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Telepolis

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 09.05.2023 - Telepolis

Mit den atemberaubenden Fortschritten, die Künstliche Intelligenz in den letzten Monaten vollzogen hat, hält das Urheberrecht nicht mehr Schritt, schreibt René Walter. Schon jetzt sieht er gigantische Textfabriken auf uns zukommen, die "durch die automatisierte Mediensynthese plausibler, aber nicht realer Texte, Bilder und Audiodaten" die Töpfe der Verwertungsgesellschaften plündern. "Die Zufälligkeit einer stochastischen Bibliothek und der interpolative Charakter von KI-Synthese widersprechen grundsätzlich den Prinzipien US-amerikanischer und europäischer Urheberrechte, die individuelle, identifizierbare Werke von natürlichen Personen und eine gewisse Schöpfungshöhe voraussetzen, um tätig zu werden. Wie solche Kopierrechte auf einen interpolierfähigen Latent Space reagieren sollen, in dem ich Muster bestehender Werke auf kreativ-molekularer Ebene miteinander frei verbinden kann, ist völlig unklar und es kommt, wie ein Jurist sagen würde, 'auf den Einzelfall an'. ... Verwertungsgesellschaften von Urheberinnen und Urhebern haben bislang keinerlei Ansätze, um diesen endlosen stochastischen Mash-ups generativer KI-Systeme auf Basis atomisierter Kultur zu begegnen. ... Die Sängerin Grimes gab vor wenigen Tagen ihre Stimme zur Nutzung in KI-Synthesen frei und verlangt im Gegenzug 50 Prozent Lizenzgebühren, falls die Songs erfolgreich sind, während CEO Tom Graham des Start-ups Metaphysics, das sich auf Deepfakes spezialisiert, ein Copyright auf die KI-Anmutung seines Aussehens beantragt hat. Ein Fingerzeig in eine Zukunft der Urheberrechte, in der Künstler an den Erzeugnissen beteiligt werden, für die sie Daten aus Persönlichkeits-Mustern beisteuern, also Daten wie Stimmfarbe, Pinselstrich, Wortwahl und so weiter." Doch "folgt man den alten Prinzipien eindeutig identifizierbarer Werke von natürlichen Personen, wird der Kulturraum auf lange Sicht unregulierbar. Eine weitere Ausweitung des Urheberrechts allerdings - auf stilistische Merkmale wie im Markenrecht etwa - läuft Gefahr, die kreativen Ausdrucksmöglichkeiten des Menschen einzuschränken."