Jan Koneffke

Paul Schatz im Uhrenkasten

Cover: Paul Schatz im Uhrenkasten
DuMont Verlag, Köln 2000
ISBN 9783770152193
Gebunden, 276 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Kein kleiner Herr Niemand will Paul Schatz aus dem Berliner Scheunenviertel sein. Keinen Vater will er haben, der ein galizischer Schildermaler und Jude ist und die Frauen betört. Aber den Großvater himmelt Paul Schatz an. Der schwingt seinen Schlangenknopfstock, ist Antisemit, Logenmeister und besitzt eine Sammlung von zweihundertdreißig historischen Uhren - von magischer Kraft. Der Großvater stirbt am Tag der Machtergreifung Hitlers. Paul stellt sich Karl Haueisens Loge als eine Kammer im Erdinnern vor, vollgestopft mit Uhren. Und wenn der Logenmeister einen Zeiger verstellt, lenkt er das Weltgeschehen in andere Bahnen. Die Verfolgung der Juden im Scheunenviertel verhindert der Großvater freilich nicht. Und während Paul Unterschlupf bei seinem Onkel in Quedlinburg findet, verblasst das Idol des Logenmeisters. Karl Haueisen hat ein Verbrechen begangen, von dem Paul erst nach Kriegsende erfahren wird. Er, der das Grab des Großvaters aufsucht, um es zu zerstören, muss feststellen, dass andere das Handwerk der Vernichtung besser beherrschen als ein kleiner Herr Niemand.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.01.2001

Claus-Ulrich Bielefeld wirkt etwas verärgert angesichts der idyllischen Schilderungen aus dem Berliner Scheunenviertel der Nazi- und Nachkriegszeit. Zwar lobt er die "gut ausgemalte Kulisse" des Romans und gibt zu, dass der Autor "gefällig und unterhaltsam" erzählt, doch genau hier sieht er auch das Problematische des Buches. Koneffke gewinnt jeder Situation noch etwas Gutes ab und kommt von seinem "milden Legendenton" einfach nicht los, moniert der Rezensent. Was ihm in diesem Roman fehlt, ist der dem Geschehen angemessene Schrecken und das Grauen. Und so ist aus dem Protagonisten, dessen Außenseiterrolle ihn zur "interessanten Figur" hätte machen können, doch nur ein "Idylliker" geworden, der von der guten alten Zeit erzählt, befindet der Rezensent enttäuscht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.12.2000

Als eine "außergewöhnliche und auch komische, lebendig erzählte Biographie" stellt uns Ulrich Rüdenauer das vierte Buch von Jan Koneffke vor. Nach dem, was in seiner Besprechung zu "Paul Schatz im Uhrenkasten" zu lesen ist, ist es mehr als das, denn die märchenhaften und skurrilen Züge dieses Buches sind hier unübersehbar. Rüdenauer gibt zum Verständnis ein knappes biographisches Gerüst des Protagonisten: Paul ist der Sohn eines jüdischen Schildermalers und einer nichtjüdischen Mutter, die er im Alter von sechs Jahren verliert, was dazu führt, dass er von da an bei seiner strengen Tante und seinem noch strengeren Großvater im Berliner Scheunenviertel aufwachsen muss. Der Großvater, ein Antisemit, stirbt "genau an dem Tag, als Hindenburg Hitler zum Reichkanzler ernennt. Um Paul herum geht alles seinen nationalsozialistischen (Unter)Gang", fasst Rüdenauer zusammen. Doch der Großvater, "ein gefürchteter Gott", ist für den Jungen nicht wirklich tot, er "dreht und wendet die Weltläufe" von seinem Standort aus. Auch die Mutter, "ein entrückter Engel", ist für Paul nach wie vor präsent. Er selbst befindet sich zwischen diesen beiden Polen, "bewusstlos", wie der Rezensent seinen Zustand charakterisiert, "die Dinge geschehen ihm". Rüdenauer lobt die Genauigkeit und Stimmigkeit dieses Romans und die Romankonstruktion, in der sich das Verwirrende und Ungeheuerliche in Paul Lebenswelt widerspiegeln. Deshalb finde man hier keine zeitliche Chronologie, sondern "erzählerische Sprünge quer durch Gefühlsschichten und Zeitebenen", die den Roman, wie der Rezensent abschließend betont, lebendiger machen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.12.2000

So richtig zufrieden ist die Rezensentin Beatrice von Matt nicht mit Jan Koneffkes neuem Roman "Paul Schatz im Uhrenkasten", den sie als "Heimatroman um`s Scheunenviertel" bezeichnet. Und das, obwohl sie den Stil des Erzählers eigentlich schätzt. Sie lässt Zweifel daran durchklingen, dass ein 1960 geborener Autor über den Holocaust schreiben kann - obwohl sie ihre Kritik an dem Roman eher an historischen als an künstlerischen Mängeln festmacht. Als "etwas putzig, folkloristisch" bezeichnet sie die Beschreibung jüdischen Lebens und bemängelt, dass "das Sprachgeklingel, die Unmenge artistischer Klangvariationen und Wortwiederholungen, ermüdend wirkt". Trotz ihrer grundsätzlichen Kritik gesteht sie dem Roman einige erhellende Momente zu, in denen "der Autor seine Gestaltungskraft wiederentdeckt". Das ändert aber nichts an der eher reservierten Gesamtbilanz: Koneffke bleibt "diesmal trotz geglückten Einzelheiten in einer kurzatmigen Virtuosität gefangen"

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.09.2000

Mit zunehmender Begeisterung bespricht Gerrit Bartels Konneffkes Roman, den er in eine Reihe mit den jüngst erschienen Büchern von Kumpfmüller und Beyer stellt, da sie allesamt Zeitgeschichte aufarbeiten und darin auch ein großes Kapitel DDR-Geschichte enthalten ist. Aber anders als die Bücher der beiden genannten Autoren findet Bartels den Roman von Koneffke: direkter, anrührender. Dennoch hatte der Rezensent Mühe sich einzufinden: der Anfang besteht nur aus Fragen, die Erinnerung an die Kindheit des Erzählers im Berliner Scheunenviertel stellt sich nur bruchstückhaft ein. Im zweiten Teil installiert der Autor einen zweiten Ich-Erzähler, berichtet Bartels, der die DDR-Zeit in einen Spannungsbogen rafft. Gerrit Bartels vergleicht den Roman mit einem Uhrwerk: eine komplizierte Innenkonstruktion in einem reibungslos funktionierenden Gehäuse. Die Fragen vom Anfang, meint Bartels, hätten sich alle von alleine beantwortet. Und alle sind sie aufgegangen.
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