Wilhelm Heitmeyer (Hg.)

Deutsche Zustände, Folge 1

Cover: Deutsche Zustände, Folge 1
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518122907
Taschenbuch, 304 Seiten, 11,00 EUR

Klappentext

Angesichts der spannungsreichen gesellschaftlichen Entwicklungen in nationalen wie internationalen Kontexten ist es notwendig, kontinuierlich Rechenschaft abzulegen über den sozialen, politischen und auch mentalen Zustand dieser Republik. Die Basis dieses Reports bildet eine jährliche repräsentative Befragung von 3000 Personen zu Erscheinungsweisen, Ursachen und Entwicklungen "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" wie Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Heterophobie (gegen Obdachlose, Homosexuelle, Muslime etc.) und Sexismus. Ein wissenschaftliches Kernstück, das durch eine feste Forschungsgruppe erstellt wird, bietet Erklärungen für das Syndrom offener und verdeckter Menschenfeindlichkeit. Ein zweiter, umfangreicherer Teil, der von Journalisten, Schriftstellern, Politikern, Schülern und nicht zuletzt von Gewaltopfern verfasst wird, entfaltet in Form von Essays, Reportagen, Interviews und Analysen ein vielfältiges Spektrum von Themen, die auf "Deutsche Zustände" zulaufen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.06.2003

Schwer enttäuscht zeigt sich Dorothea Schuler von der vorliegenden Studie. Gegliedert in zwei Bände, einen wissenschaftlichen, bestehend aus Datenmaterial einer repräsentativen Umfrage von 3000 Personen, und einen journalistischen, welcher umfangreiche Beiträge von Journalisten, Schriftstellern und Politikern enthält, sollte es Start eines "zivilgesellschaftlichen Projektes" werden, das alljährlich Auskunft gibt "über das Klima der in der deutschen Gesellschaft in Sachen Menschenrechte und Umgang mit Randgruppen". Der Ansatz dazu sei zwar ganz gut, wenn etwa Antisemitismus nur noch einen Teilbereich darstelle und die Betrachtung der Einstellung gegenüber anderen Minderheiten, wie zum Beispiel Migranten, Behinderten und - nach dem 11. September - vermehrt auch Moslems ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Jedoch bleibe das Buch unter Verwendung "einer pseudo-objektiven Abkürzungswut" und diverser Fachtermini dem breiten Publikum, verschlossen. Überaus sperrig lese sich der erste Band und führe dem Leser lediglich vor Augen, "dass die Autoren ihr Handwerkszeug, das der modernen Datenverarbeitung beherrschen". Auch vermag der Rezensent beim zweiten Band keinen Bezug zur Studie herzustellen. Keiner der vorwiegend journalistischen Texte stelle eine Verbindung zu den Forschungsergebnissen her, man sehe sich vielmehr einem "Sammelsurium von Publikationen gegenüber, deren Verbindendes es ist, irgendetwas mit dem Thema zu tun zu haben."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.02.2003

Als "wichtiges Buch" würdigt Rezensent Florian Coulmas den von Wilhelm Heitmeyer herausgegebenen Band "Deutsche Zustände", der die alltägliche Barbarei in Deutschland - Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus - protokolliert. Die Autoren des Bandes sind laut Coulmas hauptsächlich Sozialwissenschaftler, die mit wissenschaftlichen Methoden arbeiten. Allerdings zwinge sie ihr Gegenstand, aus der teilnahmslosen Position des distanzierten Beobachters herauszutreten. "Sie betrachten die Auflösung sozialer Ligaturen mit Sorge und wollen dazu beitragen, fatalen Entwicklungen entgegenzuwirken", hält Coulmas fest. Der Band präsentiert nach Auskunft des Rezensenten vor allem die Ergebnisse einer Befragung von 3000 repräsentativ ausgewählten Personen, die Motive und Ursprünge von Diskriminierung und gruppenbezogener Gewaltbereitschaft aufdecken helfen. Dabei werde zwar nicht viel Neues zutage gefördert, aber manche intuitive Einsicht wissenschaftlich bestätigt. So zeigen die Autoren laut Rezensent, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit eine Begleiterscheinung der Erosion sozialer Bindungen ist, die ihrerseits dadurch verursacht ist, dass Geld zum wichtigsten Mittel des Erwerbs von Anerkennung geworden ist. Coulmas hebt hervor, dass das Buch auch konkrete Ansätze, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu begegnen, aufzeigt. Abschließend wünscht er dem Band viele Leser, äußert aber zugleich die Befürchtung, "dass es nur bei den Bekehrten auf Interesse stößt".
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