Ismail Kadare

Die Schleierkarawane

Erzählungen
Cover: Die Schleierkarawane
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015
ISBN 9783100384195
Gebunden, 208 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Albanischen von Joachim Röhm. Ein kleiner Beamter, der noch nie eine unverschleierte Frau gesehen hat, soll auf Befehl des Sultans eine halbe Million Schleier in die unterworfenen Provinzen auf dem Balkan bringen. Die Schönheit der Frauen, die ihre Gesichter nicht verstecken, erschüttert sein Weltbild, und ein gefährlicher Kummer schleicht sich in sein Herz. In drei Erzählungen wird die grausame Logik totalitärer Macht offenbar, die bis in die kleinsten Winkel des osmanischen Reiches hineinwirkt, ob sie nun die seelischen Regungen des Einzelnen ausspäht, oder gleich die gesamte Elite eines rebellischen Satellitenstaates auslöscht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.2015

Wie sich in den Geschichten Ismail Kadares Schrecken und Heiterkeit, Mythen und Wunder und Historie kreuzen, haut den Rezensenten Wolfgang Schneider um. Zudem, findet er, hat zumindest eine der in diesem Band versammelten Erzählungen aktuelle Bezüge zur Kopftuchdebatte. Es geht um einen Karawanenführer, der mit Schleiern als Fracht unterwegs ist und das Christentum kennenlernt. Für seine daraus resultierenden Zweifel soll er vom Sultan bestraft werden. Vor allem Kadares einfacher Märchenton hat es Schneider angetan. Eine Nüchternheit, die er keineswegs zynisch findet. In Verbindung mit der psychologischen Feinarbeit des Autors sorgt sie beim Rezensenten für Einblicke in zweihundert Jahre albanischer Geschichte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.06.2015

Als Mutterland der Revolte lernt Karl-Markus Gauß Albanien bei Ismail Kadare kennen. In den erstmals 1987 auf Deutsch erschienenen, nun neu übersetzten Erzählungen begegnet Kadare dem Rezensenten wiederum als bedeutender Erzähler. Wenn der Autor von der Osmanenherrschaft erzählt, von der Auflehnung der Albanen und ihrem Land zwischen Europa und Orient, sieht Gauß ein aktuelles Thema verhandelt. Dass Kadare packend erzählt, Konflikte aufzubauen und verschärfen und einen heiklen Stoff nüchtern und realistisch und zugleich nach Art einer Parabel zu fassen weiß, dafür sind die hier versammelten Texte, allen voran die Titelgeschichte, für den Rezensenten ein schöner Beweis.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.05.2015

Mit einer ausgiebigen Besprechung würdigt Rezensent Andreas Breitenstein die bereits dreißig Jahre alten, nun vorbildlich neu übersetzten osmanischen Erzählungen "Die Schleierkarawane" Ismail Kadares. Noch immer frisch erscheinen Breitenstein die Geschichten, die vom Schicksal Albaniens unter der osmanischen Herrschaft bis 1912 erzählen: Wort- und bildgewaltig, historisch lehrreich, ebenso tragisch wie "abgründig-komisch" und nicht zuletzt spannend gelinge es Kadare, vom Surrealen und Dämonischen kommunistischer Systeme zu schreiben, schwärmt der Kritiker, der dem Autor Einzigartigkeit attestiert. Allein die im 15. Jahrhundert spielende Titelgeschichte über ein Dekret zur Verhüllung der Frauen auf dem neu eroberten Balkan, hat laut Breitenstein nichts an Aktualität eingebüßt. Gäbe es nicht gewisse politische Widrigkeiten im Leben des Autors, etwa seine unkommentierte Nähe zum Diktator Enver Hoxha, hätte er den Nobelpreis verdient, meint der Rezensent.