Leila Slimani

Das Land der Anderen

Roman
Cover: Das Land der Anderen
Luchterhand Literaturverlag, München 2021
ISBN 9783630876467
Gebunden, 384 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Mathilde, eine junge Elsässerin, verliebt sich am Ende des Zweiten Weltkriegs in Amine Belhaj, einen marokkanischen Offizier im Dienst der französischen Armee. Die beiden heiraten und lassen sich in der Nähe von Meknès nieder, am Fuß des Atlas-Gebirges, auf einem abgelegenen Hof, den Amine von seinem Vater geerbt hat. Während er versucht, dem steinigen Boden einen kargen Ertrag abzutrotzen, zieht Mathilde die beiden Kinder groß. Voller Freiheitsdrang hatte sie den Aufbruch in ein neues, unbekanntes Leben gewagt und muss doch bald ernüchternde Erfahrungen machen: den alltäglichen Rassismus der französischen Kolonialgesellschaft, in der eine Ehe zwischen einem Araber und einer Französin nicht vorgesehen ist, die patriarchalischen Traditionen der Einheimischen, das Unverständnis des eigenen Mannes. Aber Mathilde gibt nicht auf. Sie kämpft um Anerkennung und ihr Leben im Land der Anderen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.06.2021

Von Erfahrungen in und mit anderen Kulturen erzählen viele zeitgenössische Romane, meint Rezensent Stefan Michalzik, ungewöhnlich an Leila Slimanis Roman aber ist unter anderem die Richtung der Auswanderungsbewegung: Ihr neuer Roman spielt in den Vierzigern, eine junge, lebenshungrige Französin namens Mathilde zieht frisch verheiratet mit ihrem Ehemann, einem marokkanischen Offizier in das sogenannte französische "Protektorat". Schnell stellt sie fest, dass sie auch hier nicht von jenen "häuslichen Pflichten" befreit sein wird, vor denen sie geflohen ist. Mehr noch: Ihr Mann stellt sich bald als regelrechter Patriarch heraus, das Leben auf dem Land in Marokko ist härter als gedacht, zudem haben die beiden sowohl in Frankreich als auch in der neuen Heimat zunehmend mit rassistischer Diskriminierung zu kämpfen - umso stärker, je mehr sich die Auseinandersetzungen mit den Besatzern aufgrund der Unabhängigkeitsbestrebungen häufen, resümiert Michalzik. Slimani erzählt davon schlicht, diskret und mit aller gebotener Differenziertheit. Das Gesellschaftliche verwebt sie geschickt und leichthändig mit dem Persönlichen, so Michalzik. Ein Roman, der gerade in seiner Nüchternheit "fulminant" wirkt, schließt der angetane Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.06.2021

Rezensentin Nora Karches liest Leila Slimanis neuen Roman mit Gewinn. Auch wenn der Text ihr fast "zu glatt" erscheint und sie der Protagonistin nicht wirklich nahe kommt, findet sie ihn wichtig. Slimanis zur Zeit des marokkanischen Unabhängigkeitskampfes spielende Familiengeschichte über ihre Großeltern, sie Französin, er Marokkaner, ist für Karches ein multiperspektivisches historisches Fresko, das trotz großer Unterschiede zu Slimanis Texten über die Pariser Bourgeoisie laut Rezensentin sich wiederum mit Machtverhältnissen auseinandersetzt. Wie die Großmutter in Marokko mit eigenen kolonialen Denkmuster kämpft, beschreibt die Autorin laut Karches ohne Schwarz-Weiß-Malerei und pädagogischen Eifer.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 29.05.2021

Rezensentin Sigrid Brinkmann erfährt in Leila Slimanis Roman eine Menge über die Funktionsweisen von Herabsetzung und Hass. Der erste Band von Slimanis Trilogie über die Geschichte Marokkos von 1945 bis 2015 führt Brinkmann ins erste Nachkriegsjahrzehnt und zu den Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes. Wie die Autorin die Historie mit der Entwicklung eines "gemischten" Paares verknüpft, mit alltäglichen Erfahrungen kultureller Differenz und Assimilation, findet Brinkmann klug und feinsinnig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.05.2021

Rezensentin Birthe Mühlhoff findet Gefallen an Leïla Slimanis neuem Roman. Die französisch-marokkanische Bestsellerautorin erzählt hier (angelehnt an die Geschichte ihrer Großeltern, aber das ist Mühlhoff zufolge nicht wichtig) vom Marokkaner Amine und seiner Frau Mathilde aus dem Elsass, die während der Unabhängigkeitsbewegung in Marokko ab 1953 zwischen den Stühlen stehen. Dass dabei wenig passiert (ohne dass die Plotlosigkeit jedoch zum Programm erhoben würde), stört für die Rezensentin nicht die Spannung, die sich aus Slimanis nüchterner Schilderung verschiedener Perspektiven ergebe, hervorragend übersetzt von Amelie Thoma, so Mühlhoff. Auch die Frage, wer hier eigentlich "die Anderen" sind - die Marokkaner, die französischen Siedler, oder vielleicht die Männer? - findet die Kritikerin interessant. Ein außergewöhnlich "freier" und "fast unheimlich eleganter" Roman, schließt sie.
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