Der französische Journalist
Philippe Lançon, der vor vier Jahren den Anschlag auf
Charlie Hebdo knapp überlebte,
antwortet auf die Frage, wie sich die französische Satire nach dem Anschlag verändert habe: "Den hassvollen Reaktionen auf den Inhalt einer Nummer entnehmen wir Kollegen oft, dass es immer schwerer wird, mit einem Scherz
auf aktuelles Geschehen zu reagieren, sich über etwas Ernstes lustig zu machen. Ich würde das aber nicht nur dem Attentat zuschreiben, sondern der Mischung langjähriger ökonomischer und gesellschaftlicher Krisen in Frankreich, dem Gefühl vieler Menschen, in der gegenwärtigen globalisierten Welt die
Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben, dies alles verknüpft mit den sozialen Netzwerken, die den Respekt vor der Komplexität der Dinge und dem Maßvollen zunichte machen. Die französische Gesellschaft hat eine
Überempfindlichkeit gegenüber der umgebenden Welt entwickelt, und kaum einer mag über wirklich alles lachen. Es ist eine schlechte Zeit für die Satire, aber so ist es." Nach dem Januar 2015 hatte
Charlie Hebdo keine Karikatur zum Islam mehr auf dem Titel - hat man damit der neuen Empfindlichkeit nachgegeben?, fragt Kateřina Šafaříková. "Das ist wohl so", antwortet Lançon, "aber der Hauptgrund ist prosaischer - die
Morddrohungen gegen
Charlie gingen auch nach dem Anschlag weiter. Und nicht nur eine, es gab relativ viele,
fast jede Woche eine neue. Diese Zeitschrift und ihre Mitarbeiter stehen unter einem extremen Druck und wollten eine weitere Tragödie vermeiden. Außerdem wollte die Redaktion jenen - meiner Meinung nach Dummköpfen - nicht rechtgeben, die behaupten,
Charlie Hebdo sei eine antimuslimische, antiarabische Zeitschrift."
Respekt bringt außerdem ein langes
Interview mit der tschechischen
Schriftstellerin Radka Denemarková anlässlich ihrer neuen Romanpublikation, die von mehreren
China-
Aufenthalten der Autorin inspiriert ist. "Wie soll man das nennen, was in China geschieht und was die ganze Welt uneingestanden bewundert?", fragt sich Denemarková. Sie hat sich mit Dissidentenkreisen um den Redakteur Xi Zhiyuan befreundet, in der Folge wurde sie von einer Pekinger Veranstaltung wieder ausgeladen. "Ich bin in China allem begegnet, was man sich unter einem
brutalen Polizeistaat vorstellen kann. Das überstürzte Wirtschaftswachstum vollzieht sich in Form einer riesigen industriellen Verunreinigung, Umweltzerstörung und eines
Städteausbaus unglaublichen Ausmaßes, der die Umgebung verschlingt. Als würde ich Schlittschuh laufen und hören, wie unter mir das
Eis knackt und in der Ferne die Schollen ächzen - ein alter Zyklus geht zu Ende, und die Welt dreht sich in einem Wirbel der Zensur und Autozensur."