Magazinrundschau - Archiv

BBC Magazine

7 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 03.08.2021 - BBC Magazine

In den 1870er Jahren wurde in Amerika ein Sport populär, an den später die berühmten Tanzmarathons in den Dreißigern erinnerten: Fußgängerrennen, erzählt Zaria Gorvett. Wobei diese Übersetzung von "Pedestrianism" im Deutschen missverständlich ist, denn rennen durfte man gerade nicht. Man ging um die Wette, und die Einsätze waren fantastisch: 25.000 Dollar konnte der Gewinner einstreichen, das wären heute etwa 679.000 Dollar. "Die Regeln waren einfach: Die Teilnehmer mussten sechs Tage hintereinander im Kreis laufen, bis sie Runden von mindestens 450 Meilen (724 km) zurückgelegt hatten. Sie konnten laufen, schlendern, torkeln oder kriechen, aber sie durften die ovale Sägemehlbahn nicht verlassen, bevor das Rennen vorbei war." Einige Athleten wurden regelrechte Stars, darunter der Afroamerikaner Frank Hart oder der Brite Charles Rowell. Aber schon im März 1881 war das Interesse des Publikums abgeflaut: "Für die New York Times deutete dies daraufhin, 'dass die Menschen endlich begreifen, dass diese Rennen bestenfalls brutale Veranstaltungen sind und in einer zivilisierten Gemeinschaft nicht toleriert werden sollten.' Die beschämende Realität, auf die sich der Reporter bezog, war schon immer das dunkle Geheimnis des Sports. Ein sechstägiger Spaziergang mag zwar gesund klingen, aber Fußgängerrennen sind eher ein Spektakel des Schmerzes und des Deliriums als sportliche Höchstleistungen. Mit wenig oder gar keinem Schlaf, einem Übermaß an Champagner und häufigen Verletzungen verbrachte die Fußgänger-Elite regelmäßig die Hälfte des Rennens taumelnd auf dem Platz. 'Es war furchtbar, aber für die Leute damals sehr unterhaltsam', sagt Buchautor Matthew Algeo. Derek Martin, Doktorand an der Manchester Metropolitan University, vergleicht die Fußgängerbewegung mit der Begeisterung für Tanzwettbewerbe, die während der Großen Depression in Amerika herrschte. 'Die Idee war, dass Paare tanzten und der Gewinner derjenige wurde, der als letzter auf den Beinen war - ich würde sagen, dass es ein wenig grausam war, Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich selbst bis zum Äußersten strapazierten.'"

Magazinrundschau vom 22.12.2020 - BBC Magazine

Die BBC hat Dokumente gesehen, die offenbar belegen, dass China gezielt Uiguren und Vertreter anderer Minderheiten zur Zwangsarbeit auf den chinesischen Baumwollfeldern einsetzt. Mehr als eine Million Menschen arbeiten in diesen Lagern, die China zu "Berufsschulen" deklariert hat, berichtet John Sudworth. Geplant war das offenbar schon länger: "Eine im August 2016 von der Regionalregierung von Xinjiang herausgegebene Mitteilung über die Verwaltung der Baumwollpflücker weist die Beamten an, 'ihre ideologische Erziehung und die Erziehung zur ethnischen Einheit zu stärken'. Ein Propagandareport, den Dr. Zenz gefunden hat, erklärt, dass die Baumwollfelder eine Gelegenheit bieten, das 'tief verwurzelte, faule Denken' der armen, ländlichen Dorfbewohner zu verändern, indem man ihnen zeigt, dass 'Arbeit glorreich ist'. Solche Sätze spiegeln die Ansicht des chinesischen Staates wider, dass der Lebensstil und die Bräuche der Uiguren ein Hindernis für die Modernisierung darstellen. Der Wunsch, zu Hause zu bleiben und 'Kinder zu erziehen', wird in einem anderen Propagandabericht über die Vorteile des Baumwollpflückens als 'wichtige Ursache für Armut' beschrieben. Der Staat sorgt für 'zentralisierte' Betreuungssysteme für Kinder, alte Menschen und Vieh, so dass jeder 'ohne Sorge arbeiten gehen kann'. Und es gibt viele Hinweise darauf, wie die mobilisierten Baumwollpflücker Kontrollen und Überwachung unterworfen werden, die offenkundig im Widerspruch zu jeder normalen Beschäftigungspraxis stehen. Ein Grundsatzdokument aus Aksu vom Oktober dieses Jahres legt fest, dass die Baumwollpflücker in Gruppen transportiert und von Beamten begleitet werden müssen, die 'mit ihnen essen, leben, lernen und arbeiten und aktiv Gedankenerziehung während des Baumwollpflückens betreiben'."
Stichwörter: China, Zwangsarbeit, Uiguren, Xinjiang

Magazinrundschau vom 04.10.2017 - BBC Magazine

Die BBC porträtiert in einer Reportage die fünfzehn Bewohner des 21. Stock im Londoner Grenfell Tower. Eine fünfköpfige Familie aus Marokko und eine achtzigjährige Frau von den Philippinen kamen bei dem Brand im Juli ums Leben, die anderen überlebten: "Das Feuer im Grenfell Tower tötete zig Menschen und machte aus dem Haus eine verschmorte Ruine. Es erinnert an einen der dunkelsten Tage in der Geschichte des modernen England. Jedes der Stockwerke erzählt eine andere Geschichte - von London und seinen Einwohnern, von Migration und Gentrifizierung, von Leben die gelebt wurden und unter tragischen Umständen zu Ende gingen. Der Grenfell Tower war ein sehr lebendiger Mikrokosmos in der englischen Hauptstadt."

