Harald Weinrich

Knappe Zeit

Kunst und Ökonomie des befristeten Lebens
Cover: Knappe Zeit
C.H. Beck Verlag, München 2004
ISBN 9783406516603
Gebunden, 272 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Es ist paradox. Die Menschen leben immer länger, und die Zeit wird ihnen immer knapper. Welcher Geist oder Ungeist treibt sie zu solcher Knappheit? Auf diese Frage gibt das neue Buch von Harald Weinrich eine Vielzahl von unterschiedlichen Antworten: aus der Mythologie (Die Zeit frisst ihre Kinder) und der Geschichte (Caesarische Kürze), aus der Philosophie (Seneca: Das Menschenleben ist "lang genug") und der Theologie (Jesus: "Nur noch eine kleine Weile"), aus der Medizin (Hippokrates: "Kurz ist das Leben, lang die Kunst") und der Moralistik (Jean Paul: "Für das Begreifen ist keine Kürze zu kurz"), aus der Ökonomie (Benjamin Franklin: "Zeit ist Geld") und der Politik (Sultan Saladin: "Lass uns zur Sache kommen!"), aus der Literatur (Goethe/Faust "Werd ich zum Augenblicke sagen") und schließlich aus einem erfolgreichen Film (Lola rennt).

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.12.2004

Martin Lüdke hält Harald Weinrich für einen "Vielwisser". Das ist einer, der aus vielen Büchern aller Zeiten Kleinodien zu extrahieren und gegebenen Falls zu schillernden Perlenketten zu arrangieren weiß. Um eine solche handele es sich bei vorliegendem Buch, das prall gefüllt ist mit Geschichten aus Literatur, Kunst und Religion, alle zum Thema: Unsere Zeit ist knapp. Von der Bibel bis zu "Lola rennt". Und in dieser Vielfalt liegt nach Ansicht von Lüdke sowohl der Reiz als auch die Crux dieser Studie: "Ein zusammenhängender Gedankengang lässt sich schwer ausmachen, dafür allerdings eine Fülle von exquisiten Beispielen, überraschenden sprachgeschichtlichen Ableitungen, gelehrten Anmerkungen und Hinweisen und passenden Zitaten von Augustinus bis zu Stefan Zweig." Wir dürfen einen Blick in die Spielkiste eines "Vielwissers" werfen. "Wozu? - Diese Frage dürfen wir uns selbst beantworten."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.11.2004

Sehr schön findet es Rezensent Ludger Heidbrink, dass der emeritierte Romanist Harald Weinrich in diesem Buch den Erkenntnissen, die er ausbreitet, treu bleibt. Er nötigt den Leser keineswegs zur Verschwendung von Lebenszeit, hält seine Beschreibungen selbst recht "knapp", ohne dass sie dadurch weniger "gehaltvoll" würden. Dargestellt werden Theorie und Praxis des Umgangs mit der Zeit durch die Jahrhunderte, von Hippokrates bis zur Gegenwart. Es geht um "Zeitmanagement" bei Alberti und um dem Umgang mit der Sterblichkeit. Die Entfristung durch den Glauben ans ewige Leben führt allerdings, wie Weinrich zeige, zu einem verstärkten "Rechtfertigungsdruck" fürs Leben im Diesseits. Das Buch glänzt durch die "Nacherzählung literarischer und philosophischer Texte", ist, so Heidbrink, - bei aller Kürze - "überaus materialreich und lesenswert".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.11.2004

Recht erfreut zeigt sich Rezensent Martin Meyer von diesem "geistreichem" Buch des Romanisten Harald Weinrich, das Autoren und Stimmen versammelt, die das Thema der Zeit unter dem Aspekt ihrer Kürze behandeln - von Hippokrates und Dante über Lessing, Goethe und Schiller bis zu Balzac, Proust, Heidegger und Blumenberg. Überaus ausführlich und wortreich erzählt Meyer die mehr oder weniger unterschiedlichen Auffassungen über die knappe Zeit nach. Dabei würdigt er Weinrich als "vorzüglichen Kenner" seines Stoffes und als "philosophischen Kopf ohne Anspruch auf allzu enge Explikation dessen, was die Zeit dem Menschen ?ist". Sein Buch biete eine Kulturgeschichte der Wahrnehmung der knappen Zeit, die auch verschiedene Formen und Bedeutungen jener Aufmerksamkeit zu unterscheiden wisse. So handle Weinrich von kurzen und kürzesten Fristen, vom Drama der knappen Zeit, vom Verhältnis zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, von Planung und Termin, von Gnadenfristen, von Ehrenfristen, von Rechtsfristen und von Todesfristen, die - für einmal noch - abgewendet wurden. Angenehm findet Meyer vor allem, dass Weinrich bei seinen Ausführungen nicht allzu sehr auf Heideggers Todes-Pathos setzt, sondern es mit einer "Mischung aus Gelassenheit und Heiterkeit" halte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Als "umfassend und amüsant geschrieben" lobt Rezensentin Hannelore Schlaffer diese Geschichte der knappen Zeit von Harald Weinrich. Durch die Antike hindurch über Aristoteles, Theophrast, Seneca und Dante bis in die Neuzeit zu Alberti und Chesterfield, Hölderlin, Schiller, Goethe und Rilke verfolge der Autor "Kunst und Kritik des befristeten Daseins". Dabei orientiere sich Weinrich an der französischen Mentalitätsgeschichte, an Historikern wie Braudel und Aries. Er versuche sich vom Text zu lösen, die reine Motivgeschichte aufzugeben, technische Entwicklungen zu berücksichtigen und daraus Änderungen des Bewussteins abzuleiten. Um es dem Leser nicht allzu schwer zu machen, wende sich Weinrich nach einer Behandlung von Heideggers Gedanken über das Ende des "Daseins" und die "Je-Meinigkeit" des Todes der Poesie zu, um sein Buch mit Geschichten zu beschließen, in denen Figuren eine Frist gestellt sei. Ein wenig bedauert Schlaffer, dass sich Weinrich nicht ganz sicher zu sein scheint, welche Leser er denn ansprechen will. So dürfe sich einerseits der "gebildete Leser" angesprochen fühlen, andererseits fülle Weiner die Seiten mit "Basics", die Profis wie Schlaffer längst geläufig sind.
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