Hektor Haarkötter

Notizzettel

Denken und Schreiben im 21. Jahrhundert
Cover: Notizzettel
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
ISBN 9783103973303
Gebunden, 592 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Wer den Menschen beim Notieren zusieht, der kann ihnen beim Denken zusehen. Erstmals erzählt Hektor Haarkötter die Kulturgeschichte des Notizzettels von den dunklen Anfängen bis in die unklare Zukunft und formuliert gleichzeitig dessen Theorie. Ob als Knochengerüst der Literatur, als Laborbuch der Naturwissenschaften oder als handgeschriebene Notiz im zeitgeistigen Notizbuch: Der Notizzettel ist Hard- und Software in einem, nicht nur ein Medium des Denkens, sondern vielleicht das Denken selbst. "Notizzettel" schließt eine Lücke, die bisher überhaupt noch niemand vermisst hat, und geht zwei so spektakulären wie spekulativen Hypothesen nach: Medien sind nicht zum Kommunizieren da, und Medien sind auch nicht zum Erinnern da!
Mit auf die Reise durch die schillernde Welt der Notizzettel gehen Leonardo da Vinci, Ludwig Wittgenstein, Astrid Lindgren, Robert Walser, Hans Heberle, Georg Christoph Lichtenberg, Arno Schmidt, Herta Müller, Niklas Luhmann uvm. Die Wahrheit hinter "Zettel's Traum" wird ebenso erzählt wie die Geschichte der Graffiti als "Notizen an der Wand": Der erste "Sprayer" war übrigens ein Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dessen Name heute weitgehend vergessen ist, obwohl er ihn manisch an Wände, Felsen und Mobiliar geschrieben hat. Die Entwicklung des Zettelkastens wird ebenso geschildert wie seine Bedeutung für den Büroalltag des 20. Jahrhunderts. Vor allem geht "Notizzettel" aber der Frage nach, wie sich die Praxis des Notierens und des Schreibens im Übergang zum digitalen Zeitalter verändert hat und welche Auswirkungen das auf das Denken und die Kommunikation hat. Die Bedeutung des Notizzettels für die Kulturgeschichte des Denkens ist nach der Lektüre dieses Buches nicht mehr zu unterschätzen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.03.2022

Der hier rezensierende Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil hat Spaß mit Hektor Haarkötters Buch übers Notieren. Der Autor führt ihn in die verborgenen kreativen Schatzkammern Leonardo da Vincis, Lichtenbergs, Luhmanns und Wittgensteins, analysiert die Quellen und versucht zu verstehen, wie Notieren und Denken korrelieren. Quellen und Theorien, auf die der Kommunikationswissenschaftler dabei zurückgreift, ergeben laut Ortheil eine Kulturgeschichte des Notierens, wie der Rezensent sie noch nicht gelesen hat.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2021

Rezensentin Marlen Hobrack hat viel Freude bei der Lektüre von Hektor Haarkötters "Kulturgeschichte des Notizzettels". So findet sie die (leider etwas penetrant wiederholten) Thesen so simpel wie spannend - etwa, dass Notieren "Denken mit anderen Mitteln" sei, oder dass wir notieren um zu vergessen statt uns zu erinnern -, und auch wie Haarkötter diese Thesen um Anekdoten verschiedener Sich-Verzettler herumbaue, von da Vinci über Francis Bacon bis zu Rappern, gefällt der Kritikerin, auch wenn sie sich ein paar weibliche Beispiele mehr gewünscht hätte. Die wiederholten Hinweise auf die Schizophrenie oder Asperger-Erkrankung einiger Notizschreiber tun hingegen nichts zur Sache, meint Hobrack, und vermutet, dass das kommunikationstheoretische Fachwissen für Laien zu kompliziert, für Experten langweilig sein könnte - trotzdem scheint sie dem Buch insgesamt wohlgesonnen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.06.2021

Das Denken hängt ab von den Medien, die ihm zur Verfügung stehen, und darum ist der Notizzettel in seiner bescheidenen Anmutung ein Gegenstand von gehöriger Tiefe, lernt Rezensentin Claudia Mäder beim Medienwissenschaftler Hektor Haarkötter. Seit der Renaissance gebe es die Institution der Notiz in gehörigem Maße, erläutert sie mit Haarkötter, und redet dann vom Buchdruck, als sei nicht erstmal die Erfindung des Papiers zu reflektieren. Aber wie auch immer: In der Renaissance zeige Haarkötter auf, wie die Notiz die Menschen dazu führe, ihre "eigene Handschrift" zu entwickeln. Die Notiz ist auch eine Denkform, die in ihrer Offenheit vom gedruckten Buch dementiert werde. Erst im Netz finde das Denken laut Haarkötter zu seiner Offenheit zurück, aber er glorifiziere das Netz nicht, das Papier, versichert Mäder, "beibt unschlagbar". Sie bespricht das  voluminöse Buch so eingehend, dass man sicher sein darf: Es ist anregend und lesenswert.