Moritz Baßler

Populärer Realismus

Vom International Style gegenwärtigen Erzählens
Cover: Populärer Realismus
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406783364
Kartoniert, 408 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Über die Maßstäbe für "gute" Gegenwartsliteratur herrscht große Unsicherheit. Moritz Baßlers Buch analysiert erfolgreiche Erzählliteratur der Zeit und diskutiert den veränderten Status der Literatur in der aktuellen Markt- und Mediengesellschaft. Der Schwerpunkt liegt auf deutschsprachigen Romanen, Seitenblicke werden auf den internationalen Kontext, das erfolgreiche Genre der Fantasy sowie auf die inzwischen dominante Erzählform der Qualitäts-TV-Serie geworfen. Dabei macht Baßler einen international prägenden Stil des "populären Realismus" aus: Leichte Lesbarkeit und routinierte Plots, aufgeladen mit Zeichen der Bedeutsamkeit, ohne dass die Texte aber tatsächlich Neuland beträten.Das Verfahren gegenwärtiger Erzählliteratur, so Baßler, ist durchgängig ein "realistisches" - der Lesende befindet sich immer schon in der erzählten Welt, ohne dass die Zeichen des Textes ihn dabei besonders herausforderten. So konnte sich ein International Style ausbilden, dessen Prosa in Verbund mit routinierten Plots eine leichte Lesbarkeit garantiert. Wer noch Literatur liest, hat dabei aber oft den Anspruch, nicht bloß gut unterhalten zu werden, sondern auch an Hochkultur, an Kunst teilzuhaben. Dafür muss der International Style seine Lesbarkeit mit Bedeutsamkeit aufladen, ohne die Lektüre allzu sehr zu erschweren. Umberto Eco nennt dieses Missverhältnis von leichter Form und schwerem Anspruch Midcult. Vielleicht ist dies die unserer Zeit gemäße Erzählliteratur mit eigenen Chancen? Wie kann man eine komplexe Literatur verteidigen, ohne in einen elitären Kulturkonservatismus zu verfallen? Über das Populäre und seine Alternativen Identität oder Ambivalenz?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.12.2022

Schon einmal hat der Literaturprofessor Moritz Baßler ein Standardwerk über Popliteratur vorgelegt und vielleicht ist ihm das hier schon wieder gelungen, mutmaßt Rezensent David Hugendick. Bei "Populärer Realismus" handele es sich um eine äußerst aktuelle Zeitdiagnostik der Gegenwartsliteratur, die von Baßler mit dem Begriff des Midcult beschrieben werde. Midcult, erklärt der Rezensent, bedeutet, dass die Trennlinien zwischen dem, was als Hochkultur und was als Unterhaltungsliteratur angesehen wird, verwischt werden und sich stattdessen eine Literatur herausgebildet hat, deren Kennzeichen ein zwar recht hoher thematischer Anspruch, aber auch gängige Plots und eine zur Vereinheitlichung neigende "populärrealistische" Sprache sind. Baßler mag den Midcult nicht per se verurteilen, aber manchmal neigt er mit seinen Thesen zu Verallgemeinerungen, meint Hugendick. Doch das kann er angesichts überzeugender Textbeispiele und -analysen des Professors und seiner treffenden Ausführungen zu Literaturbetrieb und -rezeption verzeihen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.12.2022

Rezensent Jens Buchholz wird nicht recht schlau aus Moritz Baßlers Buch. Nachdem der Literaturwissenschaftler bereits gemeinsam mit Heinz Drügh einen Entwurf einer "Gegenwartsästhetik" vorgelegt hat, so Buchholz, versuche er nun, die zeitgenössische Literatur unter dem Begriff eines "Populären Realismus" zu fassen. Damit meint Baßler Bücher, die sich nach der Nachfrage des Markts richten und in der Folge leicht verdaulich wie leicht zu übersetzen sind und Tiefe nicht auf sprachlicher, sondern nur auf inhaltlicher Ebene eher behaupten als schaffen, wie Buchholz wiedergibt. Der "Realismus" beziehe sich dabei nicht auf eine getreue Gegenwartsdarstellung, sondern vielmehr auf eine Glaubwürdigmachung der unwahrscheinlichsten Settings (z.B. Fantasy). Nur worauf das letztendlich hinausläuft, also wie "richtig oder falsch" Baßler das nun wirklich findet, wird dem Kritiker nach eigenem Bekunden nicht ganz klar; ein "Vorwurf" von Seiten Baßlers scheint ihm dann doch wieder deutlich auf der Hand zu liegen. Jedenfalls wünsche sich der Autor weniger Takis Würger, Bernhard Schlink und Martin Suter, stattdessen mehr Leif Randt, Mithu Sanyal oder Arno Schmidt, schließt Buchholz.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2022

