Sasha Marianna Salzmann

Im Menschen muss alles herrlich sein

Roman
Cover: Im Menschen muss alles herrlich sein
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783518430101
Gebunden, 384 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Wie soll man "herrlich" sein in einem Land, in dem Korruption und Unterdrückung herrschen, in dem nur überlebt, wer sich einem restriktiven Regime unterwirft? Wie soll man diese Erfahrung überwinden, wenn darüber nicht gesprochen wird, auch nicht nach der Emigration und nicht einmal mit der eigenen Tochter? "Was sehen sie, wenn sie mit ihren Sowjetaugen durch die Gardinen in den Hof einer ostdeutschen Stadt schauen?", fragt sich Nina, wenn sie an ihre Mutter Tatjana und deren Freundin Lena denkt, die Mitte der neunziger Jahre die Ukraine verließen, in Jena strandeten und dort noch einmal von vorne begannen. Lenas Tochter Edi hat längst aufgehört zu fragen, sie will mit ihrer Herkunft nichts zu tun haben. Bis Lenas fünfzigster Geburtstag die vier Frauen wieder zusammenbringt und sie erkennen müssen, dass sie alle eine Geschichte teilen. In ihrem neuen Roman erzählt Sasha Marianna Salzmann von Umbruchzeiten, von der "Fleischwolf-Zeit" der Perestroika bis ins Deutschland der Gegenwart. Sie erzählt, wie Systeme zerfallen und Menschen vom Sog der Ereignisse mitgerissen werden. Dabei folgt sie vier Lebenswegen und spürt der unauflöslichen Verstrickung der Generationen nach, über Zeiten und Räume hinweg.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.2021

Laut Rezensent Rainer Moritz kann Sasha Marianna Salzmanns zweiter Roman mit ihrem starken Debüt absolut mithalten. Vielleicht wirkt der Text zunächst etwas zugänglicher, weniger riskant, meint Moritz. Dass es sich tatsächlich um die gewachsene Souveränität der Autorin handelt, steht für Moritz fest. Wie Salzmann die Geschichte dreier Frauen aus der Ukraine über fast viereinhalb Jahrzehnte nacherzählt, von den 1970ern bis 2015, scheint dem Rezensenten stark. Poetische Bilder einer Kindheit wechseln laut Moritz mit Eindrücken vom Zerfall der Sowjetunion und vom postsowjetischen Chaos, das eine der Protagonistinnen schließlich nach Deutschland treibt. Salzmanns Erzähllust scheint Moritz allerdings im ersten Teil des Romans größer zu sein als im zweiten, wo Sprünge und Raffungen spürbare Lücken verursachen, wie er findet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.10.2021

Rezensent Dirk Knipphals findet die zweiteilige Struktur von Sasha Marianna Salzmanns neuem Roman spannend. Im ersten Teil geht es um die junge Lena, die den Zerfall der Sowjetunion miterlebt und mit ihrem jüdischen Mann schließlich nach Deutschland auswandert; im zweiten Teil vorrangig um ihre Tochter Edi, die in der Berliner Bohème ihren Weg zu finden versucht und dabei von der Vergangenheit ihrer Mutter eigentlich nichts wissen will. Wie die in sich geschlossene Geschichte des ersten Teils dadurch in ein anderes Licht gerückt wird und unter den "bösen desillusionierten Blicken" der nächsten Generation zu "schillern" beginnt, fasziniert den Rezensenten. Ein Buch über die Abgründe zwischen den Generationen und ihren "story lines", und ein weiterer unter den zuletzt zunehmenden literarischen Versuchen, diese Abgründe zu überwinden, analysiert Knipphals.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.10.2021

Rezensentin Marie Schmidt glaubt, mit Sasha Marianna Salzmann eine der ganz großen Autorinnen der Gegenwart und Zukunft zu lesen. Von der gewissen Hast, dem Modernitäts- und Relevanzdruck in Salzmanns Debüt, ist im neuen Roman nichts mehr zu spüren. An diese Stelle, so Schmidt, sind eine angenehme Selbstsicherheit und Gelassenheit getreten sowie ein ruhiger, "zeitloser" Stil, der Dinge fühlbar macht, statt sie zu erklären - Dinge etwa wie die Folgen von Migration für eine Familie, den Kollaps der Sowjetunion, vor allem aber jene besondere Fremdheit zwischen Müttern und Töchtern, die in unterschiedlichen Welten geboren sind. Für Schmidt ist das in erster Linie nicht Aufklärung, sondern eine Bereicherung der deutschen Literatur. Wer nicht nur fühlen, sondern mehr wissen will, muss selbst nachlesen. Dies, vermutet die begeisterte Rezensentin, ist wohl die "ästhetische Konsequenz" aus einer Haltung, welche Salzmann an anderer Stelle gemeinsam mit Max Czollek als "Desintegration" bezeichnet hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.09.2021

