Richard Ford

Eine Vielzahl von Sünden

Storys
Cover: Eine Vielzahl von Sünden
Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783827000644
Gebunden, 380 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Die zehn Erzählungen umkreisen das Thema der Untreue. In Momentaufnahmen zeigt Ford Episoden einer heimlichen Liaison. Dabei fängt er das Verlangen ein, das Männer und Frauen in eine Affäre treibt, die sie nicht beabsichtigt haben, der sie aber auch nicht widerstehen können, und schildert widersprüchliche Gefühle: Manche bedauern, dass es die Beziehung je gab, andere, dass sie zu Ende gehen musste.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2003

Es sind die "kleinen Versäumnisse", die Richard Ford interessieren - so der begeisterte Rezensent Tilman Urbach - , die "kaum merklichen Entfremdungen zwischen Paaren, winzige Irritationen an den kommunikativen Schaltstellen". Nicht die "Katastrophen", sondern deren "Davor und Danach", wenn sich "in der Stille Erkenntnisse verdichten - unabweisbar und eigenartig klar". Die zehn vorliegenden Short Stories schnurren für Urbach in der "so banalen wie existenziellen" Frage zusammen: "Was ist Liebe? Verdeckt von Sehnsüchten, Schein- und Kopfbildern, im Zwielicht von Lust und eingebildeter Leidenschaft?" Sein "Panorama der Untreue" hat Ford "mit Bedacht" und "erstaunlichem Erfindungsreichtum" gezeichnet, vor allem in der Konstellation der äußerlich wie innerlich "rastlosen" Figuren und in der "Beiläufigkeit der Sprache", lobt der Rezensent. Besonders gefallen hat ihm die Geschichte "Aussicht", in der ein Mann, nachdem er wochenlang von seinem Fenster aus einer Fremden beim Ausziehen zugeschaut hat und es schließlich lässt, der Frau auf der Straße begegnet und die Unüberbrückbarkeit zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit erkennt. Allen Figuren hafte etwas "Passives", sogar "Mechanisches" an - darin, dass sie ihre Sehnsucht erkennen, ohne "Abgeklärtheit", aber mit "einer seltsam melancholischen Ruhe". Und so erweise sich Ford in diesen "schwebenden" Geschichten, die oft eine unerwartete, aber "nie böswillige oder zynische" Wendung nehmen, als "brillanter Protokollant" sowohl des "Malaise" als auch der "leuchtenden Neugier auf das Leben selbst". Einziger "Wermutstropfen" eines für den Rezensenten sonst ungetrübten Lesevergnügens: die "vor Anglizismen strotzende" Übersetzung, in der die Leichtigkeit, mit der Ford erzählt, abhanden kommt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.01.2003

Der Rezensent Gerrit Bartels ist beeindruckt vom Talent des amerikanischen Schriftstellers Richard Ford, jeder noch so profanen Geschichte, deren Plot keine richtige Dynamik entwickeln mag, durch ein paar Sätze "eine wenn auch noch so zarte Aura" zu verleihen. Das Thema dieser Kurzgeschichtensammlung ist der Ehebruch, den Ford aus jedem möglichen Blickwinkel und in verschiedenen Konstellationen beleuchtet. Diese thematische Einseitigkeit führt eben zu jener mangelnden Dynamik, die Bartels an verschiedenen Stellen auffällt. Dies wird jedoch durch die erzählerischen Qualitäten des Autors wettgemacht. Bartels findet beispielsweise die Doppelbödigkeit der Erzählungen beeindruckend: "Auffallend ist, wie einfältig und zugleich klug reflektierend Fords Figuren sind." Und ganz beiläufig zeichnet Ford nach Bartels ein stimmiges Bild des heutigen Amerikas, in dem sich Menschen bewegen, "die nicht um ihre Existenz kämpfen müssen und trotzdem nicht in der Lage sind, glücklich zu sein".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.11.2002

Da hat Reinhard Baumgart den "bewährten Übersetzer" Frank Heibert kräftig abgebügelt ob des "steif verquasten Kauderwelsch" in der deutschen Übersetzung dieses Romans, "ein Americano-Alemano-Esperanto" gar sei es geworden. Aber am Schluss ist der Rezensent trotz der vielen schlimmen Stilblüten, die er zitiert, ganz gnädig, weil "ein makelloser Text womöglich gar nicht so angemessen wäre" Nanu, wie das? "Weil Richard Ford ...ein Erzähler vom Schlage Heinrich Bölls ist, ein Menschenkundler eher als ein großer Gut- und Schönschreiber". Seltsames Lob... Darf ein "Menschenkundler" nicht gut oder schön schreiben? Egal, hier geht es um Sex, genauer um Ehebruch, und das ist dem Rezensenten eine ausführliche Rezension wert, weil?s ja um diesen "großen amerikanischen Autor" geht. Der nämlich "inszeniert das Geständnis, das nackte und das verschleierte", ebenso wie "die würgende Fremdheit wie die fatale Vertrautheit der Ehepartner nach dem Ehebruch" oder wie die "Trennung des illegalen Paars mal als triste Komödie, dann als tödliche Katastrophe". So weit, so Klappentext. Dann kommt der interessante Hinweis auf eine "mächtige" Aufladung der Geschichten durch Natur-, "Rätsel- und Sinnbilder". Und durch die, so Baumgart, wird dann doch alles "fast vollkommen". Na dann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Hans-Peter Kunisch flickt Richard Ford, dieser Ikone amerikanischer Literatur, nicht gern am Zeug, aber er kann sich für den Band mit Erzählungen nicht recht erwärmen. Zunächst zitiert er ausgiebig eine in Amerika erschienene Kritik, die ein gewisser Brad Tyer über dieses Buch geschrieben hat, und die im Gegensatz zu den meisten anderen Rezensionen ziemlich harsch ausgefallen ist. Kunisch muss zugeben, dass etwas dran ist an dem Vorwurf des amerikanischen Kritikers, die Geschichten seien "leer" und eintönig. Auch ihn ödet das "gefühlsselig-sarkastische Ressentiment dem Leben gegenüber", das in einigen Erzählungen zum Ausdruck komme, etwas an, und er bezeichnet es als "klassische story-Falle", in die Ford damit getappt sei. Der Rezensent beklagt die "Stagnation des Erzählens" der meisten Texte dieses Bandes und den damit einhergehenden Mangel an "Erkenntnisgewinn sowohl für die Protagonisten als auch für die Leser. Doch gibt es auch Erzählungen in diesem Band - insbesondere die längeren - die die "Trägheit der Form" vergessen machen, lobt der Rezensent. Darin gelinge es Ford, den Figuren und auch dem Erzählverlauf eine "selbstverständliche Freiheit" mitzugeben, die die Lektüre dann doch noch zum Gewinn macht, so Kunisch schon fast versöhnt.
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