Josef Früchtl

Das unverschämte Ich

Eine Heldengeschichte der Moderne
Cover: Das unverschämte Ich
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518292938
Kartoniert, 421 Seiten, 14,50 EUR

Klappentext

Über die Moderne nachdenken heißt über das Ich nachdenken. Über das Ich nachdenken heißt, seine Geschichte zu rekonstruieren. Sie verläuft, so die Generalthese des Buches, auf drei sich überlagernden Ebenen und macht das Ich zum hochambivalenten, männlich geprägten Helden der Moderne. Dies nachzuweisen ist allerdings nicht nur ein philosophisches, sondern auch ein kulturhistorisches Unternehmen. Für letzteres bietet sich hier der Bereich des Films an. Der Bogen der Betrachtung spannt sich philosophisch zunächst von der klassischen, sich selbst begründenden Moderne über die romantische, agonale Moderne bis zur hybriden Moderne. Kulturell gespiegelt finden sich diese drei Traditionsstränge in den Filmgenres des Western, des Verbrecherfilms und des Science-fiction-Films. Die Moderne erweist sich so als Kampf des (männlichen) Ich mit und gegen sich selbst, und der Diskurs der Moderne erhält eine essentiell romantische Dimension.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2004

Das Ich, ein Opfer der Psychologie und Philosophie des 20. Jahrhunderts, ist wieder da, eröffnet Manfred Schneider. Das heißt - eigentlich komme auch der Münsteraner Philosoph Joseph Früchtl nicht umhin, es gleich wieder unter die Erde zu bringen - "aber aus diesem Ichgrab tauchen unablässig Darsteller, Parodien, Gespenster, Zombies dieses Helden wieder auf". Und agieren auf der Leinwand im Kino an der Ecke. Früchtls Projekt ist demnach eine Erfassung der Moderne als kulturelles Terrain der Heldendarsteller (denn echte Helden gebe es ja nicht mehr), wobei er drei Grundtypen behandelt - den Westernhelden, den Verbrecher und den künstlichen Menschen - und Filmgeschichte parallel zur Philosophiegeschichte führt: Howard Hawks und Hegel, Tarantino und Rorty, "Matrix" und Nietzsche. Und nach Ansicht des Rezensenten geht das gut. Das Buch, schreibt er, "ist schwungvoll und intelligent, es durchläuft zügig und prägnant formulierend das Panorama der Gegenwartsphilosophie, um dann im Kino, dem ebenso liebevolle wie brillante Analysen gewidmet werden, immer wieder zur Ruhe zu kommen". Kritisch bemerkt er, das auch Früchtl die Rolle der Technik bei der Erfindung der Moderne übersehe - gerade für einen Denker, der die Philosophie der Kulturwissenschaft öffnen will, sei das ein Versäumnis. Aber einen ersten Schritt zur notwendigen Verbindung von Philosophie und Mediengeschichte habe er allemal geleistet. Und das mit einer durchaus unterhaltsamen Studie.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.09.2004

Andrea Gnam berichtet von einem recht ungewöhnlichen Unterfangen, hat doch Josef Früchtl in seinem Buch versucht, Philosophiegeschichte und Westernfilme unter einen Hut zu bringen. Ihr Fazit: Ein Westernfan wird sich nach Lektüre des Buches nicht unbedingt für ein Philosophiestudium einschreiben, umgekehrt könnte der philosophisch Bewanderte das Westerngenre mit etwas mehr Zuneigung betrachten. Gnam findet Früchtls Untersuchung sehr aufschlussreich: er skizziere eine Geschichte der Individualität in der Moderne, wobei die Moderne bei Früchtl ein sehr weit gefasster Begriff sei. Was der Roman als Spiegel gesellschaftlichen und individuellen Empfindens für das 19. Jahrhundert war, leistete gemäß Früchtl der Western für das 20. Jahrhundert, fasst Gnam zusammen. Der Western aber handele laut Früchtl ein Konzept der Individualität ab, in dem es keine letzten Gewissheiten mehr gebe, Individualität müsse sich vielmehr "in einem diskursiven Akt stets von neuem begründen". Hier kann Gnam dem Autor nicht mehr folgen, für sie sprechen die Colts eine sehr klare Sprache und führen nicht unbedingt einen Diskurs. Dennoch schlägt Früchtl "schöne kühne Bögen" zwischen Philosophiegeschichte und Kulturwissenschaften, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.08.2004

Gustav Falke wünschte sich, Josef Früchtl hätte sein "Steckenpferd" in den eigenen vier Wänden geritten und nicht zum "geschichtsphilosophischen Kampfelefanten" aufgerüstet. Arena des dem Rezensenten zufolge unwürdigen und gänzlich fehlgeschlagenen Versuches ist die Filmgeschichte, die hier als bloßer Spiegel der nachbürgerlichen Philosophie, genauer der Subjektphilosophie, noch genauer ihrer gegenwärtig drei prominentesten Richtungen. Früchtls These, dem Rezensenten zufolge: Der Western mit seinem einsamen Wolf entspricht dem Ansatz von Taylor und Rorty (Glück und Gerechtigkeit sind unvereinbar), der Krimi dem Habermas?schen, und der film noir, in seiner "Überwindung der Identitätszwänge", spiegelt Foucault. Was aber dem Rezensenten wirklich verärgert hat, ist Früchtls Behandlung von Film als bloßem Ausdruck (er zeige nämlich auch die Welt und stelle "Handlungen zur Diskussion") und seine Ignoranz des Kanons des Filmes als Kunst (Eisenstein, Godard, usw.) "Dabei sucht er doch in der Kunst das Selbstbewusstsein ihrer Zeit. Wo sollte das zu finden zu sein, wenn nicht in den avanciertesten Werken?" Stattdessen: die Verwechslung von "Gesellschaft" mit "Masse".
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