Thomas Wolfe

Eine Deutschlandreise

Literarische Zeitbilder 1926-1936
Cover: Eine Deutschlandreise
Manesse Verlag, Zürich 2020
ISBN 9783717524243
Gebunden, 416 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Renate Haen, Barbara von Treskow und Irma Wehrli, Mit 8 Originalseiten aus den Notizbüchern des Autors und 20 historischen Fotos. Ein Amerikaner mit deutschen Wurzeln blickt liebevoll-kritisch auf das Deutschland zwischen 1926 und 1936: Thomas Wolfe schlenderte mit James Joyce durch Goethes Geburtshaus, schunkelte auf dem Münchner Oktoberfest und durchzechte mit seinem Lektor Heinrich Maria Ledig-Rowohlt Berliner Sommernächte. Kein Autor der amerikanischen Moderne drang tiefer in deutsche Kultur und Mentalität ein als Wolfe, und so sind seine Deutschlanderkundungen zwischen 1926 und 1936 auch Reisen zu sich selbst. Im liebevollen und zugleich kritischen Blick des großen Erzählers lässt sich jene entscheidende Epoche miterleben, als die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts die denkbar fatalste Wendung nahm. Dieser Band enthält drei Stories ("Dunkel im Walde, fremd wie die Zeit", "Oktoberfest", "Nun will ich Ihnen was sagen"), den Zeitschriftenartikel "Brooklyn, Europa und ich" sowie weitere Fundstücke aus den Notizbüchern und Briefen des Autors in Erst- und Neuübersetzung, zusammengestellt von Oliver Lubrich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2020

Rezensent Kai Sina folgt dem amerikanischen Schriftsteller Thomas Wolfe ins Deutschland der Jahre 1926-1936. Was er da sieht, macht ihm Angst, denn Wolfe geht in die Bierschwemme des Oktoberfestes und schaut zu, wie der Deutsche zum Tier wird. Auf der anderen Seite sprechen die "wortmächtigen" Tagebucheinträge, Briefe, Artikel und erzählenden Texte im Band für Sina von einer großen Liebe des Autors zur deutschen Landschaft und Kultur. Zwischen diesen Polen bewegen sich die Texte laut Sina. Dass der Verlag Wolfes "Germanophilie" hervorhebt, findet er entsprechend zu wenig differenziert, zumal für Sina deutlich eine politische Entwicklung beim Autor festzustellen ist, von der Bewunderung deutschen Organisationstalents (auf den Olympischen Spielen 1936!) und antisemitischer Tendenzen hin zur Abwehr des Nazitums.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.05.2020

Rezensent Ulrich Rüdenauer folgt Thomas Wolfes Liebe zu Deutschland und ihrer Entwicklung in den von Oliver Lubrich zusammengestellten Texten, Notizen, Postkarten, Briefen und Erzählungen, die der Autor zwischen den Weltkriegen über und aus Deutschland verfasst hat. Wolfe in Oberammergau, Mainz und Berlin, vor Schaufenstern, in Museen, mit deutschen "Frauleins", bei einer Schlägerei auf dem Oktoberfest - für Rüdenauer nicht nur ein Einblick in die Werkstatt des Schriftstellers, der viele der hier nachzulesenden Eindrücke in seinen Romanen verarbeitet hat, sondern auch das Dokument einer Entwicklung - von der Liebe zu Deutschland hin zu einer verstörenden Ahnung dessen, was dort ab 1933 folgen wird.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.05.2020

Rezensentin Jutta Person kann sich das Lachen nicht verkneifen bei der Lektüre dieser Auswahl von Deutschlandskizzen, -briefen und -erzählungen des im Jahr 1900 geborenen Amerikaners Thomas Wolfe. Wenn ihr der heute weitgehend vergessene Schriftsteller von rülpsenden Hunnen mit "bierfeuchten Lippen", deutschen Specknacken, prallen Busen und der "aufgedunsenen Saturiertheit von Schweinen" in den Gesichtern von Oktoberfestbesuchern erzählt, erkennt die Kritikerin Wolfes Faszination für das "Rohe und Archaische". Zugleich schreibe er stets mit großer Sympathie und in dem Bewusstsein, dass die Deutschen Goethe und Beethoven hervorbrachten, ergänzt Person. Darüber hinaus bewundere Wolfe die Weite romantischer deutscher Landschaften bei seinen sechs Reisen durch München, Berlin, Wiesbaden, Bonn, Frankfurt und Freiburg, so die Kritikerin. Dass die Deutschlandliebe des Autors so weit ging, dass er noch Mitte der dreißiger Jahre eine "Pro-und-Contra-Liste" zum Faschismus erstellte, verzeiht die Rezensentin mit Blick darauf, dass Wolfe später vom antisemitischen Ressentiment abließ und sich solidarisch mit den Verfolgten zeigte.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.04.2020

Hier sind die Beobachtungen versammelt, die Thomas Wolfe im Lauf seiner sechs Deutschlandreisen zwischen 1926 und 1936 schriftlich festgehalten hat, erklärt Rezensent Ralf Höller. Auch wenn er Wolfes uneinheitlichen Stil ein wenig anstrengend findet, lohnt die Lektüre, versichert der Kritiker: Nicht immer vorurteilsfrei schildere der Autor die Eindrücke von den Bewohnern eines Landes, das zunehmend von braunem Gedankengut durchdrungen wird, und beweist dabei das "gesunde Misstrauen" eines Amerikaners gegen die ersten Anzeichen einer Diktatur, so Höller. "Spannende Zeitdokumente", lobt er.