Snapshots Blog - von Sascha Josuweit

Ski fahren auf Gebeinen

Von Sascha Josuweit
10.03.2014. Aleatorisch Bildmaterial, Netznews und Gossip verarbeitend erkundet unser Autor die Möglichkeiten eines Parallelfeuilletons
Dass eine Helmkamera wie ein Hammer wirken kann, sollte jeder Hobbyfilmer in Betracht ziehen. Die Konstrukteure des Nutzlosen sollten sich fragen, ob Wintersport nicht ohnehin hart genug ist. Sotschi liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Nizza. Das Klima der Küstenzone ist subtropisch. Kein Gedanke an Parallelschwung, geht man bei 20 Grad Lufttemperatur die Strandpromenade entlang. Doch wie das Stadtwappen mit Sonne, Palme, Wellen und Berggipfeln anzeigt, hat Sotschi mehr zu bieten. 40 Kilometer östlich, auf 600 Metern Höhe, liegt, umgeben von den Ausläufern des Kaukasus, der Ortsteil Krasnaja Poljana, früher Romanowsk. Die Skisaison dauert hier für gewöhnlich von November bis April, in höheren Lagen bis in den Juni. Das Wetter ist sprunghaft, mit feuchtmilder Seeluft einerseits und kalten Luftmassen, die sich urplötzlich von den Gebirgskämmen herabsenken, andererseits. Ähnliche klimatische Bedingungen wie bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin. Für alle Fälle lagern unter dicken Planen Reste des kostbaren Weiß vom Vorjahr sowie die größte jemals gebaute Kunstschneeanlage. Nicht nur in diesem Zusammenhang sprechen Umweltverbände von den schmutzigsten Spielen aller Zeiten. Der in den USA lebende Vorsitzende des Internationalen Komitees der Tscherkessen, Iyad Youghar, übt seinerseits Kritik. Gegen Ende des Kaukasuskrieges fand in Krasnaja Poljana die letzte blutige Schlacht der Russen gegen sein Volk statt. Wer überlebte, wurde zwangsverschifft. Ein kaum bekannter Genozid. Youghar ist der Meinung, die Sportler sollten wissen, dass sie auf den Gebeinen der Tscherkessen Ski fahren.