Victor Segalen

Malereien

Cover: Malereien
Gemini Verlag, Berlin 2003
ISBN 9783935978187
Gebunden, 215 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und herausgegeben von Rainer G. Schmidt. "Ein Kaiser in Rot gekleidet, lang ausgestreckt auf einem ganz zinnoberroten Bett. Das Gesicht und die Augen röten sich; Funkengestichel in den Pupillen; und er schaut mit dem Lächeln, das man für die einzige hat, die man erwartet und die nahe ist; und er streckt seine beiden Hände von warmer Farbe vor sich hin mit jener Geste, die man dem einzigen Gegenstand entgegenwirft, den man liebt, und der da ist; und sein gedrehter Hals im Lodern feuerroten Scheins und seine fiebererhellten Lippen, die ganze prächtig gemalte Gestalt, erleuchtet sich und gibt sich gleichsam dem Verlangen nach irgend etwas hin, das wir jedoch nicht sehen: außer - wenn wir sie scharf anblicken würden - inmitten der glänzenden Augen: eine Flamme."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2004

Hingerissen zeigt sich Rezensent Elmar Schenkel von diesen erstmals 1916 erschienenen, nun in deutscher Sprache vorliegenden Prosagedichten des Ethnologen, Archäologen und Schriftstellers Victor Segalen. Im Gestus des Schaustellers, der Moritaten und Balladen entrollen lasse und mit großem Getöse Blutrünstiges und Geschichtsträchtiges ausschreie, so der Rezensent, imaginiere Segalen darin Phantasmen und Namen der chinesischen Geschichte, wobei dem gelben Kaiser eine überragende Bedeutung zukomme. Geradezu poetisch schreibt Schenkel darüber: "Dieses flimmernde Kaiserbild ist mit langsamer, ständig überbelichtender Kamera aufgenommen, es flackert als Stimme über den Phonographen, es ist das andere des modernen Menschen, eine rimbaudsche Halluzination." Als Ethnologe habe sich Segalen immer wieder mit den Begriff des Exotischen befasst, in dem er jene Andersartigkeit, jene Diversität gesucht habe, die der Moderne, der Demokratie, der Globalisierung zum Opfer gefallen sei. Segalens Texte sieht Schenkel in der Linie zweier französischer Traditionen, der des Prosagedichts und der des literarischen und philosophischen Orientalismus. Dabei begreift er Segalen als Verkörperung eines "befruchtenden Dialogs", in dem Europa auf eine aperspektivische Welt vorbereitet werde.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.01.2004

Victor Segalens 1916 unter dem Titel "Peintures" (Malereien) veröffentlichte Prosagedichte, die nun erstmals in deutscher Übersetzung erschienen sind, haben es dem "zin" zeichnenden Rezensenten offensichtlich angetan. Segalen, so der Rezensent, habe eigentlich vorgehabt, einen Essay über chinesische Malerei zu schreiben, habe es dann jedoch vorgezogen, "imaginäre" chinesische Bilder "aus Sprache" zu schaffen, anstatt reale zu beschreiben. Diese Volte sei natürlich nicht frei von Ironie, wie auch aus der Anrede an den Leser ersichtlich sei, in der ein als "Jahrmarktschreier" agierender Segalen das Publikum auffordere, die Ohren zu spitzen und bis zum Ende alles anzuschauen. Der Text entfalte eine "vielgestaltige Parade" chinesischer Bildrollen, die in "synästhetischer Verdoppelung" aus Wörtern Bilder mache, und die "chinesische Geschichte, Mythologie und Kunst" reflektiere, zugleich aber eine Vision der "Rückkehr auf den Grund des Selbst" darstelle. Wenn am Schluss der Zuschauer-Zuhörer-Leser verabschiedet wird, so der Rezensent, dann scheinen die "Malereien" vom Gesicht abzupellen wie eine Maske, und einen verstörten Leser zu hinterlassen, dem jemand "zu nahe getreten" ist. Das Fazit des Rezensenten: Ein wichtiges, nach hundert Jahren immer noch modernes Buch, das dank des mutigen Gemini Verlags dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht wurde.
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