Mehr dazu: Laut dem Guardian liegt die Zahl der identifizierten Opfer mittlerweile bei 68, darunter 18 Kindern - Schätzungen zufolge gibt es noch mindestens 13 nicht identifizierte Tote. In einem weiteren Artikel beleuchtet der Guardian die politischen Hintergründe und offenen Fragen um den Brand.

Magazinrundschau vom 30.09.2014 - BBC Magazine

Schick und multimedial hat die BBC Jeff Mayshs großes Porträt des griechischen Räubers - und Abgotts der Anarchisten - Vassilis Paleokostas aufgearbeitet. Immer wieder brillierte er durch kühne Bankein- und Gefängnisausbrüche und streute sein Geld unters Volk. Das machte ihn in Krisenzeiten recht populär. Auf angenehme Weise spannt er die Bevölkerung in seine Strategien ein, wie Maysh anhand eines großen Bankeinbruchs mit anschließender Flucht erläutert: "Dann kamen die Sirenen. Die Gruppe brauste in einem gestohlenen Auto in Richtung der Berge ihrer Kindheit davon, aber die Polizei war ihr auf den Fersen. Vassilis warf mehrere Hände voll Bargeld aus dem Fenster. Wolken von Banknoten regneten auf die Einwohner der Stadt hernieder, es entstand Chaos. In gerade mal drei Minuten waren 125 Millionen Drachmen, etwa 360.000 Pfund, unter der Nase der Behörden geklaut worden. Es bleibt der größte Bankraub in der griechischen Geschichte und der einzige mit Beteiligung der Passanten." Paleokostas ist nach wie vor auf der Flucht.

Magazinrundschau vom 10.09.2013 - BBC Magazine

William Kremer erzählt die Geschichte von David Good, der ins entlegene Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien reist, um nach zwanzig Jahren seine Mutter Yarima wiederzusehen. Als Frau des Anthropologen Kenneth Good, der in den sechziger Jahren über das indigene Yanomami-Volk geforscht hat, lebte Yarima einige Jahre in den USA, bevor sie für immer in den Urwald zurückkehrte. Dort wird David mit großem Amusement aufgenommen: "Die Yanomami haben kaum Vorstellungen von dem sehr unterschiedlichen Leben der Außenseiter. Den Mangel an praktischen und sprachlichen Fähigkeiten, den die Weißen an den Tag legen, erklären sich die meisten mit schierer Dummheit. 'Ich sagte ihnen Yanomami keye - ich bin Yanomami', sagt David. 'Und dann fiel ich die Flussböschung hinab oder stolperte über Weinreben, oder ich stieß gegen einen falschen Baum und bekam einen Schwall bissige Ameisen auf den Kopf. Sie fanden das unwiderstehlich komisch."
Stichwörter: Mutter, Venezuela, Krems, Ameisen, Indigene

Magazinrundschau vom 29.01.2013 - BBC Magazine

Wussten Sie, dass hohe Absätze ursprünglich für Männer erfunden worden waren? Die Perser benutzen sie, um beim Pfeilschießen besseren Halt in ihren Steigbügeln zu haben (Bild), erzählt William Kremer im BBC Magazine. Als persische Diplomaten 1599 Europa bereisten, fanden die europäischen Adligen ihre Absätze ungeheuer machohaft und kopierten sie. "Doch eine Manie in der Frauenmode für Elemente der Herrenkleidung führte dazu, dass die Absätze bald auch von Frauen und Kindern getragen wurden. 'In den 1660er Jahren schnitten sich Frauen die Haare ab und trugen Epauletten' sagt Elizabeth Semmelhack vom Bata Shoe Museum in Toronto. 'Sie rauchten Pfeife und trugen Hüte, die sehr männlich wirkten. Darum adoptierten Frauen die Absätze - um ihre Outfits zu maskulinisieren.' Von dieser Zeit an folgte Europas Oberklasse bei Schuhen einer Unisexmode, bis sich Ende des 17. Jahrhunderts die Dinge zu ändern begannen."
Stichwörter: 17. Jahrhundert, Toronto, Krems

Magazinrundschau vom 03.01.2012 - BBC Magazine

Europa wird zu Staub zerfallen. Mit Spott stellt John Gray im BBC Magazine all jene, die an einen allmählichen Fortschritt des Menschengeschlechts glauben, an die Seite von Utopisten. Solche Leute seien auch in der EU am Werk. Er bemüht Arthur Koestler, dem Europa im Jahr 1939 wie ein von Termiten zerfressenes Gebäude zusammenzufallen schien, um die heutige Lage zu beschreiben: "Wer einen Schritt zurücktritt und mit etwas Distanz auf die Lage blickt, erkennt klar, dass innerhalb bestehender Institutionen keine Lösung für die europäischen Probleme gefunden werden kann. So wie das Holzgerüst im Haus eines Plantagenbesitzeres, über das Koestler in einem Buch über Termiten gelesen hatte, werden die europäischen Strukturen von den Schulden aufgefressen. Wo immer Europas Eliten Halt suchen, brechen die Pfeiler schon weg."
Stichwörter: Gray, John, Koestler, Arthur