Luce D'Eramo

Der Umweg

Cover: Der Umweg
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2018
ISBN 9783608981384
Gebunden, 480 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Linde Birk. Sie ist achtzehn Jahre alt, begeisterte Faschistin und kann die Nachrichten von Konzentrationslagern im nationalsozialistischen Deutschland nicht glauben. Also macht sich Luce d'Eramo im Jahr 1944 nach Deutschland auf. Ihre Reise führt sie durch Arbeits- und Konzentrationslager, durch ein zerbombtes und auch innerlich zerrüttetes Land. Am Ende verliert sie ihre körperliche Unversehrtheit, aber auch die Illusionen über eine zerstörerische Ideologie. Luce d'Eramos Vater war Staatssekretär in der Mussolini-Republik von Salò, und sie selber bewunderte schon als Jugendliche den deutschen Nationalsozialismus aus der Ferne. Um sich von der Unwahrheit der düsteren Geschichten aus dem Dritten Reich überzeugen zu können, meldet sie sich freiwillig in die Hölle: Sie wird Fremdarbeiterin der IG Farben in Frankfurt-Höchst, wo sie mit ausgehungerten Kriegsgefangenen und Deportierten den Nazis doch noch zum Sieg verhelfen will. Doch schon bald ist sie schockiert von den schlechten Arbeitsbedingungen. Sie organisiert Streiks und beendet ihren Widerstand auch dann nicht, als sie nach Italien zurückgeschickt wird. Dort wird sie schließlich von der SS aufgegriffen und ins Konzentrationslager Dachau deprotiert. Dem Lager kann sie zwar bei einem Arbeitseinsatz in den Abwasserkanälen Münchens entfliehen, doch als "Illegale" irrt sie von nun an durchs zerstörte Deutschland. Im Frühjahr 1945 wird Luce d'Eramo bei dem Versuch, Verschüttete aus einem zerbombten Haus in Mainz zu retten, schwer verletzt. Nach dem Krieg zählt Luce d'Eramo zu den wichtigsten italienischen Intellektuellen im Umfeld von Dacia Maraini und Alberto Moravia.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.12.2018

Dieses Buch der italienischen Schriftstellerin Luce d'Eramo sperrt sich gegen alle Kategorien und Erwartungen, die man an die Literatur der Lager richten könnte, bereitet uns Niklas Bender auf eine verstörende wie faszinierende Lektüre vor: Luce d'Eramo ging 1944 als Tochter aus faschistischem Hause freiwillig nach Deutschland, wo sie in der Realität einer I.G.Farben-Fabrik hart landete, einen Streik organisiert und nach Italien zurückgeschickt wurde. Von dort kehrt sie zurück nach Deutschland, provoziert die SS und wird in Dachau ins Konzentrationslager gesperrt, dessen verbrecherischen Alltag aus "Gewalt, Denunziation und Perversion" sie an Körper und Seele schwer beschädigt überlebt. Doch diese Ereignisse erzählt d'Eramo nicht chronologisch, erklärt Bender, sondern in der Reihenfolge, wie sie sich über sie Klarheit verschaffte: Auf die ereignisreichen Berichte folgt die skrupulöse Innenschau. Bender kann über diese Kombination aus "Spontaneität und Reflexion" nur staunen, die schonungslose Selbstanalyse erinnert ihn an Sartres "Die Wörter", und so weiß er zu schätzen, dass "Der Umweg" wieder in Deutschland verlegt wird.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.09.2018

Rezensentin Katrin Hillgruber lädt ein zur Wiederentdeckung des erstmals im italienischen Original 1979 erschienenen Lebensberichts der exzentrischen Funktionärstochter und jungfaschistischen Querulantin Luce d'Eramo. Was die Autorin hier zu einem "labyrinthischen" Roman kompiliert, ist für Hillruber zwar nicht immer leicht zu lesen, wuchtig und als Zeitzeugnis bemerkenswert aber erscheinen der Rezensentin sowohl die Einblicke in den nationalsozialistischen Alltag in einem Arbeitslager der IG-Farben, als auch die Beschreibungen des Selbsthasses der bürgerlichen Autorin, die laut Hillgruber an das "Gleichheitsversprechen des Duce" glaubte. Ein Solitär in der Holocaust-Literatur, meint die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.07.2018

Fasziniert hat Rezensent Marc Reichwein die Erinnerungen der italienischen Autorin Luce D'Eramo gelesen, die ihm in diesem bereits 1979 erstmals veröffentlichten Roman von ihrem Weg von der glühenden Faschistin zur NS-Verfolgten und KZ-Überlebenden erzählt. Gebannt folgt der Kritiker den sich nur zwischen Februar 1944 und Februar 1945 abspielenden Stationen, liest, wie sich D'Eramo begeistert vom nationalsozialistischen Deutschland bei der IG-Farben bewirbt, bald entsetzt von den Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter einen Streik anzettelt, im KZ Dachau landet, flieht, mit wechselnden Identitäten durch Deutschland irrt und durch einen Bombenangriff in Mainz ein Leben lang querschnittsgelähmt bleibt. Unter dem Genre "authentische Lagerliteratur" zwar durchaus mit Zeugnissen von Ruth Klüger oder Primo Levi vergleichbar, richtet sich D'Eramos Blick jedoch auf andere Opfergruppen der Nazis, erklärt der Rezensent, der diesem "Bildungsroman einer jungen Frau" so "drastische" wie "plastische" Einblicke verdankt.