Michail Ossorgin

Zeugen der Zeit. Zeuge der Geschichte und Buch vom Ende

Zwei Romane in einem Band
Cover: Zeugen der Zeit. Zeuge der Geschichte und Buch vom Ende
Die Andere Bibliothek, Berlin 2016
ISBN 9783847703822
Gebunden, 552 Seiten, 42,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen übersetzt, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Ursula Keller unter Mitarbeit von Natalja Sharandak. Der Roman erzählt die Geschichte einer jungen Frau aus gutem Hause, die davon träumt, nicht nur darüber zu streiten, wie die Welt eine bessere werden könne, sondern eine jener Helden zu werden, die die eingefrorenen Verhältnisse im russischen Zarenreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Gewalt zu verändern suchen. Die Bewunderung für den entschlossenen Aljoscha, den Anführer einer Terrorgruppe, dem seine Kampfgefährten den Decknamen "Hirsch" gegeben haben, tut das Übrige, Natascha verlässt ihr Heim und ihre Familie, um sich jenen anzuschließen, die "von den einen Verbrecher, von den anderen Heilige genannt wurden", und wird Revolutionärin und fanatische Terroristin, der sie am Ende ins Exil zwingt.
"Das Buch vom Ende" erzählt vom Leben der geläuterten Terroristin in der Emigration, zunächst in Paris, dann in Italien. Ihre Träume von der Rückkehr nach Russland erfüllen sich nicht. Ossorgin vergegenwärtigt aus autobiografischer Sicht das Revolutionsgeschehen und den Terrorismus in Russland vor und während der ersten Revolution 1905 und das Leben der russischen politischen Flüchtlinge in der Emigration.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2017

Ulrich M. Schmid lernt mit Michail Ossorgin einen russischen Autor kennen, dessen Produktivität die Ausweisung durch Lenin nichts anhaben konnte. Der um die fanatischen Machenschaften einer jungen Russin kreisende Text, in dem der Autor laut Schmid eigene Erfahrungen im Terroristenmilieu verarbeitet, besticht für den Rezensenten durch Kunstgriffe wie den Wechsel zwischen distanzierter und szenischer Darstellung. In der Tradition des russischen Gesellschaftsromans des 19. Jahrhunderts stehend, vermittelt ihm der Autor die moralischen Verfehlungen des Terrors, ohne Spott, nur durch die Tragik der Erzählung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.02.2017

Christiane Pöhlmann empfiehlt statt dieses Romans von Michail Ossrogin dessen Vorgänger in der "Trilogie des Umbruchs". Zwar verhöhne der Autor auch in dem vorliegenden Buch recht munter Lenin und den Bolschewismus, doch das Personal in dem gleichfalls aus wechselnder Perspektive erzählten, in kurzen Szenen montierten Text über die Zeit nach der ersten Russischen Revolution bleibt blass, meint Pöhlmann. Dass Ossrogin hier jeglichen historischen Kontext meidet (er erschließt sich Pöhlmann erst durch den Anmerkungsapparat), findet die Rezensentin merkwürdig. Zwar punktet der Roman mit allerhand literarischen Bezügen und poetischen Momenten, wie Pöhlmann einräumt, doch wirkt er auf sie insgesamt eher wie Kaffeehausmusik im Hintergrund. Der erwähnte Vorgänger "Straße in Moskau" scheint ihr doch weitaus gehaltvoller.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 21.01.2017

Eindeutig fällt Klaus Ungerers Urteil über den nun in einer gelungenen Übersetzung Ursula Kellers vorliegenden Doppelband "Zeugen der Zeit" wahrlich nicht aus. Zwar stellt der Kritiker den russischen Autor Michail Ossorgin in eine Reihe mit Bulgakow, Belyj und Charms; auch der erste Teil des in diesem Band enthaltenen Romans "Zeugen der Geschichte" zieht den Rezensenten schnell in seinen Bann: Er attestiert dem Autor eine "liebevolle, kindlich-naive" Erzählweise, mit der er das frührevolutionäre Russland und den Kampf junger Menschen gegen das zaristische System schildere. Bald aber vermisst der Kritiker Handlung, überzeugenden Figurenintrospektive und sprachliche Brillanz und findet stattdessen nur noch "Antriebsarmut" und ziemlich "platte" Erkenntnisse.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.01.2017

Spätestens seit "Straße in Moskau" ist Rezensent Lothar Müller ein erklärter Bewunderer des russischen Schriftstellers Michail Ossorgin. Umso mehr freut sich der Kritiker, dass mit "Zeuge der Zeit" und "Buch vom Ende", beide in den Dreißigern erschienen, nun endlich auch zwei weitere Bände der Trilogie in einer exzellenten deutschen Übersetzung und mit einem instruktiven Anmerkungsapparat von Ursula Keller vorliegen. Schier überwältigt ist Müller von der literarischen "Wucht", mit der Ossorgin von Terror und zaristischer Geheimpolizei, Untergrund und Exil, Gefängniszellen und Schützengräben im Ersten Weltkrieg, Auf- und Abschwung der revolutionären Energien zwischen 1905 und 1917 erzählt und den Leser dabei auf einen beeindruckenden Streifzug durch russische Landschaften mitnimmt. Die Ereignisse und Schicksale der Figuren verfolgt der Rezensent mit Beklemmung, vor allem bewundert er, wie detailreich, eindringlich und mit wie viel technischem Knowhow Ossorgin hier das minutiös geplante Selbstmordattentat der weiblichen Hauptfigur Natascha schildert. Nicht zuletzt attestiert Müller dem Autor ein Talent für Bilder, die lange nachhallen.
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