In den 1870er Jahren wurde in Amerika ein Sport populär, an den später die berühmten Tanzmarathons in den Dreißigern erinnerten:
Fußgängerrennen,
erzählt Zaria Gorvett. Wobei diese Übersetzung von "Pedestrianism" im Deutschen missverständlich ist, denn rennen durfte man gerade nicht.
Man ging um die Wette, und die Einsätze waren fantastisch: 25.000 Dollar konnte der Gewinner einstreichen, das wären heute etwa 679.000 Dollar. "Die Regeln waren einfach: Die Teilnehmer mussten
sechs Tage hintereinander im Kreis laufen, bis sie Runden von mindestens 450 Meilen (
724 km) zurückgelegt hatten. Sie konnten laufen, schlendern, torkeln oder kriechen, aber sie durften die ovale Sägemehlbahn nicht verlassen, bevor das Rennen vorbei war." Einige Athleten wurden regelrechte Stars, darunter der Afroamerikaner Frank Hart oder der Brite Charles Rowell. Aber schon im März 1881 war das Interesse des Publikums abgeflaut: "Für die
New York Times deutete dies daraufhin, 'dass die Menschen endlich begreifen, dass diese Rennen bestenfalls
brutale Veranstaltungen sind und in einer zivilisierten Gemeinschaft nicht toleriert werden sollten.' Die beschämende Realität, auf die sich der Reporter bezog, war schon immer das dunkle Geheimnis des Sports. Ein sechstägiger Spaziergang mag zwar gesund klingen, aber Fußgängerrennen sind eher ein
Spektakel des Schmerzes und des Deliriums als sportliche Höchstleistungen. Mit wenig oder gar keinem Schlaf, einem Übermaß an Champagner und häufigen Verletzungen verbrachte die Fußgänger-Elite regelmäßig die Hälfte des Rennens taumelnd auf dem Platz. 'Es war furchtbar, aber für die Leute damals sehr unterhaltsam', sagt Buchautor Matthew Algeo. Derek Martin, Doktorand an der Manchester Metropolitan University, vergleicht die Fußgängerbewegung mit der Begeisterung für
Tanzwettbewerbe, die während der Großen Depression in Amerika herrschte. 'Die Idee war, dass Paare tanzten und der Gewinner derjenige wurde, der als letzter auf den Beinen war - ich würde sagen, dass es ein wenig grausam war, Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich selbst
bis zum Äußersten strapazierten.'"