Rezensentin Juliane Liebert trifft sich mit Sasha Marianna Salzmann zum Kaffee in Berlin, um mit der "nichtbinären Dramatikerin" über frühes Boxtraining, Geschlechterzuschreibungen und jüdische Identität zu plaudern. Und natürlich verliert Liebert auch einige, aber doch erstaunlich wenige Worte über Salzmanns zweiten Roman, der einmal mehr von Menschen mit Migrationserfahrungen handelt. So wenig wie die Autorin kriegt die Rezensentin auch deren Roman über vier Frauen aus zwei Generationen zu greifen, was aber nichts Schlechtes bedeutet: Vom "sanften Sound" des Textes getragen gibt sich die Kritikerin dem üppigen "Beschreibungsüberschuss" der Autorin hin, der immer wieder von eindringlichen Bildern unterbrochen werde. Mehr verrät Liebert nicht, man darf aber annehmen, dass ihr der Roman gefallen hat.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 21.09.2021

Rezensentin Maike Albath hat selten jemand so schön vom Schmerz erzählen hören wie Sasha Marianna Salzmann. Ihr  Roman über zwei Generationen von Frauen, die unter den Repressalien der Sowjetunion beziehungsweise unter der Entwurzelung im deutschen Exil leiden überzeugt sie durch ein vielstimmiges Arrangement und eine packende Dramaturgie. Das Mehrfachporträt hat laut Albath poetische Kraft, bietet lebendige Figuren und einen soghaften Rhythmus. Wie die Autorin die unterschwelligen Emotionen ihrer Charaktere aufspürt, findet sie beneidenswert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 14.09.2021

Für Rezensent Carsten Hueck liegt die Stärke von Sasha Marianna Salzmann im sinnlichen Dialog und im atmosphärischen Detail. Davon bietet der Roman um zwei Frauen aus der Sowjetunion und ihre in Deutschland aufgewachsenen Töchter, um die Spannungen und die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen eine Menge, lässt Hueck uns wissen. Schärfe und Empathie prägen die Szenen laut Hueck, und was zu Beginn der Geschichte noch unverständlich erscheint, entfaltet Salzmann mit den Biografien ihrer Protagonistinnen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.09.2021

Rezensentin Judith von Sternburg mag vor allem den ersten Teil von Sasha Marianna Salzmanns Buch über das Leben in der Sowjetunion. Wie hier von der Sprachlosigkeit zwischen den Generationen (auch wenn Salzmann viel vom Dialogeschreiben verstehe, wie Sternburg lobt) und von der Verwirrung der jungen Lena angesichts der politischen Situation in der heutigen Ukraine während der siebziger bis neunziger Jahre erzählt wird, beeindruckt die Rezensentin. Später werden ihr dann die eingeflochtenen privaten Tragödien der Autorin etwas zu dominant und scheinen ihr etwas "banal" verarbeitet - andererseits führe Salzmann auch vor, wie gerade auch das Banale in Vergangenheitskonstruktion eingehe. Ein "sorgfältig gebautes" Buch, das es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat, so von Sternburg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.09.2021

Rezensent Andreas Platthaus sieht in Sasha Marianna Salzmanns Roman einen Kandidaten für den Deutschen Buchpreis. Die Geschichte von vier in Deutschland lebenden Frauen mit russischen bzw. ukrainischen Wurzeln erzählt ihm Salzmann auf eher unkonventionelle Weise, weil der Blick der Protagonistin auf ihre Heimat nicht sentimental ist, wie Platthaus erkennt. Bleibende Eindrücke hinterlässt die Lektüre für ihn, weil er Geschichte als eine "physikalisch bestimmbare" Größe zeigt. Originell findet Platthaus ferner die Multiperspektivität der in Schichten angeordneten weiblichen Blickwinkel. Dennoch bleibt der Text inhaltlich stets gut zugänglich, so Platthaus.
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