Herlinde Pauer-Studer, J. David Velleman

Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin

Der Fall des SS-Richters Konrad Morgen
Cover: Weil ich nun mal ein Gerechtigkeitsfanatiker bin
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518425992
Gebunden, 349 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Man habe "das moralische Recht", dieses Volk "umzubringen", sagte Heinrich Himmler im Oktober 1943 über den millionenfachen Mord an den Juden. "Wir haben aber nicht das Recht", fuhr er fort, "uns auch nur mit einem Pelz, einer Uhr, mit einer Mark oder mit einer Zigarette oder sonst etwas zu bereichern." Tatsächlich hatte Himmler 1939 eine SS-Gerichtsbarkeit geschaffen, die über die "Moral" und die Einhaltung des "Ehrenkodex" der Organisation wachen sollte. Ein solcher SS-Richter war Konrad Morgen (1909-1982). Morgen ermittelte gegen hochrangige Nationalsozialisten, unter anderem gegen Karl Otto Koch, den ehemaligen Kommandanten des Lagers Buchenwald, und gegen Adolf Eichmann, dem er vorwarf, Juwelen unterschlagen zu haben. Sich selbst bezeichnete Morgen als "Gerechtigkeitsfanatiker". Gestützt auf seine Berichte und Briefe aus der Kriegszeit sowie auf seine Aussagen in Nürnberg und beim Frankfurter Auschwitz-Prozess, zeichnen Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman die wichtigsten Stationen in der Karriere des SS-Richters Konrad Morgen nach. Die Biografie dieses ambivalenten Charakters ist zugleich eine Studie in moralischer Komplexität und verdeutlicht die strukturelle Pervertierung von Recht und Moral im "Dritten Reich".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.09.2017

Milos Vec erahnt die Schwierigkeit, eine Lebensgeschichte wie die des SS-Richters Konrad Morgan zu erzählen. Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman machen ihre Arbeit gut, findet er, indem sie Morgans Vita auf lesbare Weise mit elementaren Fragen der Philosophie, des Rechts und der Geschichte in Beziehung setzen. Faszinierend scheint ihm die Verwebung verschiedener Erzählebenen, der Entwicklung des NS-Staates mit Morgans Ermittlerarbeit sowie rechtstheoretischen Fragen. Die ambivalente Haltung Morgans zum NS-Staat und seine eigenwillige moralische Überzeugung werden für Vec deutlich. Bemerkenswert findet Vec die Umsicht der Autoren bei der Behandlung komplexer Fragestellungen zum Recht in einem Unrechtsregime. Den ein oder anderen jüngeren Methodenansatz vermisst Vec zwar, vom Gedankenreichtum des Bandes aber profitiert er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.08.2017

Das Buch von Herlinde Pauer-Studer und J. David Velleman scheint Christiane Liermann die abgründige Ambivalenz eines deutschen Juristenlebens plausibel zu beleuchten. Warum der SS-Richter Konrad Morgen schließlich gegen Gestapo- und Lager-Leiter ermittelte, können ihr die Autoren in ihrer moralischen Fallstudie anhand von Prozessakten sowohl geschichtswissenschaftlich als auch rechtsphilosophisch aufzeigen, indem sie Morgens Anschauungen und Entscheidungen an der Frage nach überzeitlicher Gerechtigkeit messen. Dass die Autoren dabei der Apologie-Falle entgehen, findet Liermann bemerkenswert. Das Bemühen der Autoren um Fairness und Differenzierung scheint ihr beinahe irritierend.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.06.2017

Dieses Buch der Rechtstheoretiker und Moralphilosophen Herlinde Pauer-Studer und J. David Vellemann "erschüttert" viele moralische Gewissheiten über die NS-Zeit, ihre Täter und das Recht der Epoche, versichert Rezensent Gustav Seibt. Ebenso fakten- wie quellenkritisch rekonstruieren die Autoren den Fall um den SS-Richter Konrad Morgan, erzählt der Kritiker, der mit großem Interesse liest, wie Morgan zwar die nationalsozialistischen Rechtsmoralvorstellungen teilte, aber dennoch versuchte, einem persönlichen Ethos zu folgen. Insbesondere nach Ermittlungen in Auschwitz, wo Morgan nicht nur Einblicke in den Mechanismus der Gaskammern erhielt, sondern auch erlebte, wie betrunkene SS-Männer sich an weiblichen Häftlingen vergingen, überkamen den SS-Richter Zweifel, liest Seibt. In Folge versuchte Morgan über die Aufklärung sekundärer Verbrechen auch die seinem Zugriff entzogenen Massenverbrechen zu erreichen, informiert der Rezensent, der zudem erfährt, wie der Richter bis an die "Grenze der Selbstverleugnung" versuchte, Moral in einem nationalsozialistisch definierten Rahmen auszuüben.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.05.2017

Mit großem Interesse hat Rezensent Matthias Arning diese "moralische Fallstudie" um den SS-Richter Konrad Morgen gelesen. Die beiden Philosophen Herlinde Pauer-Studer und David Vellemann arbeiten die Ambivalenz um den Fall des Richters, der ab 1943 Korruptionsfälle in den Konzentrationslagern untersuchte, überzeugend heraus, lobt der Kritiker: Morgen, der einerseits die Ideologie der Nationalsozialisten teilte, andererseits innerhalb seiner Möglichkeiten aber moralisch handelte, entziehe sich der "Kategorie des aktiven NS-Täters und NS-Verbrechers", liest der Rezensent, der dem Buch mit Blick auf die Debatten über das Schicksal von Zwangsarbeitern auch Erkenntnisse für die Gegenwart verdankt.