Memo Anjel

Mindeles Liebe

Ein jüdischer Roman aus Medellin
Cover: Mindeles Liebe
Rotpunktverlag, Zürich 2009
ISBN 9783858693877
Gebunden, 199 Seiten, 19,50 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Hanna Grzimek. Der Esstisch der vielköpfigen sephardischen Familie im kolumbianischen Medellin ist sozusagen der Nabel der Welt. Hier wird erlebt und verhandelt, was wichtig ist im Leben. Und wie schon in "Das meschuggene Jahr" berichtet der 13-jährige Junge die Dinge so, wie er sie sieht. Von der Liebe wissen die Kinder wenig. Die Eltern gehören halt einfach zusammen, man kennt das - nie hätte man dafür ein so seltsames Wort wie Liebe verwendet. Nur die vorwitzige und superschlaue Victoria, die schon alle Bücher in ihrer Reichweite gelesen hat, weiß, was Liebe ist, weil sie schon mal einen Verehrer gehabt hat: Liebe sei, erklärt sie ihren Geschwistern, einen Schwachkopf mit Pickeln im Gesicht vor sich zu haben. Doch dann bricht wirklich die Liebe aus - eine Liebe, die nicht sein darf. Sie verändert Personen, die man zu kennen geglaubt hatte, bringt die ohnehin chaotische Welt der kleinen jüdischen Gemeinde im Stadtteil Prado durcheinander und stellt die Familie vor eine Zerreißprobe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.11.2009

Andrea Neuhaus zeigt sich ein bisschen enttäuscht von dieser Fortsetzung von Memo Anjels Familiengeschichte "Das meschuggene Jahr". Wiederum lässt sie der Autor die Perspektive eines jungen Erzählers einnehmen, um diesmal über den Einbruch der Liebe in den Alltag der Familie im kolumbianischen Medellin zu erzählen. Diese Liebe hat nichts mit der Ökonomie von Paarbeziehungen zu tun, das merkt Neuhaus schnell. Stattdessen hat sie den Zauber einer Kunst, der Poesie. Wie Anjel diese Macht durch seine Erzählweise vermittelt, bilderreich und leicht, hat für Neuhaus etwas von Isaac B. Singer und auch vom magischen Realismus Lateinamerikas. Nichts gegen diesen Versuch eines poetischen Gegenentwurfs zur gängigen kolumbianischen Literatur über Gewalt und Terror. Doch was Neuhaus hier fehlt, ist ein Kontrast zu der nostalgischen Herzenswärme eines Poesiealbums, die Anjel hier verbreitet. So, findet sie, bleibt die Geschichte etwas fad.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.08.2009

Knut Henkel freut sich, dass der Autor Memo Anjel nicht wie viele seiner kolumbianischen Kollegen in die "Falle der Porno-Misere und des Killertums" getappt ist, sondern in seinen Geschichten den Alltag ganz normaler Menschen fernab jeglicher Gewaltklischees abbildet. So auch in seinem neuesten Roman "Mindeles Liebe", der von einer unglücklichen Liebe handelt und sich in ein chaotisches Familiendrama entfaltet. Die Figuren haben höchst eigenwillige Persönlichkeiten, sind manchmal "etwas wunderlich", aber oft aus der Erinnerung des Autors auferstandene Familienangehörige, die die alltäglichen Wunderlichkeiten meistern müssen. Henkel weiß, dass Anjel sein literarisches Projekt, das Leben der kleinen jüdisch-sephardischen Gemeinde in seiner Heimatstadt Medellin darzustellen, mit diesem Roman weiterführt, ganz ohne Gewalt "verkaufen" zu müssen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2009

Knut Henkel hat den kolumbianisch-jüdischen Autor Memo Anjel getroffen und sich mit ihm auch über dessen jüngsten Roman "Mindeles Liebe" unterhalten. Indem er mit viel Humor jüdisches Leben in der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, Medellin, schildert, hat sich der Autor eine literarische Nische geschaffen, die weitab vom üblichen Kolumbienbild in der Literatur die Welt seiner Kindheit und Jugend schildert, erklärt der Rezensent. Denn wenn sonst Gewalt die kolumbianische Literatur wie die Wirklichkeit beherrscht, dominieren in Anjels Welt die seltsamen Käuze und eigenwillige Figuren, betont Henkel. Im Roman heiratet Mindele, zu Deutsch "Püppchen" mit großem Pomp, liebt aber in Wirklichkeit Chaim, fasst der Rezensent diese "nicht ganz glückliche Liebesgeschichte" zusammen. Es geht dem Autor darum, jüdisches Leben abseits der verbreiteten Klischees zu beschreiben und die sephardischen Juden der kolumbianischen Gesellschaft ein bisschen sichtbarer zu machen, weil sie ansonsten in der Öffentlichkeit ebenso wenig wahrgenommen werden wie die überhaupt die Mittelschicht, wie der Rezensent erklärt. Das ist die Botschaft des auch durch eine wöchentliche Kolumne in Medellins Zeitung "El Columbiano" bekannten Autors, wie Henkel eingenommen mitteilt.