Salman Rushdie

Victory City

Roman
Cover: Victory City
Penguin Verlag, München 2023
ISBN 9783328602941
Gebunden, 416 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Südindien im 14. Jahrhundert: Die neunjährige Waise Pampa Kampana wird von einer Göttin auserkoren, ihre menschliche Hülle und ihr Sprachrohr in die Welt zu sein. In ihrem Namen erschafft Pampa aus einer Handvoll Samen eine Stadt: Bisnaga - Victory City, das Wunder der Welt. All ihr Handeln beruht auf der großen Aufgabe, die ihr die Göttin gestellt hat: den Frauen in einer patriarchalen Welt eine gleichberechtigte Rolle zu geben. Aber die Schöpfungsgeschichte Bisnagas nimmt mehr und mehr ihren eigenen Lauf. Während die Jahre vergehen, Herrscher kommen und gehen, Schlachten gewonnen und verloren werden und sich Loyalitäten verschieben, ist das Leben von Pampa Kampana untrennbar mit dieser Stadt verbunden. Von seinem Aufstieg zu einem Weltreich bis zu seinem tragischen Fall.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.04.2023

Angesichts der Messerattacke auf Salman Rushdie liest Rezensent Hernán Caro dessen neuen Roman auch als eine Kampfansage: gegen die Gewalt und für die Worte. Das Buch widmet sich zwei Erzählsträngen, erklärt er, auf der einen Seite steht die Entwicklung des historischen Königreichs Bisnaga im Vordergrund, auf der anderen die Geschichte einer göttlich gesegneten Frau names Pampa Kampana. Beide Geschichten werden miteinander verwoben und bewegen sich zwischen Höhenflug und Tragödie hin und her, so der Kritiker. Caro erzählt einen großen Teil der Handlung nach, um zu verdeutlichen, wie intensiv, verspielt und fantasievoll sich Rushdies Erzählkunst hier zeigt, die aber manchmal auch zu sehr auf den Effekt hin geschrieben zu sein scheint. Ein wenig sauer stößt ihm auch das Diktum auf, der Autor habe eine "weibliche Perspektive" einnehmen wollen, werden genau jene doch eher anhand äußerlicher Attribute bemessen. Die intellektuelle und magische Kraft von Pampa Kampana und den Worten, mit denen sie den Bewohnern des Königreichs Leben einhaucht, können den Kritiker aber doch überzeugen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.04.2023

Zu Salman Rushdies neuem Buch hat Kritiker Jan Küveler gar nicht so viel zu sagen, eher zum Verhältnis des Autors zu Frauen, positiv, inklusive fünf Ehen, und zu den Männern, die die Fatwa über ihn ausgesprochen und ihn letztlich auch attackiert haben, negativ. Fast hatte man das vom iranischen Ayatollah Khomenei 1989 ausgesprochene Todesurteil vergessen, meint Küveler, da ist Rushdie vergangenen August doch noch lebensgefährlich attackiert worden. Der kurz zuvor fertig gestellte Roman scheint dem Kritiker mit seinem Titel "Victory City" beinahe symptomatisch - der Autor hat das Attentat überlebt und erzählt hier nun die Story von Pampa, einer quasi göttlichen Figur, die sich vornimmt, ihr immerhin zweieinhalb Jahrhunderte umfassendes Leben selbstbestimmt zu führen. Rushdie webt hier diverse Erzählstränge und Motive auf spielerische Weise ineinander, was dem Rezensenten gut gefällt. Er empfiehlt das Buch als "relaxtes Alterswerk".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.04.2023

