Anke Fesel (Hg.), Chris Keller (Hg.)

Berlin Heartbeats

Stories from the wild years, 1990-present
Cover: Berlin Heartbeats
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518467688
Taschenbuch, 256 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Zweisprachige Ausgabe. Mit etwa 200 Fotos, u. a. von Ben de Biel, Rolf Zöllner, Philipp von Recklinghausen, Hendrik Rauch, Ute Mahler und Harald Hauswald und Interviews mit Christiane Rösinger, Flake, Sven Marquardt, Dimitri Hegemann, Klaus Biesenbach, Judith Hermann, Robert Lippok, Ol Schwarzbach, Sasha Waltz u. a. Berlin in den 90ern: Die Stadt ist keine Insel mehr, alte Strukturen lösen sich auf und hinterlassen neue Räume für Improvisation und Experiment. In den verlassenen Häusern und auf den Straßen lassen sich die Versatzstücke vergangener Zeiten zu einem neuen, bunten und oft nur temporären Bild zusammenfügen. Eine Zeit der Hoffnung, auch wenn der Wandel für viele eine ungewisse Zukunft bedeutet. Doch wer es wagt, sich der Freiheiten zu bedienen, findet ein riesiges Areal an Möglichkeiten. Fotoessays erzählen die wegweisenden und die weniger bekannten, dafür umso erstaunlicheren Storys aus der jüngeren Geschichte Berlins: Neue Clubs reanimieren das Nachtleben, das Obdachlosentheater "Ratten 07" erobert die Bühne, die Räumung der Mainzer Straße eskaliert und im Kalksandsteinwerk Rüdersdorf treten dunkle Momente der jüngsten Vergangenheit zutage. Ergänzt werden die Fotostrecken durch Gespräche mit den Vordenkern und Querdenkern, Aktivisten und Autodidakten, die zum Entstehen des heutigen Berlin beigetragen haben und deren Biografien so nur in dieser Stadt geschrieben werden konnten.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 20.05.2017

Die abgedroschene Mär von den westdeutschen Pionieren, die nach dem Mauerfall die brachliegende Berliner Mitte wieder urbar machten, kennt Michael Pilz zur Genüge. Umso mehr freut er sich, dass die Texte im Bildband "Berlin Heartbeats" überwiegend die Perspektive derjenigen abbilden, die bereits dort waren, von dem Fotografen Sven Marquardt beispielsweise, von Frank Carstorf oder dem Karikaturisten OL. Ihre Freiheit, ihr Lebensgefühl war es, die die westdeutschen "Wirtschaftswunderkinder" im Osten suchten, weiß Pilz, und ihre Stimmen zu hören, bereichert für ihn das Genre "1990 ff." ungemein.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.05.2017

Rezensent Harry Nutt lässt sich von den Herausgebern Anke Fesel und Chris Keller und den Beiträgern des Bandes von Judith Hermann über Ingo Schulze bis zu Frank Castorf das Berlin der Nachwendezeit in Erinnerung rufen, als Papierrollen an den Haustüren die Mailbox ersetzten und alles so wild, experimentell und frei war und man alles selber machen musste bzw. durfte. Die Empfindung des Verlustes durchzieht das Buch, so Nutt, auch wenn nicht alle Texte schwermütig sind, wie er versichert. Die Verklärung kann Nutt nicht immer verstehen, denn vieles auf den Fotos im Band sieht eher traurig aus, weniger heroisch oder unverfälscht, meint er.