Judith Schalansky

Verzeichnis einiger Verluste

Cover: Verzeichnis einiger Verluste
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428245
Gebunden, 252 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Die Weltgeschichte ist voller Dinge, die verloren sind - mutwillig zerstört oder im Lauf der Zeit abhandengekommen. In ihrem neuen Buch widmet sich Judith Schalansky dem, was das Verlorene hinterlässt: verhallte Echos und verwischte Spuren, Gerüchte und Legenden, Auslassungszeichen und Phantomschmerzen. Ausgehend von verlorengegangenen Natur- und Kunstgegenständen wie den Liedern der Sappho, dem abgerissenen Palast der Republik, einer ausgestorbenen Tigerart oder einer im Pazifik versunkenen Insel, entwirft sie ein naturgemäß unvollständiges Verzeichnis des Verschollenen und Verschwundenen, das seine erzählerische Kraft dort entfaltet, wo die herkömmliche Überlieferung versagt. Die Protagonisten dieser Geschichten sind Figuren im Abseits, die gegen die Vergänglichkeit ankämpfen: ein alter Mann, der das Wissen der Menschheit in seinem Tessiner Garten hortet, ein Ruinenmaler, der die Vergangenheit erschafft, wie sie niemals war, die gealterte Greta Garbo, die durch Manhattan streift und sich fragt, wann genau sie wohl gestorben sein mag, und die Schriftstellerin Schalansky, die in den Leerstellen ihrer eigenen Kindheit die Geschichtslosigkeit der DDR aufspürt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 01.03.2019

Rezensentin Judith von Sternburg bewundert das neue Buchkunstwerk der Autorin und Herausgeberin Judith Schalansky. Von Verlusten, etwa des Kaspischen Tigers, untergegangenen Inseln, Ruinen oder Caspar David Friedrichs 1931 verbranntem Werk "Hafen von Greifswald bei Sonnenuntergang" erzählt ihr Schalansky eingeleitet von enzyklopädischen Texten, knapp, reflektions- und assoziationsreich, dabei stets "sprachlich virtuos". Wie die Autorin es schafft, Sprünge von Friedrich Murnaus verschollenem Film "Der Knabe in Blau" hin zu einer durch Manhattan irrenden Greta Garbo zu machen, hat die Rezensentin ebenso beeindruckt wie die prächtige, schwarze Bebilderung, die dem Betrachter allerdings einige Konzentration abverlange, wie sie hinzufügt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.01.2019

Andrea Köhler erkennt mit Judith Schalanskys melancholisch gefärbtem Buch, dass Leben vor allem Einübung in den Verlust ist. Wie die Autorin Historisches und Persönliches ineinander spiegelt, wenn sie stilistisch höchst variabel, gedanklich tief verschwundenen Phänomenen nachspürt, findet Köhler bemerkenswert, vergnüglich und bisweilen sehr poetisch. Ob es um den Kaspischen Tiger geht oder das Einhorn, um Ungeschriebenes oder ein versunkenes Südseeatoll, meint Köhler, stets hält sich die Autorin vom Nostalgischen fern und bewahrt das Beschworene im Zwischenreich des Archivs.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.12.2018

Juliane Liebert ist froh, dass sich Judith Schalansky in ihrem Buch nicht zu Sentimentalitäten hinreißen lässt, sondern die Verluste von Atollen, Bauwerken, Filmen und Gedichten wenngleich im altmodisch beschwörenden Erzählerton Thomas Manns, aber doch ohne eskapistische Grundhaltung, sondern klar und nach Verständnis trachtend festhält. Die so entstehende Wunderkammer des Abwesenden scheint Liebert unkitschig und fern von romantischer Beliebigkeit, dafür genau in der Denkbewegung und bei den historischen Belegen. Reibungsfläche bieten die Texte auch, meint sie.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.12.2018

