Yehuda Bauer

Der Tod des Schtetls

Cover: Der Tod des Schtetls
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783633542536
Gebunden, 384 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Das Schtetl war "eine kleine Civitas Dei", wie Manès Sperber schrieb, ein untergegangenes Paradies, ein ausgelöschter Sehnsuchtsort. In den "Städtlein" Galiziens, Weißrußlands und der Ukraine lebten die Juden wie aus der Zeit gefallen: in bitterster Armut, größter Religiosität und in der Tradition der Vorfahren, aber ohne den Druck zur Assimiliation wie im übrigen Europa. Pogrome bedrohten das Schtetl schon im 19. Jahrhundert, doch erst die Nazis vernichteten im Zweiten Weltkrieg die Schtetl und ihre Einwohner. Yehuda Bauer, der große Erforscher der Shoah, ruft uns die untergegangene Welt des jüdischen Lebens in Osteuropa in Erinnerung. Er erzählt ohne Verklärung von den Lebensumständen im Schtetl, von den sozialen Widersprüchen, den Schicksalen der einzelnen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.08.2013

Die neue Studie des "Doyens der israelischen Holocaustforschung" Yehuda Bauer sollte ein für alle mal das Ende der Totalitarismustheorie einläuten, hofft Rezensent Micha Brumlik. Bauer stelle einmal mehr den Vorteil präziser historischer Forschung gegenüber geschichtsphilosophischer Spekulation unter Beweis. In "Der Tod des Schtetls" untersucht der Autor die Entwicklungen in dem ostpolnischen Gebiet Kresy, das von Litauen im Norden bis nach Rumänien im Süden reicht, nach dem sowjetischen Einmarsch 1939, berichtet der Rezensent. Ein wesentlicher Verdienst dieser Studie ist für Brumlik, dass Bauer die vielfältigen Formen des Widerstands aufdeckt, die damals in den jüdischen Gemeinden, jiddisch "Schtetlech" genannt, praktiziert wurden, und die für den Autor auch Sozialarbeit und das Aufrechterhalten von "Rudimenten religiösen Lebens" umfassen. Besonders wichtig findet der Rezensent, dass Bauer auch mit Hannah Arendts Beschreibung der Judenräte als bürokratisch gezähmte Opfer aufräumt. Die Räte seien zwar manchmal Orte "willenloser Befehlserfüllung" gewesen, oft dienten sie aber auch der Organisation des bewaffneten Widerstands, lernt Brumlik vom Autor.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2013

Sehr lesenswert findet Sabine Fröhlich diese Studie des israelischen Historikers Yehuda Bauer über die Auslöschung der jüdischen Gemeinden in den ostpolnischen Schtetln, in denen immerhin ein Drittel der polnischen Juden gelebt haben. Wie Fröhlich berichtet, schildert Bauer sehr überzeugend, wie die Schtetl in den damals polnischen Teilen der Ukraine und Weißrusslands schon durch die sowjetische Besatzung in ihrem Zusammenhalt so geschwächt wurden, dass sie der Vernichtung durch die dann einmarschierenden Deutschen wehrlos ausgesetzt waren. Widerstand war nicht mehr zu organisieren, lernt Fröhlich, und von den 1,3 Millionen Millionen Juden in den Kresy genannten Gebieten überlebten nur zwei Prozent. Dass Bauer die leuchtenden Ausnahmen von Selbstorganisation und Aufstand nur mit Zufall, Glück oder Charakter erklären kann, hält Fröhlich zwar für eine Schwäche des Buches, weist aber darauf hin, dass Bauer sich dessen selbst bewusst ist.