Die Parodie macht vor nichts halt in Salman Rushdies neuem Roman, schreibt Rezensent Jan Wiele. Rushdies Erzähler spricht gewohnt "gelehrt und sehr poetisch" zu uns, wenn er eine fiktive Geschichte um ein realhistorisches Setting herumspinnt, nämlich das hinduistische Königreich Vijayanagara. Vom Aufstieg und Untergang dieses Reiches, beherrscht von der Königin Pampa Kampana, wird der Erzähler berichten. Rushdies Parodie historischer Epen bleibt zunächst mild spöttisch und wird dann immer drastischer, so der Kritiker, den "Horror" von antiken und mittelalterlichen Erzählungen abbildend. Im Anschluss werden allerdings "kolonialistische Affen" und "fanatische Sekten und Sultane" vertrieben und lassen ein feministisches Reich entstehen, indem Pazifismus und sexuelle Freiheit herrschen und die Frauen Kampfkünste von einer chinesischen Superheldin lernen, schmunzelt der Kritiker. Leider muss das Reich untergehen, seufzt er. Immerhin tröstet ihn die Pointe Rushdies, dass die wahren Sieger immer die Worte bleiben.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.04.2023

Ein "Wunderwerk der Erzählkunst" hat Salman Rushdie mit seinem neuen Roman vorgelegt, freut sich Rezensent Arno Widmann, ein "Silvesterfeuerwerk an Einfällen", das neben beißendem Spott auch die leisen Töne beherrscht. Er bewundert, wie leichtfüßig der Autor durch verschiedene Zeiten und Stile springt, wenn er das fiktive Epos "Jayaparajaya" des Reiches der Königin Pampa Kampana erzählt. Und dass er sich ohne zu fragen an allem bedient, was in der Weltgeschichte von Interesse ist, wäre eine gute Lektion für heutige Leser, denkt sich Widmann. Man muss dem Fremden einfach entgegenkommen, statt es abzuwehren, lernt er und erkennt darin auch Rushdies Methode, am liebsten über das zu schreiben, was er nicht kennt, auf Entdeckung zu gehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.04.2023

Rezensent Nils Minkmar liest den neuen Roman von Salman Rushdie als meisterhaften Kommentar zur Gegenwart. Ein wenig um die Ecke denken muss man allerdings schon, wenn Minkmar die Geschichte resümiert: Rushdie führt uns an der Seite des von der Göttin Pampa "beseelten Waisenmädchens" Pampa Kampana nach Viajayanagara, zwischen 1343 und 1565 Hauptstadt des gleichnamigen untergegangenen Hindu-Reiches. Pampa Kampana hat die Gabe, den Menschen, die ebenso wie die Gebäude einfach aus dem Boden wachsen, Geschichten einzuflüstern, die sie dann für ihre eigene halten, resümiert Minkmar. Aber die "Freude an Freiheit, Schönheit und Sex", die das Waisenmädchen suggeriert, hält nicht lange. Laut Minkmar erzählt Rushdie hier nicht weniger als die Geschichte unserer Gegenwart seit dem Mauerfall. Er erkennt unter anderem eine Analogie zwischen dem versunkenen Reich Viajayanagara und den USA: Was mit der Globalisierung hoffnungslos begann, befindet sich längst in einer Abwärtsspirale, meint Minkmar. Literarisch nimmt er diese, wie er findet, exzellent geschriebene "Achterbahnfahrt" in jedem Fall gern auf sich.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 19.04.2023

Rezensentin Sigrid Löffler stockt der Atem angesichts der bitteren Ironie, dass Salman Rushdie kurz vor dem lebensgefählichen Attentat, das ihm sein rechtes Auge nahm, diesen Roman abgeschlossen hatte. Denn eine Heldin des Romans ist eine blinde Seherin, der von ihren Feinden die Augen ausgestochen wurden, wie Löffler bemerkt. Doch eigentlich erzählt der Roman die parabelhafte Geschichte eines Königreichs, das als antipatriarchale Wunschwelt abgetan werden könnte, wie die Rezensentin informiert, wenn es sich nicht an das historische Hindu-Reich Vijayanagar anlehnte. Dennoch wird sie nicht glücklich mit dem Roman: Wenn Rushdie die Jahrhunderte an der für 247 unsterblichen Halbgöttin Pampa Kampana, der Gründerin des sagenhaften Reichs, vorbeiziehen lässt, mit all ihren Feldzügen, Königen und Liebhabern, dann erschöpft sich das bald für sie in "schütterer Opulenz".