Cees Nooteboom

Der verliebte Gefangene

Tropische Erzählungen
Cover: Der verliebte Gefangene
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518417461
Gebunden, 112 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

Aus dem Niederländischen von Helga von Beuningen. Im Juni 1957 heuert ein magerer Vierundzwanzigjähriger auf der Gran Rio an. Von Amsterdam soll die Reise über Lissabon in die Tropen führen, nach Trinidad, Britisch-Guyana und Surinam. Im Reisegepäck des ungewöhnlichen Matrosen: Bücher, Notizhefte und die Neugier eines angehenden Schriftstellers, der gerade mit großem Erfolg "Philip und die anderen" veröffentlicht hat und entdecken wird, dass es in der Welt nicht immer so träumerisch zugeht wie in seinem Romanerstling. Cees Nootebooms erste große Reise hat ihren Niederschlag gefunden in den Tropischen Erzählungen, die auf niederländisch bereits 1958 veröffentlicht wurden und nun, ergänzt um eine spätere Erzählung, erstmals vollständig auf deutsch vorliegen. Das Gefühl der Fremdheit angesichts der anderen Matrosen, die unbekannten Laute und Düfte, der Reichtum der Natur, die Armut der Menschen - all diese Eindrücke hat Nooteboom einfließen lassen in Geschichten, die von Sonderlingen handeln, von verirrten Existenzen, seltsamen Begegnungen und grausamen Verfehlungen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.07.2006

Schwer beeindruckt, ja schon fast erschlagen gibt sich Rezensent Alexander von Bormann angesichts der inhaltlichen und stilistischen Wucht und Könnerschaft der vor rund fünfzig Jahren erstmals veröffentlichten Erzählungen. Ertragen könne man die gebündelte Kraft des Erzählbandes eigentlich nur deshalb, weil Cees Nooteboom so taktvoll sei, dem Leser auch weniger bedeutsame Nebenhandlungen gewissermaßen zum Luft holen bereitzustellen. Ein wesentliches Motiv, so der Rezensent, sei in allen Erzählungen der "Aufbruch". Bei der "grandiosen" Titelgeschichte "Der verliebte Gefangene" sei der Autor schon aufgrund der großen Grausamkeit des Geschehens gezwungen gewesen, all seine Kunst aufzubieten. Wiederum zur Schonung des Lesers! Bemerkenswert findet der Rezensent insbesondere eine gelungene Verbindung von "Mündlichkeit" und "Schriftlichkeit", die schon in diesen frühen Erzählungen Cees Nootebooms zu bewundern sei.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.06.2006

Wolfgang Schneider ist von diesen frühen Erzählungen, die sich vor allem aus Cees Nootebooms Erfahrungen als Leichtmatrose speisen, ganz in den Bann gezogen. Hier wird keine Seemannsromantik beschworen, versichert der Rezensent, sondern vielmehr Brutalität und Verstörung inszeniert. Trotz der Anklänge an bekannte Motive der Kolonialliteratur, entfalten diese Geschichten zudem eine ganz "unverbrauchte" Poesie, schwärmt Schneider, der dennoch immer wieder überrascht wird, wie geradezu klassisch die Erzählungen auf ihre finsteren Pointen hinauslaufen. Auch die Texte des Bandes, in denen die Kindheit heraufbeschworen wird, sind keineswegs idyllische Erinnerungsreisen, sondern auch hier offenbaren sich Abgründe, so der Rezensent. Schließlich hebt Schneider noch begeistert die Reiseerzählung "Phantasma" hervor, in der sich allein die Beschreibung eines Sonnenuntergangs schon wie eine spannende Erzählung liest, wie er fasziniert lobt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Der späte Cees Nooteboom, weiß Dorothea Dieckmann, kann mit dem frühen Nooteboom nichts anfangen. Er muss sich wohl selbst als junger Wilder erscheinen, mutmaßt die Rezensentin, der "Schweiß, Schmutz, Schmerz" einer Welt empfunden hat, die ihm sinnlich nahe gerückt war und sich nicht durch "philosophische Sentenzen besänftigen" ließ. Nootebooms "Tropische Erzählungen" sind bereits 1958 erschienen, damals reiste der umtriebige Holländer nach Surinam, Guyana und Trinidad; ergänzt wird die tropische Sammlung um zwei weitere Erzählungen: "Phantasma" aus dem Jahr 1972 und "Kinderspiele" von 1968. Vor allem den frühen Erzählungen fehlt die Gelehrsamkeit des späten Nooteboom, was Dieckmann zu gefallen scheint. Sie machten das Grauen erfahrbar, das einen in der Fremde, in den Tropen, in dieser Schweiß treibenden Gleichgültigkeit alles Physischen packen könnte.

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