstruieren, findet Schader interessant und so brüchig wie Alis Karriere selbst. Streiflichter auf den rassistischen Alltag in Südafrika werden laut Schader klug und unaufdringlich in den Text eingebunden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.05.2020

Dem Rezensenten Hubert Winkels zufolge haben die Leser*innen es hier mit einem "extrem ausgefeilten Textgewebe" zu tun: Zwei Brüder berichten abwechselnd von ihrer Jugend im Pretoria der 1970er Jahre, der eine an seinem Archiv von Zeitungsausschnitten zu Muhammad Ali entlang, der andere mit Fokus auf seine Familie und das Erwachsenwerden. Durch die echten Zeitungsausschnitte hat der Rezensent Einblick in ein Stück Mediengeschichte erhalten und erfahren, dass Sprache das beschriebene Ereignis nie ganz einfängt, sondern es genau wie den tänzelnden Ali nicht richtig zu fassen bekommt. Die Produktion von Erinnerung - dank der kreativen Übersetzung von Thomas Brückner als spezifisch südafrikanische erfahrbar - wird zum großen Thema eines Romans, der sich selbst damit als Teil der Erinnerungsproduktion ausstellt, schließt der faszinierte Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.04.2020

Rezensent Marko Martin bleiben die coloured people in Ivan Vladislavics im Apartheid-Staat Pretoria in den 70ern spielendem Roman allzu devot. Dass sich der Autor wenig mit seinen vor allem der weißen Mittelschicht entstammenden Figuren identifiziert und sie schließlich sogar über die Klinge springen lässt, scheint Martin wenig hilfreich, um den Leser zu fesseln. Überzeugend findet der Rezensent den Text, wenn er den Apartheids-Alltag immer wieder auf irritierende durchschimmern und die seelische Abstumpfung der Figuren erahnen lässt.