Inger Christensen

Der Geheimniszustand

und Gedicht vom Tod
Cover: Der Geheimniszustand
Carl Hanser Verlag, München 2000
ISBN 9783446198562
Broschiert, 136 Seiten, 15,24 EUR

Klappentext

Unter dem bei Novalis gefundenen Titel Geheimniszustand legt die Dänin Inger Christensen ihre ars poetica vor. Sie erklärt, warum Gedichte noch immer existieren, was sie von allen anderen sprachlichen Formen unterscheidet und warum sie selbst der Logik überlegen sind.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.07.2000

Die Rezensentin Beatrice von Matt ist sehr angetan den Essays der dänischen Lyrikerin Inger Christensen, in denen es unter anderem um die Eigengesetzlichkeit des Mediums Sprache geht: "Die zufällig anmutende Arbeit des Wortes hat Ähnlichkeit mit der chemischen Arbeit der Zellen", findet sie. Aber auch an anderen Beispielen schaffe Christensen erstaunliche Verknüpfungen zwischen Kunst, Wissenschaft und Lebewesen und wende sich so gegen die Aufspaltung in Kunst und Natur. Von Matt attestiert Christensens Argumentationsweise etwas "ungewohnt Erlösendes" und bezeichnet sie als Nachfahrin der vorsokratischen Philosophen, "welche die Bewegungen der menschlichen Seele und des Kosmos in eins sahen".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.05.2000

Essays der dänischen Schriftstellerin aus den Jahren zwischen 1989 und 1994 sind hier mit ihrem "Gedicht vom Tod" zusammengestellt worden. Das Wort vom "Geheimniszustand" im Titel, so Sibylle Cramer, stammt von Novalis und bezeichnet den Zustand, der auf die Auflösung des begrifflichen Wort-Ding-Verhältnisses folgt, wenn also das zugrundeliegende Geheimnis von Sprache und Besprochenem vom Dichter ausgesprochen werden kann. Dies ist denn auch die Frage, mit der sich die Dänin in ihren Essays beschäftigt, erklärt Cramer: wie ist eine Sprache möglich, in der sich der Sinn, "der schon da ist", selbst ausspricht und nicht erst "gemacht" werden muss? Christensen benenne den Zustand des Dichtens in diesem Sinne als einen der "abwesenden Anwesenheit". Ihre größte Aufmerksamkeit gilt der "Natur", schreibt Cramer, die sie nicht als Opfer der Menschen ideologisiert, sondern als alles uns Umgebendes versteht. Die Rezensentin spricht dabei von einer Identität zwischen Christensens Naturbegriff und dem der Naturwissenschaft; aber es sei die "neue" Naturwissenschaft (Biologie, Physik etc), der die Dichterin ihre Reverenz erweise. Für die Sprache als "Bewusstsein der Welt von sich selbst" findet sie beispielsweise die Analogie mit der Möbiusschleife, in der die Unendlichkeit in einem endlichen Bild darstellbar geworden ist. Den Ausführungen einer Dichterin über Sprache und Bewusstsein zu folgen, gleicht der Mühe, die jeder Laie hat, wenn er das komplexe Projekt eines Experten erfassen soll: nur weil wir sprechen, wissen wir noch nichts über Sprache. Sibylle Kramers Rezension dieser Essays begibt sich allerdings so tief in die Begrifflichkeit von Sprach- und Naturwissenschaft, dass der uneingeweihte Leser abgeschreckt reagieren könnte. Als Trost kommt am Schluss dann Cramers Lob des "Gedichts vom Tod", für das dem Leser die Begegnung mit der Dichterin Inger Christensens versprochen wird; dort führt sie vor, wovon sie spricht: beispielhaft leuchtende Verse zwischen gewichtigem Sinn und Schwerelosigkeit (kunstvoll übertragen, so Cramer, von Hanns Grössel).
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.03.2000

Michael Braun berichtet zunächst so emphatisch vom "leisen Sehnsuchtston" in der Stimme der dänischen Lyrikerin, daß man um seinen Gesundheitszustand fürchten muß. Dann beschreibt er umständlich das poetische Werk der Dichterin, die er als die "formbewußteste und reflektierteste Lyrikerin der europäischen Gegenwartspoesie" bezeichnet. Erst sehr spät wird klar, daß seine Rezension eigentlich einen Essayband Inger Christensens betrifft, der ihre verstreuten und nur schwer zugänglichen theoretischen Arbeiten der letzten Jahre zusammenfasst. Diese Texte erhellen für den Rezensenten noch einmal das Fundament des "romantischen Weltgebäudes" und zentrale Denkfiguren dieser Dichterin, bevor er sich wieder der Interpretation ihrer Lyrik zuwendet.