W. E. B. DuBois

'Along the color line'

Eine Reise durch Deutschland 1936
Cover: 'Along the color line'
C.H. Beck Verlag, München 2022
ISBN 9783406791543
Gebunden, 168 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Johanna von Koppenfels. Herausgegeben von Oliver Lubrich. 1936 reist der afroamerikanische Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois nach Deutschland. Als Kritiker des Rassismus in den USA beobachtet er das Leben in der totalitären Diktatur und die Entrechtung der Juden. Seine Reportagen aus diesen Monaten erscheinen hier erstmals auf Deutsch. Als scharfer Kritiker des Rassismus in seinem eigenen Land beobachtet der afroamerikanische Soziologe W. E. B. Du Bois bei seinem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt im nationalsozialistischen Deutschland den Antisemitismus und die Entrechtung der Juden im "Dritten Reich". Seine wöchentlichen Reportagen aus diesen Monaten erscheinen hier zum ersten Mal in deutscher Sprache. Du Bois berichtet über die Wagner-Festspiele in Bayreuth und das Deutsche Museum in München, über deutsche Bierlokale und die Olympischen Spiele in Berlin, bei denen auch schwarze Sportler antreten. Mit der Vertrautheit des Deutschlandkenners und dem fremden Blick des schwarzen Amerikaners betrachtet er die totalitäre Diktatur. Du Bois beobachtet entlang der "Farbenlinie", "along the color line", und stellt überrascht fest, dass er persönlich kaum Diskriminierung erfährt. Umso mehr erschüttert ihn die Verfolgung der Juden: "Sie übertrifft an rachsüchtiger Grausamkeit und öffentlicher Herabwürdigung alles, was ich je erlebt habe", fasst er seine Eindrücke zusammen, "und ich habe einiges erlebt".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.02.2023

W.E.B du Bois, bekannter schwarzer Schriftsteller und zudem Professor für Wirtschaft und Geschichte, hat Deutschland zweimal mit großem zeitlichen Abstand besucht und dabei ganz verschiedene Erfahrungen gemacht, verrät Kritikerin Renate Wiggershaus. Dieser Band beinhaltet die Kolumnen, die du Bois bei seinem zweiten, fünf Monate dauernden Deutschlandbesuch 1936, der offenbar Teil einer größeren Europareise war, für eine afroamerikanische Wochenzeitung geschrieben habe. Wiggershaus ist beeindruckt, wie vorbehaltlos und erstmal grundsätzlich freundlich du Bois sich jedem Land nähert. Und wie erstaunt er ist, dass er als Schwarzer in Europa "wie ein Mensch behandelt" wird. Aber er erkennt auch den "unfassbaren" Antisemitismus der Deutschen, den er ebenso klar und kritisch beschreibt wie die Ausbildung bei Siemens oder die Bayreuther Festspiele. Unbedingt lesenswert, findet die Rezensentin und empfiehlt darüber hinaus für die weitere Beschäftigung mit der Rezeption du Bois' Honorée Fanonne Jeffers' Roman "Die Liebeslieder von W.E.B. du Bois", der sich mit einer jungen schwarzen Studentin und ihrer Inspiration durch den Autor befasst.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.01.2023

Rezensent Fabian Wolff nimmt die Veröffentlichung von W.E.B. Du Bois' Reisebericht zum Anlass für einige grundlegende Bemerkungen über den postkolonialen Diskurs, Attacken auf schwarze Theoriearbeit und ein "weißes Wir" (von dem allerdings nicht klar wird, wer das ist oder wer es aufruft). Bedauerlich provinziell findet Wolff, dass Du Bois jetzt ausgerechnet mit einer Schrift wahrgenommen wird, die sich mit Deutschland befasst, selbst wenn sie nicht seine stärkste sei: Der germanophile und bei Max Weber studierte Du Bois betrachtet hier eher mit dem Besteck des tagesaktuellem Journalismus das nationalsozialistische Deutschland, erklärt Wolff, das sei alles ganz richtig, aber nicht sonderlich tiefgründig. Immerhin: Den Kritikern postkolonialen Denkens gibt Wolff mit auf den Weg, dass Du Bois 1936 den deutschen Antisemitismus als "Angriff auf die Zivilisation" bewertete, "vergleichbar lediglich mit den Schrecken der spanischen Inquisition und des afrikanischen Sklavenhandels".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.12.2022

Rezensent Matthias Arning kann nur bewundern, wie klug und sensibel der amerikanische Bürgerrechtler und Soziologe W.E.B. Du Bois das Deutschland der dreißiger Jahre wahrnimmt. Du Bois kannte und schätzte das Land, dem er seit seinem ersten Besuch  in den 1890er Jahren die Demokratie, Max Weber und die fortwährende Überraschung anrechnete, "als Mensch behandelt" zu werden. Doch mit ihrem Aufstieg hätten die Nazis die Zivilisation um hundert Jahre zurückgedreht, paraphrasiert der Rezensent den Autor. Du Bois nehme wahr, dass er sich selbst noch frei im Land bewegen kann, nicht jedoch die Juden. Ein Land ohne Opposition und ohne Diskussion beobachtet Du Bois, wie Arning bewegt zitiert: "Schweigsam, nervös und bedrückt."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2022

Begeistert bespricht Marie-Luise Knott die Europa-Berichte dieses Max-Weber-Schülers und vielleicht berühmtesten schwarzen Intellektuellen Amerikas vor dem Zweiten Weltkrieg. Einen solchen Band mit den versammelten Texten aus Europa gebe es selbst in den USA nicht, konstatiert die Rezensentin anerkennend und unternimmt dann eine Tour d'horizon durch die weitgespannten Themen und Interessen Dubois'. Da er für den Pittsburgh Courier schreibt, eine schwarze Wochenzeitschrift, spielt der Aspekt der Hautfarbe immer eine Rolle, erläutert Knott, etwa wenn Dubois "das Verhältnis der europäischen Oper zu den drückenden sozialen Problemen der Schwarzen" reflektiert. Besonders beeindruckt ist Knott von Dubois' Deutschland-Texten, seiner klaren Beschreibung der Situation in dieser Zeit und der Deutlichkeit, mit der er die Verfolgung der Juden anspricht. Nur wenige ausländische Beobachter seien damals derart klarsichtig gewesen. Für Knott sind diese Texte merklich eine Riesenentdekung.
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