Ingo Schulze

Peter Holtz

Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst. Roman
Cover: Peter Holtz
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783103972047
Gebunden, 576 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Vom Waisenkind zum Millionär - wie konnte das so schiefgehen? Peter Holtz will das Glück für alle. Schon als Kind praktiziert er die Abschaffung des Geldes, erfindet den Punk aus dem Geist des Arbeiterliedes und bekehrt sich zum Christentum. Als CDU-Mitglied (Ost) kämpft er für eine christlich-kommunistische Demokratie. Doch er wundert sich: Der Lauf der Welt widerspricht aller Logik. Seine Selbstlosigkeit belohnt die Marktwirtschaft mit Reichtum. Hat er sich für das Falsche eingesetzt? Oder für das Richtige, aber auf dem falschen Weg? Und vor allem: Wie wird er das Geld mit Anstand wieder los? 

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2017

Paul Jandl ist enttäuscht von Ingo Schulzes neuem Roman. Die Geschichte um einen "naiven Ost-Schelm" der nach der Wende mit mehr Glück als Verstand zu Wohlstand gelangt, rührt ihn nicht an. Dabei blitzt laut Jandl im Text mitunter auf, was das Buch hätte sein können: eine Parabel über Verstehen und Missverstehen und die Umkehrung autoritärer politischer Verhältnisse im Kopf eines Kindes. Die da aufleuchtende tiefere Wahrheit über die DDR aber enthält Schulze dem Leser vor, meint Jandl. Stattdessen bietet er politische Kalendersprüche, eine steife Konstruktion und eine Sprache, die Jandl ermüdet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.09.2017

Rezensent Gustav Seibt ist froh, dass er sich von dem ein wenig schwerfälligen Beginn dieses Schelmenstücks von Ingo Schulze nicht hat abschrecken lassen. Denn bald nimmt die zwischen 1974 und 1998 spielende Geschichte um den in einem Heim in der DDR aufgewachsenen, sozialismusgläubigen und nach der Wende durch Immobilienvermögen millionenschweren Peter Holtz an Geschwindigkeit auf, verspricht der Kritiker: Amüsiert liest er, wie sich der mit bescheidenen geistigen Fähigkeiten gesegnete Held ganz der Ideologie verschreibt, kritische Freunde anschwärzt und Westbesuche vom Sozialismus überzeugen will, nach der Wende seinen Ost-CDU-Eintritt mit dem christlichen Glauben rechtfertigt und treudoof versucht, seinen sozialistischen Glauben mit den kapitalistischen Vorzügen zu verbinden. Der "sanfte Witz", mit dem Schulze seinen sozialistischen "Homunkulus" schildert, hat dem Kritiker gut gefallen.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 09.09.2017

"Geld allein macht nicht glücklich", ist die simple Botschaft, die Alem Grabovac nach knapp sechshundertseitiger Ingo-Schulze-Lektüre mitnimmt. Überhaupt findet der Rezensent dieses betont kapitalismuskritische Schelmenstück so kitschig wie Gartenzwerge und Disneyland. Warum? Weil Schulze seinen bis an die Schmerzgrenze naiven Helden erst durch alle "Irrungen und Wirrungen" des Sozialismus jagt, ihm in der Engführung von christlichem und kommunistischem Glauben zunächst eine neue Lösung unterjubelt, um ihn schließlich nach kapitalistischen Umwegen noch einmal feststellen lässt, wie böse der Kapitalismus ist, resümiert der Kritiker. Mehr Biederkeit, Langweile und "billige Effekthascherei" geht nicht, schließt der verärgerte Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2017

Ingo Schulzes neuer Roman "Peter Holtz" ist ein "Schelmenstück für unsere Zeit", so Cornelia Geissler. Peter wächst in der DDR in einem Kinderheim auf, nimmt irgendwann aber Reißaus und wird, naiv indoktriniert wie er ist, mit der Welt konfrontiert, der er so unbedarft neugierig begegnet als käme er von einem anderen Stern, resümiert die Rezensentin. Nach der Wende wird aus Peter quasi wider Willen, oder zumindest aus Versehen, ein ziemlich erfolgreicher Kapitalist, der sich die Schultern mit Politikern reibt - die sich unschwer identifizieren lassen, selbst wenn nicht alle unter Klarnamen auftreten, verrät Geissler. Schulz mag einen Schelmenroman geschrieben haben, aber die politischen Seitenhiebe in verschiedenste Richtungen muss man nicht lange suchen, freut sich die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2017

Rezensent Andreas Platthaus kann sich gut vorstellen, welch ein Vergnügen das Schreiben dieses Romans voller humorvoller Dialoge, spielerischer Wendungen und klugem Zynismus bereitet haben muss und wie reizvoll es wohl war, eine Figur wie Peter Holtz zu erfinden und ihr dabei zuzusehen, wie sie sich mit ihrem unerschütterlichem Idealismus und einer herzerweichenden Naivität durch die letzten Jahre der DDR und die ersten des vereinten Deutschland hindurch laviert. Diese Lust überträgt sich eins zu eins auf den Leser, freut sich Platthaus, der am liebsten noch ewig weiter gelesen hätte. Es ist, nach ganz alter Tradition, wieder einmal der Narr, der die Wahrheit ans Licht bringt, so der Rezensent, die Wahrheit oder besser gesagt eine Wahrheit über ein besonderes Stück deutscher Geschichte. Und dies in einer Form, die Literarisierung zulässig macht und in Form des Lustspiels eine distanzierte Perspektive auf die Jahre 1974 bis 1998 erlaubt, lobt der begeisterte Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.09.2017

In Ingo Schulzes Protagonist Peter Holtz erkennt Kritiker Adam Soboczynski den Prototyp des kritischen DDR-Bürgers, der zwar Kritik am Sozialismus üben kann, aber weiß, dass der Kapitalismus die eigentliche Wurzel des Bösen ist. Der recht einfach gestrickte Holtz, so der Rezensent, ist begeisterter Bewohner der DDR, so begeistert, dass er nicht einmal als Stasi-Spitzel arbeiten kann, weil ihm jegliche Doppelzüngigkeit fehlt. Nach dem Mauerfall wird Holtz zufällig reich und davon dick, bleibt aber weiterhin Geisteskind des Sozialismus und erkennt, dass der Mensch durch den Kapitalismus "unglücklich und entfremdet" wird, erfahren wir weiter. Soboczynski findet die Ernsthaftigkeit von Holtz und die einfache Sprache des Ich-Erzählers zwar passend, war jedoch zwischen den 600 Seiten dieses Romans phasenweise gelangweilt und hätte sich außerdem mehr charakterliche Bewegung und Selbstreflexion von der Hauptfigur Holz gewünscht.