Hans-Peter Wittwer

Vom Leben der Kunst

Jacob Burckhardts Kategorien Existenzbild und Existenzmalerei und ihre historischen Voraussetzungen. Diss.
Cover: Vom Leben der Kunst
Schwabe Verlag, Basel 2004
ISBN 9783796520198
Gebunden, 391 Seiten, 47,50 EUR

Klappentext

Im Zentrum der vorliegenden Studie steht Jacob Burckhardts kunsthistorisches Schaffen. Burckhardt unterscheidet bei den Werken der bildenden Kunst, vor allem der Malerei, eine mehr die Erzählung betonende und eine eher das Dasein herausstellende Auffassungsweise, wodurch die bei Giorgio Vasari überlieferte Gegenüberstellung von disegno und colore abgelöst werden sollte. Wie Vasari siedelt auch Burckhardt die beiden Darstellungsprinzipien in den Städten Florenz und Venedig an: Florenz (bei Vasari Stadt des disegno oder der Zeichnung) verkörpere die erzählende Malerei, Venedig (für Vasari Zentrum des colore oder der Farbe) die Heimat der Existenzmalerei. Und wie sein Vorgänger weist Burckhardt den beiden Malweisen ein bestimmtes Verhältnis zu geistigen Dingen zu. Allerdings erweitert er das Spektrum der Kriterien und untersucht bei Kunstwerken nicht nur ihr Verhältnis zur Realität und zum Verstehen wie Vasari, sondern verbindet sie auch mit der Ruhe (nach Winckelmann), der Freiheit, dem Glück, der Poesie oder dem Pathos.
Beim Nachzeichnen dieser dualistischen Kunstgeschichte, die in Burckhardts Schriften immer im Hintergrund bleibt und wohl auch deshalb wenig Aufmerksamkeit auf sich zog, entdeckte der Autor die zentrale Bedeutung des Begriffs Leben für Burckhardts kunsthistorische Darstellung.
Nach Untersuchungen zur literarischen Gattung von Burckhardts kunsthistorischen Texten und zu ihren der (musealen) Seherfahrung oder der Literatur entnommenen Voraussetzungen beleuchtet Wittwer Burckhardts Urteile über drei Maler des venezianischen Existenzbildes: Giovanni Bellini, Giorgione und Tizian. Der Leser kann hier mitverfolgen, wie sich Burckhardts Einschätzungen aufgrund seiner unermüdlichen Forschungstätigkeit gewandelt haben, und er erhält einen Hinweis auf eine mögliche Anregung zur prinzipiellen Unterscheidung von erzählender Malerei und Existenzmalerei durch einen Briefwechsel der Hochrenaissance.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.02.2005

Recht angetan zeigt sich Rezensent Axel Christoph Gampp von Hans-Peter Wittwers Versuch, den roten Faden in Jacob Burckhardts nicht gerade systematisch gegliedertem Gesamtwerk aufzuspüren. Wittwer folge der Idee von Zentralbegriffen, Begriffen, die sich einerseits durch ihrer Offenheit, andererseits durch ihre spezifische Bedeutung auszeichneten, mittels derer er die zugrundeliegende Systematik in Burckhardts aufdecken möchte. In den Termini "Leben" und "Existenzbild" erblicke Witwer zwei derartige Begriffe. Wie Gampp erklärt, wollte Burckhardt mit diesen Begriffen einen Zusammenhang von Ästhetik und Ethik herstellen. Die Malerei sei für Burckhardt nämlich dort am besten, wo sie aus ihrem ästhetischen Erscheinungsbild heraus eine ethische Dimension gewinne. Diesen Versuch einer ästhetisch begründeten Ethik erachtet Gampp als geradezu "frappant". Er lobt den Autor dafür, dass er sich dieser Ethik in "eleganter Weise" nähere, "ohne sie zu banalisieren. " Alles in allem scheint ihm Wittwer das Denken Burckhardts eher zu rekonstruieren, als nachzuzeichnen. Ob die genannten Begriffe wirklich den Schlüssel für eine Systematik Burckhardts darstellen, lässt Gampp offen. "Der Leser mag sich seine eigene Meinung bilden", resümiert der Rezensent. "Anregend ist dieser Versuch allemal."