John Gray ruft dazu auf, wieder den 1884 geborenen russischen
Autor Jewgeni Samjatin zu lesen. In seinem dystopischen Roman "Wir" von 1920 beschrieb er lange vor Aldous Huxley und George Orwell, dass eine Gesellschaft, in der
Unglück und Zwietracht eliminiert werden sollen, alles verliert, was das Leben wertvoll macht: "Samjatins lehnte das Utopische ab, aber nicht weil er glaubte, eine perfekte Gesellschaft sei unerreichbar, sondern weil er nichts von Idee der Perfektion hielt. Seiner Ansicht nach würde jedes rationales Modell einer Gesellschaft, das ein einziger Mensch ersonnen hätte, in die Tyrannei führen. Dabei beunruhigte ihn nicht am meisten die politische Unterdrückung. Ihn beschäftigte vielmehr, welche Auswirkung der
Rationalismus auf die Seele hätte. Menschliche Kreativität sei untrennbar verbunden mit Unruhe stiftenden Leidenschaften. Utopische Vorstellungen seien von Natur aus dystopisch. Hierin folgte Samjatin
Fjodor Dostojewskis wegweisenden dystopischen 'Aufzeichnungen aus dem Kellerloch' von 1864. Für Dostojewskis Ich-Erzähler wäre eine auf Logik und Wissenschaft basierende Gesellschaft, wenn überhaupt möglich, dann ein spirituelles Gefängnis. Die Fähigkeit zu
Aufopferung und unvernünftiger Liebe, sich für Kampf und Leid, statt für Frieden und Glück zu entschieden, waren für ihn wesentlicher Teil der menschlicher Freiheit." Aber vor allem, meint Gray, war Samjatin im Gegensatz zu Huxley und Orwell Optimist und deshalb davon überzeugt, dass die
menschliche Unvollkommenheit am Ende jeden rationalen Despotismus besiegen wird.
Francis Bacon war der größte Maler war, den Britannien seit
William Turner hervorgebracht hat,
stellt Andrew Marr klar. Müssen wir da noch einmal all die saftigen Geschichten aus seinem Leben lesen, die
Mark Stevens und
Annalyn Swan in ihrer Biografie "Francis Bacon: Revelations" zusammentragen? "Sex, Tod, Glamour, Tratsch, Tratsch, Tratsch"? Ja doch, auch wenn sie keine echten Enthüllungen mehr sind: "Bacon hat den Zweiten Weltkrieg äußerst intensiv erlebt und erfahren. Als Brandmeister im Blitz sah er unaussprechliche Dinge; beim Warten auf Hitler hatte er sein Monster fertig vor Augen. Die
Unmittelbarkeit des Todes putscht auf - und aus ihr entstand sein Wunder. Aber wie bewahrt man sich diese Intensität, wenn
die Welt banal wird? Als schwuler Mann mit sadomasochistischer Ader, fand Bacon eine Art, könnte man sagen, im Privaten mit dem drohenden Desaster zu leben. Hielt ihn das als Künstler lebendig? Er brauchte das gefährliche Cruising, die abenteuerlichen Wetten, die Schläge, sie gaben seinem Leben
die nötige Kantigkeit. Deswegen sind die berühmten Geschichte nicht unwichtig. Einen großen Empfang geben für die neue Ausstellung im Herzen von Paris, mit den Größen der Stadt lachend und plaudernd, während der Liebhaber
sterbend im Hotelzimmer liegt - und dann für Jahre die niederschmetternde Schuld spüren. Was kann einen berechenbarer daran erinnern, dass man am Leben ist, aber nicht mehr für lange?"
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Richard J. Evans wirft der britischen Regierung eine desolate Politik in der Pandemie vor, die das Land über 100.000 Tote gekostet hat: "Die britische Corona-Krise rührt aus dem
Versagen grundlegender Staatsführung, einer tödlichen Kombination aus
Inkompetenz und Untätigkeit.