Max Frisch

Entwürfe zu einem dritten Tagebuch

Cover: Entwürfe zu einem dritten Tagebuch
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2010
ISBN 9783518421307
Gebunden, 213 Seiten, 17,80 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Peter von Matt. Im August 2009 meldeten die Feuilletons eine Sensation: In einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Teil des Max-Frisch-Archivs in Zürich war das Typoskript eines bisher unbekannten Werks des Schweizer Autors gefunden worden: 184 Seiten, von Frisch auf Tonband diktiert, von seiner Sekretärin in die Maschine getippt. Der Autor selbst hatte auf der Titelseite notiert: "Tagebuch 3. Ab Frühjahr 1982".
Max Frisch lebte zu dieser Zeit in New York, zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Alice Locke-Carey, bekannt als "Lynn" aus der Erzählung Montauk. Ihr ist das Tagebuch 3 gewidmet, und vermutlich fällt das abrupte Ende der Aufzeichnungen Mitte der achtziger Jahre mit der Trennung von der Amerikanerin zusammen. Die USA und die Schweiz, die Reagan-Administration und das belastete Verhältnis zu der um vieles jüngeren Frau, der Kalte Krieg und der Krebstod eines engen Freundes: Wie die beiden legendären, 1950 und 1972 erschienenen Tagebücher verzeichnet auch das Tagebuch 3 Augenblicksnotizen neben längeren reflexiven Passagen und hebt das scheinbar flüchtig hingeworfene Notat in den Rang des Literarischen: "Es gibt in Amerika alles nur eins nicht: ein Verhältnis zum Tragischen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.04.2010

Anlässlich ihrer Kritik der jetzt publizierten "Entwürfe zu einem dritten Tagebuch" von Max Frisch berichtet Judith von Sternburg auch von dem Streit zwischen Adolf Muschg und Herausgeber Peter von Matt um die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung. Das Typoskript, das Frisch selbst anscheinend vor seinem Tod vernichtet hatte, das aber in einer Durchschrift von Frischs Sekretärin später ans Max-Frisch-Archiv gegeben wurde, ist in ihren Augen insgesamt gesehen ein spannendes und mitunter berührendes Zeugnis eines alternden, politisch aufmerksamen und selbstkritischen Schriftstellers. Die Aufzeichnungen sind innerhalb eines Jahres zwischen 1982 und 1983 entstanden und enden mit dem Abbruch der Liebesbeziehung zur 32 Jahre jüngeren Alice Locke-Carey, teilt die Rezensentin mit. Neben alltäglichen Beobachtungen und Reflexionen aus seinem Leben zwischen Berzona und New York sind immer wieder Notate zum Sterben seines Freundes Peter Noll geschoben, die für Sternburg zu den "stärksten" Passagen dieses Tagebuchs gehören. Dafür findet sie die Notate, die sich um die Partnerin drehen, häufig ziemlich "konventionell" und ihr ist das ansatzweise Kokette aufgefallen, das sich bei Frischs Gedanken über den eigenen "Nachruhm" einschleicht. Dafür wird man aber auch durch einige brillante Szenen entschädigt, wie beispielsweise die Schilderung eines Thanksgiving-Essens, bei dem Frisch mit einem strengen Befürworter der Todesstrafe zusammentrifft.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2010

Einen differenzierten Blick wirft Lothar Müller auf Max Frischs drittes Tagebuch, das nun, von Peter von Matt herausgegeben, erschienen ist. Er rekapituliert gelassen den Streit um die Veröffentlichung des Werks, gegen die sich etwa Adolf Muschg ausgesprochen hat, da es nicht den literarischen Rang der von Frisch selbst zu Lebzeiten veröffentlichten Tagebücher erreiche. Müller selber findet keine Gründe, die gegen eine Veröffentlichung sprechen. Er weist zudem darauf hin, dass Frischs Werk geradezu "systematisch" das Interesse an der Person des Autors wecke und dass der Autor auch - etwa in seiner Erzählung "Montauk" mit der eigenen Biografie gespielt habe. Das nun vorliegende dritte Tagebuch findet er allerdings leicht durchwachsen. So literarisch durchgearbeitet wie Peter von Matt meint, ist das Buch in seinen Augen sicher nicht. Insbesondere Passagen, in denen sich Frischs Meinen von der "Anschauung und dem Anlauf zu Erzählungen" ganz ablöse, hält er eher für schwach. Demgegenüber bescheinigt er dem Buch auf vielen Seiten aber auch einen Ton, "der die mitgeteilten Erfahrungen haltbar macht". Er nennt hier zum Beispiel die Notizen über die Abende und eine gemeinsame Luxor-Reise mit dem todkranken (jüngeren) Freund Peter Noll.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.04.2010

Mögliche Einwände gegen die Publikation von Max Frischs "Entwürfe zu einem dritten Tagebuch" werden von Martin Meyer entschieden beiseite gewischt, ist der Band doch in seinen Augen ganz klar in der Machart seiner ersten beiden Tagebücher zusammengestellt. Also sind in diesem Band, der die Zeit von Februar 1982 bis April 1983 abdeckt und hauptsächlich zwischen New York und Frischs Erstwohnsitz im Tessin angesiedelt ist, wie gewohnt persönliche Betrachtungen und Befindlichkeiten mit politischen Einschätzungen und philosophischen Betrachtungen gemischt, lässt der Rezensent wissen. Die Beziehung zur sehr viel jüngeren Amerikanerin Alice Locke-Carey, mit der er zeitweise in Manhattan zusammenlebt und Beobachtungen zu den eigenen Alterserscheinungen prägen die Notate, wobei Meyer aufgefallen ist, wie viel "Hader" und offene Abneigung gegen Amerika diesen Aufzeichnungen zu entnehmen sind. "Humor" oder "Distanz zu sich selbst" darf man von Frisch auch in diesem Buch nicht erwarten, betont der Rezensent, der beinahe erleichtert wirkt ob der wesentlich "entspannteren" Einträge aus dem Tessiner Berzona. Hier findet Meyer zu seiner Freude eine an Stifter erinnernde Sprache, "nah an den Dingen, frei, empathisch" und die ist ihm ganz offensichtlich wesentlich sympathischer als die misanthropischen Nörgeleien aus Amerika.