Rezensentin Eva Behrendt vergleicht Judith Schalanskys mit dem Wilhelm-Raabe-Preis geehrtes Buch "Verzeichnis einiger Verluste" mit einer Villa voller faszinierender unterschiedlicher Zimmer: Auch wenn die einzelnen Kapitel des, wie die Rezensentin findet, kunstvoll gestalteten Prosabandes immer die Beschreibung eines verlorenen Gegenstandes oder einer Person erwarten lassen - etwa zu Armand Schulthess' berühmtem enzyklopädischen Haus, der versunkenen Insel Tuanaki oder einem Gemälde von Caspar David Friedrich -, entzündet Schalansky an ihnen letztlich nur ihre Vielfalt unterschiedlichster Stücke herrlicher Literatur, schwärmt Behrend. Das Ergebnis hält sie für bildungssatt, abwechslungsreich und eindrucksvoll; vielleicht ist es sogar "die poetologische Summe ihres bisherigen Werkes", überlegt die beeindruckte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.11.2018

Jörg Magenau ist ganz gerührt, führt ihn Judith Schalansky in ihrem Buch doch durch ein Panoptikum der verschwundenen Dinge. Übers Verlorengehen und den Möglichkeitsraum der Vergangenheit kommt der Rezensent darüber ins Grübeln und bemerkt staunend das Zauberhafte an diesem disparaten, originellen und spielerischen Buch. Ob Schalansky untergegangene Südseeinseln, Flugzeuge oder das Einhorn betrauert, die Ordnung im Buch sorgt laut Rezensent für Orientierung, wenngleich Kapitel als Essay, Erzählung oder Fantasie daherkommen können, dicht am Gegenstand oder frei darüber improvisierend. Als Grenzgängerin zwischen Kunst und Wissenschaft überzeugt Magenau die Autorin auch durch ihre Wortwahl und Benennungslust, die nie im Dienst billigen Wissens steht, wie er versichert.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 10.11.2018

Richard Kämmerlings kommt aus dem Staunen kaum mehr heraus, so sehr haben den Rezensenten die zwölf Verlustbeschreibungen, die Judith Schalansky in ihrem neuen Buch versammelt hat, fasziniert. Ob sie über den ausgestorbenen Kaspischen Tiger, ein zerstörtes Gemälde von Caspar David Friedrich, die sieben verschwundenen Bücher des Mani oder ein abgebranntes Gutshaus aus ihrer Heimatsstadt schreibt, ihre Gedenkerzählungen haben Kämmerlings immer aufs Neue auf unerwartetes Terrain geführt. Dass Schalansky sich dabei einer Sprache bedient, die der Rezensent äußerst kunstvoll findet, macht den Band für Kämmerlings selbst zu einem Rettungsversuch "eines ebenfalls vom Aussterben bedrohten sprachlichen Repertoires". Nur auf das Vorwort hätte Kämmerlings verzichten können, denn Schalanskys brillante Short Stories sprechen gut genug für sich selbst, versichert der Rezensent: Dank Schalansky werden laut ihm "die Verluste der Realität zum Triumph der Imagination".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2018

Dass dieses Buch schon vor Erscheinen mit dem Wilhelm-Raabe-Preis, einem der renommiertesten Literaturpreise Deutschlands, bedacht wird, erscheint dem geradezu feierlich gestimmten Rezensenten Andreas Platthaus mehr als angemessen. Es ist für ihn in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert, ja atemberaubend. Gestalterisch sowieso - dass Schalansky Buchgestalterin, spielt bis ins Innerste ihrer Texte hinein eine wichtige Rolle, so Platthaus. Etwa durch die Grenzen, die sie sich setzt: Jede der Erzählungen hier ist 16 Seiten lang. Mit Vorwort und allem Drum und Dran, sind genau 16 Texte zu verzeichnen. Gleichzeitig schillern die Texte zwischen Betrachtung, Essay - und, ja, Erzählung, denn das ist der Gattungstitel, für den sich Platthaus bei diesen Texten entscheidet. Und immer geht es um Verlorenes, ein verbranntes Gemälde Caspar David Friedrichs, ein Atoll am Äquator, den Palast der Republik. Für Platthaus ist dies sicherlich eine der wichtigsten literarischen Neuerscheinungen des Jahres.
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