Auch wenn Rezensentin Marie Schmidt mit viel Witz schreibt, so diskutiert sie doch ernsthaft die Thesen, die der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler zum "Populären Realismus" vorträgt. Baßler stört sich an einem International Style, der eigentlich Englisch daherkomme, auch wenn er auf Deutsch geschrieben sei und sich durch einen möglichst unkomplizierten Zugang zur Handlung auszeichne. Im schlimmsten Fall kann Baßler der Rezensentin zeigen, wie ähnlich das Schreiben von Martin Mosebach und Sebastian Fitzek funktioniert. Auch wenn Baßer dagegen opponiert, durch politische Selbstverständlichkeiten eingemeindet werden, versteht die Rezensentin dies. Aber ein großes Problem bleibt in ihren Augen: Baßler, der einst als Pop-Theoretiker angetreten ist, scheut sich, eigene Kriterien und Normen offenzulegen, offenkundig um nicht selbst in den Ruf des Elitären zu geraten. So drohen seine Urteile zu reinen Geschmacksverdikten zu werden, meint Schmidt. Es muss Baßler selbst ein Graus sein, erkennt sie am Ende, aber er befördert hier eine Ästhetik der "bildungsbürgerlich Gepamperten".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.2022

Rezensent Jan Wiele weiß Spottlust und polemische Zuspitzung zu goutieren, wenn der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler gegen den "populären Realismus" zu Felde zieht, der sich anspruchsvoll gebe, aber doch auf einem global anschlussfähigen Stil basiere, wie Wiele erklärt. Egal ob Baßler also einen Martin Mosebach, einen Daniel Kehlmann oder Sebastian Fitzek vor sich habe, überall sehe er die gleiche Machart "liegestuhltauglicher Texte". Die deutungsreiche oder deutungsoffene Erzählformen der literarischen Moderne würden dadurch an den Rand gedrängt. Übertreibungen bemerkt der Rezensenten zuhauf in diesem auf dem Essay "Der neue Midcult" basierenden Buch, aber sie stören ihn nicht. Deutlich sieht er allerdings die elitäre Falle, in die Baßler hier tappt, wenn er als Vertreter des Pop doch stets gegen eine Unterscheidung von Unterhaltung und ernsthafter Literatur stritt, jetzt aber die Flachheit des kommerziellen Mainstreams geißelt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 30.09.2022

Formal einwandfrei findet Rezensent Helmut Böttiger die Erläuterungen Moritz Baßlers zum Begriff des Populären Realismus. Inhaltlich jedoch haben Baßler und Böttiger so einige Differenzen. "Ideologisch auffallend verengt" nennt der Rezensent Baßlers Kritik an der deutschen Gegenwartsliteratur und meint damit etwa die ahistorische Betrachtungsweise des Autors, welche sich beispielsweise in dessen Bewertung des Nachkriegsschriftstellers Heinrich Böll äußert. Auch lehne der Literaturwissenschaftler aus der Fraktion Kracht/Herrndorf/Goetz rundheraus alles ab, was ihm allzu schwer erscheint, allzu zeichenträchtig, nicht spielerisch genug - eben nicht Kracht/Herrndorf/Goetz-genug. Und wer nicht in seine Schemata hinein passt, wie etwa Lutz Seiler oder Sibylle Lewitscharoff, wird nur am Rande oder auch gar nicht erwähnt, ärgert sich der Kritiker. Hier erklärt jemand auf "rhetorisch ausgefeilte Weise" seine recht eingeschränkte Sicht auf einen recht eingeschränkten Ausschnitt der Gegenwartsliteratur. Das ist streckenweise nett zu lesen, gibt der Rezensent, aber zu bereichern scheint es ihn nicht.